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Landtag debattiert über DDR-Revolution Kanzler der Einheit entzweit Koalition

Von Jens Schmidt 18.10.2014, 03:11

Magdeburg l "Wären wir nicht auf die Straße gegangen, wäre Kohl nicht Kanzler geblieben." Spätestens da war es vorbei mit der friedvollen Stille während der Landtagsdebatte zur friedliche Revolution 1989. Gesagt hatte den Satz gestern SPD-Fraktionschefin Katrin Budde, damals in Magdeburg Mitgründerin der SDP - der sozialdemokratischen Partei in der DDR. "Was soll denn das jetzt?", erscholl es erbost aus den Reihen des Koalitionspartners CDU. "Du betreibst ja Geschichtsfälschung", rief der Magdeburger Abgeordnete Wigbert Schwenke. Budde hatte sich laut geärgert über die jetzt publik gewordenen Gespräche Kohls mit einem Journalisten. Der Kanzler der Einheit (1982 bis 1998 Regierungschef) hatte sich abschätzig über die Rolle der Wendeaktivisten geäußert. Da es unautorisierte Zitate sind, gibt es viel Streit darum.

CDU-Fraktionschef André Schröder meinte, "diese Protokollfetzen" zu erwähnen, entspreche nicht der Würde des Tages. Schröder war 1989 Soldat der NVA und stand, wie er erzählte, an jenem denkwürdigen 9. Oktober 1989 mit Gewandhauskarten eingeschüchtert auf dem Augustusplatz in Leipzig. Der damals noch Karl-Marx-Platz hieß und auf dem Tausende damals "Wir sind das Volk!" riefen. "Viele haben damals das Richtige zur richtigen Zeit getan. Einer gehört in besonderem Maße dazu: Helmut Kohl."

Der SPD war es jedoch wichtig zu betonen, dass Sozialdemokraten und die Blockpartei CDU damals im Herbst 1989 noch an unterschiedlichen Seiten des Tisches saßen. "Natürlich war das so, aber das ist doch auch nicht schlimm", sagte Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) und riet der CDU, unverkrampfter mit dem Gewesenen umzugehen. "Bewahren wir uns die Art, uns nicht mit falschen Geschichtsbildern zu traktieren." Bullerjahn hatte in der DDR der Stasi schriftlich mitgeteilt, ihr nicht als Spitzel zu dienen. Damit war ihm der Weg zur Handelsmarine verbaut.

Linke-Parteichefin Birke Bull sagte, auch in einer Demokratie gebe es schwere Rechtsverletzungen, aber heute könne sich jeder wehren. Als Beispiel nannte sie den Thüringer Linken-Chef Bodo Ramelow, der eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz gerichtlich stoppte. Cornelia Lüddemann (Grüne) erinnerte an die verwehrten Freiheiten, die Gängelung Andersdenkender, die unfreien Wahlen und an die Umweltverschmutzung: "Der Druck war so groß, dass diese DDR krachen gehen musste."