1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Gabriele Zacharias scheitert an gesetzlichen Hürden

Endstation Jobcenter Gabriele Zacharias scheitert an gesetzlichen Hürden

Gute Beurteilung, eine Empfehlung von einem freien Träger und dennoch
kommt Gabriele Zacharias nicht ans Ziel. Sie möchte Erzieherin werden.
Auf dem Weg zum Traumberuf scheitert sie jedoch an einem vergüteten
Praktikum, das sie zwei Jahre im Voraus nachweisen muss.

Von Christina Bendigs 01.10.2014, 03:07

Magdeburg l Gabriele Zacharias ist in Tränen aufgelöst, denn sie wünscht sich nichts mehr, als dem Jobcenter den Rücken zu kehren und eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin zu absolvieren. Eine gute Beurteilung aus ihrer dreijährigen Zeit als Bürgerarbeiterin in der evangelischen Kindertagesstätte Trinitatis hat sie bekommen. Und grundsätzlich ist die Erfüllung ihres Wunsches auch kein Problem: Das Jobcenter fördert Ausbildungen mit Bildungsgutscheinen.

"Die meisten hatten nur die Möglichkeit, mich mit 450 Euro zu unterstützen." - Gabriele Zacharias, Ehefrau und Mutter

Doch es gibt ein Aber: Umschulungen werden nur für zwei Jahre unterstützt. Im Praktikumsjahr, dem dritten Ausbildungsjahr für die staatliche Anerkennung, würde die 38-Jährige keine finanzielle Zuwendung erhalten. Deshalb müsse sie schon zu Beginn der Ausbildung, also zwei Jahre im Voraus, einen mit mindestens 800 Euro vergüteten Praktikumsplatz nachweisen, erzählt sie. Eine Hürde, die unüberwindbar scheint und der Ehefrau und Mutter eines zwölfjährigen Mädchens die Nerven raubt. "Denn ich will doch da heraus", sagt sie verzweifelt. Ihre Tochter habe schon gefragt, "Mutti, bist du denn jetzt immer zu Hause?".

Viele Anläufe habe sie bereits unternommen und versucht, sich nicht entmutigen zu lassen: "Nun gut, habe ich mir gesagt, dann telefonierst du halt herum und versuchst, einen Praktikumsplatz zu bekommen." Doch es scheint aussichtslos. "Die meisten hatten nur die Möglichkeit, mich mit 450 Euro zu unterstützen", erzählt Zacharias. Doch das reiche nicht aus, um die Familie zu ernähren - und auch nicht für das Okay vom Jobcenter. Gabriele Zacharias` Ehemann ist schon älter, wird in den nächsten Jahren in den Ruhestand wechseln. Dann wäre sie die Hauptverdienerin der Familie. Ein Verzicht auf eine Förderung komme deshalb nicht infrage.

Die 38-Jährige suchte nach einer anderen Möglichkeit, ihr Ziel zu erreichen. Heilerzieherin wollte sie werden. Denn mit dieser Qualifikation könnte sie auch mit Kindern arbeiten. Doch weil es für diesen Beruf keinen Bedarf gebe, habe sie auch dafür nicht den ersehnten Bildungsgutschein erhalten.

"Dabei geht man von einem Betrag von mindestens 800 Euro aus." - Sabine Jenrich, Jobcenter

Weitere Stationen folgten, und dann sah es so aus, dass Gabriele Zacharias eine Ausbildung zur "Fachkraft für die zusätzliche Betreuung innerhalb der Präsenzstrukturen für hilfebedürftige Menschen" beginnen könnte. Am 1. August sollte es losgehen, den Bildungsgutschein habe sie schon in Händen gehalten. Doch dann die bittere Nachricht: Die Maßnahme wurde aufgrund fehlender Anmeldungen abgesagt. Die gelernte Bürokauffrau stand wieder am Anfang.

Aber was sagt das Jobcenter zu den Förderrichtlinien? Bereichsleiterin Sabine Jenrich bestätigt: "Die Möglichkeit einer Förderung bestünde dann, wenn die Ausbildung zur Erzieherin verkürzbar wäre." Das sei in Sachsen-Anhalt aber nicht der Fall. Jedoch eröffne die geltende Förderrichtlinie des Landes die Möglichkeit einer Fremdfinanzierung des letzten Ausbildungsjahres. Bildungsgutscheine würde Gabriele Zacharias also dann erhalten, wenn ein Arbeitgeber oder Praktikumsgeber erklärt, die Kosten des Anerkennungsjahres zu tragen und diese Zusage durch Antragstellung auf Fördergeld beim Land garantiert werde.

Für die Zeit der schulischen Ausbildung würden also Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches gewährt, wobei im dritten Jahr durch den Praktikumsgeber eine angemessene Vergütung gestellt werden müsse. "Angemessen bedeutet in diesem Fall, dass die Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich Kosten der Unterkunft sowie gegebenenfalls anfallende Fahrkosten abgedeckt sein müssen", erklärt Sabine Jenrich: "Dabei geht man von einem Betrag von mindestens 800 Euro aus."

"Für die Fachkräftegewinnung ist dies eine Hürde, die erst einmal genommen werden muss." - Jana Echternach, Arbeitsagentur

Solange jedoch eine solche Zusage eines Arbeitgebers samt Finanzierungssicherung aus Landesmitteln über die Förderung für das dritte Jahr nicht besteht, ist eine Förderung der Ausbildungskosten durch das Jobcenter von Anfang an ausgeschlossen.

Jenrich bittet um Verständnis, dass dem Jobcenter und seinen Mitarbeitern eine Beurteilung über eine geltende gesetzliche Regelung nicht obliege.

Wie viele der 4798 Langzeitarbeitslosen in Magdeburg wie Gabriele Zacharias an den gesetzlichen Hürden scheitern, werde nicht erfasst, informierte Jana Echternach als Pressesprecherin der Bundesagentur für Arbeit in Magdeburg auf Nachfrage. Dennoch räumt sie ein: "Für die Fachkräftegewinnung ist dies eine Hürde, die erst einmal genommen werden muss."

Dabei würden sich laut Echternach auch für Arbeitsvermittler Hürden ergeben: "Es ist eine Herausforderung, einen vielleicht enttäuschten Kunden oder eine enttäuschte Kundin zu motivieren, einen neuen Weg zu gehen. Die Mitarbeiter versuchen, geeignete Alternativen aufzuzeigen und finden oft gemeinsam Lösungen."

Bundesweit gibt es mit der Änderung des neuen Kinderförderungsgesetzes und dem darin begründeten Ganztagsanspruch für alle Kinder einen Bedarf nach Erziehern. In einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2012 heißt es zudem: "Entgegen bisheriger Berechnungen geht die Bertelsmann-Stiftung auch für die ostdeutschen Bundesländer künftig von einem Fachkräftebedarf aus."

Gabriele Zacharias hofft, dass sich doch noch ein Träger findet, der ihr schon jetzt eine Zusage für das Praktikum samt Vergütung gibt, damit sich ihr Traum von einer Tätigkeit als Erzieherin erfüllt und sie ihrer Tochter ganz klar mit Nein antworten kann, wenn diese wieder einmal fragt, ob ihre Mutter denn jetzt immer zu Hause sei.