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Regionalbahnlinien in Sachsen-Anhalt Unter die Räder

Sieben Milliarden Euro verteilt der Bund jährlich an die Länder, damit der Nahverkehr auf der Schiene rollt. Westländer wollen jetzt einen größeren Anteil. Sachsen-Anhalt würde demnach 150 Millionen Euro verlieren. Das wäre das Aus für schwach ausgelastete Strecken.

Von Jens Schmidt 30.09.2014, 03:11

Magdeburg l Wenn die Verkehrsminister der Länder am 1. und 2. Oktober in Kiel tagen, wird es auch um die künftige Finanzierung des regionalen Bahnverkehrs gehen. Um die Aufteilung des milliardenschweren Topfs ist jetzt schon ein heißer Streit entbrannt. Die Westländer fordern deutlich höhere Anteile als bislang, was zu Lasten des Ostens ginge.

Im Westen rappelvoll, im Osten viel Luft

Länder wie Hamburg oder Nordrhein-Westfalen argumentieren: In den Metropolregionen des Westens sind Züge rappelvoll, während im Osten oft viel Luft durchs Land gefahren wird. Würde etwa die von NRW vorgeschlagene neue Verteilquote Realität, würde sich Sachsen-Anhalts Anteil halbieren. Dann müsste das Land einen großen Teil seiner Nahverkehrslinien dichtmachen. Betroffen wären vor allem Strecken in dünn besiedelten Gebieten wie in der Altmark. Derzeit erhält Sachsen-Anhalt jedes Jahr fast 370 Millionen Euro für den Regionalverkehr auf der Schiene.

Zur Ausgangslage: Seit der Bahnreform 1996 sind die Länder für den sogenannten Schienenpersonennahverkehr (SPNV) zuständig. Dafür bekommen sie vom Bund jährlich Regionalisierungsmittel. In diesem Jahr sind es 7,3 Milliarden Euro. Mit dem Geld werden vor allem die Fahrpreise im Nahverkehr subventioniert. Die Länder beauftragen Eisenbahnunternehmen wie DB Regio oder Abelio und reichen die Mittel quasi weiter. Alle paar Jahre werden die Gelder zwischen Bund und Ländern neu ausgehandelt. 2014 ist wieder so ein Jahr. Nun geht es um die Wurst. Vor allem darum, wie groß sie in den kommenden Jahren ist - und wie sie aufgeteilt wird.

Beim Start 1996 wurden Verteilquoten beschlossen. Berücksichtigt sind nicht allein die Einwohnerzahlen in den Ländern, sondern auch das Bestreben, möglichst jede Region am Bahnnetz zu halten. So bekommt Sachsen-Anhalt gut 5 Prozent der Bundesgelder ab, obwohl nur 2,8 Prozent der Bundesbürger hier leben.

Etliche Westländer wollen die Quoten daher revidieren. Die Zeiten der Sonderförderung Ost gehen schließlich bald zu Ende. Hamburg etwa will die hohe Pendlerbelastung stärker honoriert sehen. Schleswig-Holstein will Verkehrsleistung und Einwohnerzahl besser berücksichtigt wissen. Der Osten lehnt das ab.

Seit mehreren Wochen streiten sich Fachbeamte der Länder-Verkehrsministerien und knobeln Formeln aus. Egal, wie "logisch" die Rechenwerke scheinen: Am Ende bekommt jedes West-Land das, was es gern heraushaben will - und der Osten bekommt deutlich weniger.

Am heftigsten ins Kontor schlüge die neue Verteilformel von Nordrhein-Westfalen. Das größte Bundesland will die Einwohnerzahl als stärksten Faktor berücksichtigt sehen. Resultat: Der NRW-Anteil würde von 15,7 auf 20 Prozent wachsen. Das wären gut 300 Millionen Euro mehr. Sachsen-Anhalts Anteil würde auf 2,9 Prozent schrumpfen. Statt 367 Millionen Euro würden nur noch 210 Millionen Euro nach Magdeburg fließen. 150 Millionen Euro weniger? Verkehrsminister Thomas Webel (CDU) bliebe nichts anderes übrig, als ganze Regionen abzukoppeln. Strecken, die in dünn besiedelten Gebieten naturgemäß recht schwach ausgelastet sind, stünden ganz oben auf der Streichliste. So Regionalzuglinien wie Stendal-Rathenow, Stendal-Tangermünde, Wernigerode-Ilsenburg-Vienenburg oder Calbe-Bernburg-Könnern.

Thüringen und Sachsen-Anhalt haben deshalb eine Gegen-Formel vorgeschlagen. Sie berücksichtigt die Interessen der Metropolen und Westländer, schröpft die Ostländer aber nicht zu stark. Der Gesamtkuchen soll demnach nächstes Jahr um 1,5 Prozent und dann bis 2030 jährlich um zwei Prozent wachsen. Sachsen-Anhalts Anteil betrüge dann 4 Prozent - also einen Punkt weniger als bislang. Umgerechnet wäre das ein Verlust von gut 75 Millionen Euro, den Sachsen-Anhalt dann verkraften müsste.

Verkehrsminister hoffen auf Schäuble

Noch besser liefe es, wenn sich Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) durchsetzt: Eine Expertise seines Hauses kommt zum Ergebnis, dass der Finanzbedarf aller Länder sogar bei acht Milliarden Euro liegt. Ob jedoch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mitspielt, ist ungewiss. Auch er hat ein Gutachten ausarbeiten lassen, dessen Ergebnisse bei der Verkehrsministerkonferenz mit Spannung erwartet werden.

Sollten sich die Länder nicht einigen, kann es auch sein, dass der Bund die derzeit gültigen Regeln um ein Jahr verlängert. Dann bliebe vorerst alles beim Alten. Fast: Einen Inflationsausgleich von 1,5 Prozent gäbe es freilich nicht. Schäuble kann das recht sein. Den Ländern nicht.