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Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gefordert Schädlinge fressen Bäume kahl

Die Waldbesitzer in Sachsen-Anhalt schlagen Alarm. Eine ganze Reihe von
Schädlingen setzt ihren Bäumen zu. Doch der Einsatz von
Pflanzenschutzmitteln muss erst durch Bundesbehörden genehmigt werden.
Den Waldbesitzern geht das nicht schnell genug.

20.10.2014, 01:10

Magdeburg l Sachsen-Anhalts Waldbesitzer sehen eine Katastrophe auf ihre Bäume zukommen. Weil Bundesämter den großflächigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln blockieren, sterbe der Wald. Nach Angaben des Waldbesitzerverbandes Sachsen-Anhalt sollen die Hälfte der gesamten Kiefern- und Eichenbestände im Bundesland bedroht sein. Das sind etwa 75.000 Hektar.

Vor allem der Eichenprozessionsspinner, der Kiefernspinner oder die Kiefernbuschhornblattwespe setzten den Bäumen zu. Die Schädlinge vermehren sich, begünstigt durch den Klimawandel, immer schneller.

"Erste Waldflächen wurden bereits zerstört. Einige Bestände in Sachsen-Anhalt sind akut in ihrer Existenz gefährdet", sagt Ehlert Natzke, Geschäftsführer der Waldbesitzervereinigung. Um den Wald zu erhalten, müsse es kurzfristig und unbürokratisch möglich sein, den Wald aus der Luft mit Pflanzenschutzmitteln zu besprühen, fordert Natzke.

Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister Hermann Onko Aeikens (CDU) sieht das ähnlich: "Wenn das Risiko eines Totalausfalls großer Waldflächen besteht, muss der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln möglich sein." Vor allem müssten die zuständigen Bundesbehörden dann schneller entscheiden. "Ich habe großes Vertrauen in unsere Förster, dass die Bekämpfungsaktionen mit Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein durchgeführt werden", so Aeikens.

Ist ein Wald mit Schädlingen befallen, droht der Kahlschlag. Ehlert Natzke beziffert den wirtschaftlichen Schaden durch eine kahle Waldfläche von 100 Hektar bei rund 25.000 Euro. Hinzu kämen die Kosten für die Wiederaufforstung.

EU verbietet das Spritzen per Luft

Generell ist der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln per Luftaustragung seit 2012 durch die Pflanzenschutz-Rahmenrichtlinie der Europäischen Union verboten. In Ausnahmefällen kann das Besprühen von Wäldern mit Pflanzenschutzmitteln aber genehmigt werden. Das aber liegt in der Hand verschiedener Bundesbehörden und Landesämter. Das Bundesamt für Verbraucherschutz kann sein Einverständnis nur in Absprache mit dem Umweltbundesamt erteilen. Erst anschließend können die Landesämter ihre Arbeit aufnehmen.

Ein solches Genehmigungsverfahren kann bis zu zwei Monate in Anspruch nehmen, klagen die Waldbesitzer. Ein zu langer Zeitraum. Denn seien Bäume von Schädlingen befallen, bleiben höchstens 14 Tage Zeit, um zu handeln. Der Vorsitzende des Waldbesitzerverbandes Sachsen-Anhalt, Franz Prinz zu Salm-Salm, schlägt deshalb vor, das Verfahren auf die Bundesländer zu übertragen. "Diese entscheiden dann auf der Basis der Gutachten der für den Waldschutz zuständigen Forstfachbehörde", so Salm-Salm.

Das Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau kennt die Kritik der Waldbesitzer genau. "Das Absterben der Flächen in Sachsen-Anhalt ist vor allem durch einen Pilz zu erklären, für den es derzeit überhaupt kein Mittel gibt", erklärt Jörn Wogram, Leiter des Fachgebiets Pflanzenschutzmittel im Umweltbundesamt. Zuvor habe aber eine blattfressende Wespenart zu Schäden an den Bäumen geführt. Zu ihrer Bekämpfung habe es ein zugelassenes Mittel gegeben. Heute seien sogar drei Mittel zugelassen, die gegen schädliche Insekten verwendet werden könnten - auch mit dem Hubschrauber, so Wogram.

Zum Jahresende laufen diese Zulassungen allerdings aus. Für das kommende Jahr arbeiten die Bundesbehörden derzeit an Lösungen. "Mit den Anwendungsbestimmungen senken wir die hohen Risiken der Mittel für die Umwelt so weit, dass sie unbefristet zugelassen werden könnten", sagt Wogram. Das Bundesamt für Verbraucherschutz werde noch im Herbst über die weitere Zulassung entscheiden, ist aus internen Kreisen zu hören.

Umweltbund Nabu will an Richtlinien festhalten

Der Naturschutzbund Nabu hält die derzeitigen Richtlinien für ausreichend. "Aus unserer Sicht gibt es die katastrophalen Zustände, die eine noch intensivere Bekämpfung nötig machen, nicht", sagt Annette Leipelt vom Nabu Sachsen-Anhalt. Zudem werde mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in die Natur eingegriffen. "Deswegen halten wird eine genaue Überprüfung durch die Behörden für sinnvoll", so Leipelt. Der Nabu schlägt stattdessen einen Waldumbau vor. "Mischwälder schaffen ein ausgeglichenes Öko-System und sind nicht so anfällig für Schädlinge", erklärt Leipelt.

In Sachsen-Anhalt gibt es rund 500.000 Hektar Waldflächen. Über die Hälfte des Waldes ist in privater Hand. Die Eigentumsstruktur ist sehr kleinteilig. 53.000 Waldbesitzer verfügen über eine durchschnittliche Fläche von 4,5 Hektar.