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Dreimal durchgefallen Magdeburger Studentin klagt sich zum Examen

Von Hagen Eichler 28.10.2014, 02:05
Foto: Uli LŸcke--An der Hochschule Magdeburg-Stendal laufen derzeit die schriftlichen PrŸfungen. Die Vorlesungszeit ist zu Ende. Nun mŸssen die Studierenden in den Klausuren beweisen, was sie gelernt haben. Am Dienstag dieser Woche schrieben die Erstsemestler im gro§en Hšrsaal der StudiengŠnge Maschinenbau und Composite Technologien bei Prof Christian-Toralf Weber ihre Klausur im Fach Konstruktionsgrundlagen.
Foto: Uli LŸcke--An der Hochschule Magdeburg-Stendal laufen derzeit die schriftlichen PrŸfungen. Die Vorlesungszeit ist zu Ende. Nun mŸssen die Studierenden in den Klausuren beweisen, was sie gelernt haben. Am Dienstag dieser Woche schrieben die Erstsemestler im gro§en Hšrsaal der StudiengŠnge Maschinenbau und Composite Technologien bei Prof Christian-Toralf Weber ihre Klausur im Fach Konstruktionsgrundlagen. Uli LŸcke

Magdeburg l Für Juliane Germer ging es um alles: Zweimal war die BWL-Studentin durch die Prüfung gefallen. Jetzt stand sie vor dem dritten und letzten Versuch. Bei einem Scheitern wäre ihr Studium beendet: Exmatrikulation, das ganze Studium umsonst. "Ich stand völlig neben mir", erinnert sich die 29-Jährige, "es ging um meine berufliche Existenz."

Der Tag der Klausur kam. Und Germer scheiterte erneut. Ein Punkt fehlte ihr zum Bestehen. "Ich habe mich gefragt: Warum packe ich das nicht? Ich hatte zuvor nie Probleme mit einer Klausur."

Mit dem Frust wuchs die Entschlossenheit, das Ergebnis nicht hinzunehmen. Schon nach dem zweiten Versuch hatte sie bei der Otto-von-Guericke-Universität Widerspruch eingelegt. Die Uni lehnte ab. Jetzt war Germer entschlossen, auch zu klagen.

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen verwirft Test-Verfahren

Ihr Ansatzpunkt: Die Klausur war ein Multiple-Choice-Test mit sogenannten Malus-Punkten. Die Studenten mussten ihr Kreuz hinter vorgegebene Antworten setzen - für falsche Kreuze gab es Punktabzug. Es ist ein verbreitetes Verfahren, das verhindern soll, dass die Prüflinge mehrere Kreuze setzen und so die richtige Antwort erraten.

Allerdings: In Nordrhein-Westfalen hatte das Oberverwaltungsgericht dieses Verfahren 2008 verworfen. Das Argument der Richter dort: Vorhandenes Wissen, also eine richtige Antwort, dürfe nicht durch eine falsche Antwort zunichte gemacht werden.

Mit Hilfe einer Kölner Anwaltskanzlei, die sich auf Hochschulrecht spezialisiert hat, reichte Germer Klage ein. "Man hat da schon gemerkt, dass die Uni Muffensausen bekommen hat", erzählt Germer. Drei Tage vor dem Gerichtstermin gab die Uni klein bei. Sie räumte der Studentin zwei weitere Versuche ein, der Professor stellte auf ein anderes Bewertungsverfahren um. Und tatsächlich: Dieses Mal bestand Germer. Mittlerweile hat sie den Master-Abschluss in der Tasche.

Studenten müssen länger auf Prüfungsergebnisse warten

Ihr Professor hält das Einlenken der Universität noch immer für einen Fehler. Er hätte es auf den Prozess ankommen lassen, sagt Stephan Raith. "Es kann doch gar keine Prüfung ohne Malus-Regelung geben, weil man sonst durch bloßes Raten zum Erfolg kommt. Wer in einer mündlichen Prüfung Blödsinn redet, fällt ja auch durch, selbst wenn er auch Richtiges sagt."

Warum lassen Unis überhaupt ihre Studenten Antworten ankreuzen wie bei der Führerschein-Prüfung? Für Raith geht es vor allem darum, nach einheitlichem Maßstab zu bewerten. "Beim herkömmlichen Verfahren mit individuellen Antworten ist man nach der hundertsten Klausur abgestumpft und genervt", sagt der Professor, "man beurteilt die Prüflinge nicht mehr gleich".

Dennoch ist er jetzt zur traditionellen Klausur übergegangen. Die Folge: Pro Prüfling dauert die Korrektur statt 2 jetzt 20 Minuten. "Die Studenten müssen jetzt eben länger auf ihre Ergebnisse warten."

Studentenrat wollte Musterprozess

Die Hochschulen scheuen juristische Auseinandersetzungen. Sie fürchten den Gesichtsverlust und den bürokratischen Aufwand. Allein die Fakultät Wirtschaftswissenschaften wickelt jährlich 25.000 Prüfungen ab. "Wenn wir dann für einen einzigen Fall Prüfungsakten kopieren und Stellungnahmen abgeben müssen, sind wir beschäftigt", sagt Horst Gischer, Vorsitzender des Prüfungsausschusses.

Für die Klägerin war der Rechtsstreit teuer. 2400 Euro hat sie selbst bezahlt, weitere 2600 Euro der Studentenrat, der die Gelegenheit für einen Musterprozess nutzen wollte. Sie bereut die Ausgaben dennoch nicht. "Ich finde nur schade, dass die Uni noch eingelenkt hat", sagt sie. Lieber hätte sie ein Urteil gesehen, auf das sich Studenten in ähnlichen Fällen berufen könnten.

Ihr einstiger Professor ist überzeugt, dass Germer mit ihrer Klage nachfolgenden Kommilitonen keinen Gefallen getan hat. "Wer dreimal durch so eine Klausur fällt, sollte überlegen, ob er an der Uni richtig ist."