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Acht Schießereien in zwei Jahren Machtkampf in der Rockerszene

Nach dem Emblem-Verbot für die Rockergruppen Hells Angels und Bandidos
sowie deren Unterstützer hat die Polizei erste Anzeigen erstattet.
Ermittler beobachten zudem eine zunehmende Zersplitterung der Szene.
Neue Gangs entstehen, machen sich Reviere streitig.

Von Matthias Fricke 17.10.2014, 03:17

Magdeburg l Mit einer Pyrobombe richteten Unbekannte in Halberstadt vor einer Bordellwohnung in der Nacht zum 28. August dieses Jahres einen hohen Sachschaden an und versetzten die Anwohner in Angst und Schrecken. Durch viel Glück wurde niemand in dem Wohnhaus verletzt. Die Ermittler glauben an einen Machtkampf zwischen den Chicanos, einer Unterstützergruppe der Bandidos, und den Hells Angels um das Rotlichtrevier im Vorharz. Doch ob sich der Fall je aufklären wird, ist fraglich. Denn im Rockermillieu gilt Schweigen gegenüber der Polizei als eisernes Gesetz.

Nur selten erfahren die Beamten deshalb überhaupt etwas von den Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Rockergruppen, die sich selbst als gesetzlos bezeichnen. Allein in den vergangenen zwei Jahren soll es laut Landeskriminalamt (LKA) zu acht Schusswaffeneinsätzen zum Teil mit Verletzten und zwölf gefährlichen Körperverletzungen unter anderem mit Schlagringen, Messern oder Baseballschlägern in Sachsen-Anhalt gekommen sein. Erst im März dieses Jahres nahm die Polizei den Präsidenten der Bandidos Haldensleben in Untersuchungshaft, nachdem er zwei Männer krankenhausreif geschlagen haben soll.

Mit Motorrädern haben nach Erkenntnissen des LKA die Rocker übrigens nur noch wenig zu tun. Nicht einmal die Hälfte von ihnen besitzt für die Maschinen überhaupt einen gültigen Führerschein. Dafür sollen zwischen 50 und 80 Prozent der Mitglieder der sogenannten Qutlaw Motorcycles Gangs (gesetzlose Motorradgruppen) bereits straffällig geworden sein. Oft ging es dabei um die Kontrolle im Drogen- und Rotlichtgeschäft sowie Schutzgelderpressung. Jürgen Schmökel, Direktor des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt, sagt dazu: "Das sind keine biederen Motorradclubs, deren Mitglieder nur ein gemeinsames Interesse an Motorrädern oder Ausfahrten haben."

Genau aus diesem Grund wolle man auch kriminelle Rocker aus dem Straßenbild verbannen. "Das öffentliche Tragen Abzeichen derer, die sich selbst als Gesetzlose bezeichnen, hat ein hohes Einschüchterungspotenzial", so Schmökel.

Deshalb werde das Kuttenverbot auch konsequent gegen die Hells Angels und Bandidos sowie deren Unterstützer durchgesetzt. Vier Anzeigen liegen bereits vor. Es drohen Geldstrafen oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Ob es dazu kommt, ist allerdings noch offen. Bundesweit wurden Klagen gegen das Verbot angekündigt. Die Verfassungsbeschwerde eines Hamburger Höllen-Engels ist aber erst in dieser Woche abgelehnt worden.

Mit dem Emblem-Verbot könnten die Gruppen weiter zersplittern und noch schwerer zu kontrollieren sein. "Das ist wahrscheinlich der Preis, den wir zahlen müssen", sagt Schmökel.

In Magdeburg haben die Hells Angels die Bandidos bereits verdrängt. Nach Recherchen der Volksstimme wollen die Höllen-Engel in der Maybachstraße ein Klubhaus eröffnen. Sie könnten Konkurrenz durch die rockerähnliche und bundesweit agierende Gruppe AKC erhalten. Der "Allgemeine Kampfsport Club" besteht fast ausschließlich aus syrischen, libanesischen und kurdischen Migranten. "Die Entwicklung betrachten wir durchaus mit Sorge", so LKA-Sprecher Andreas von Koß.