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Sachsen-AnhaltLandesverfassungsgericht kippt Teile des Polizeigesetzes

11.11.2014, 16:14

Dessau-Roßlau (dpa/cm) | Das Polizeigesetz von Sachsen-Anhalt ist in Teilen verfassungswidrig. Dies entschied das Landesverfassungsgericht am Dienstag in Dessau-Roßlau. In fünf von sechs durch die Opposition kritisierten Bereichen stufte das Gericht Teile als nichtig ein oder gab dem Gesetzgeber auf, das Regelwerk bis Ende 2015 zu ändern.

So dürfen Sachsen-Anhalts Polizeibeamte zur Gefahrenabwehr keine Staatstrojaner einsetzen – Untersuchungen von Bürgern auf ansteckende Krankheiten sind aber unter engen Voraussetzungen auch gegen deren Willen erlaubt. Dies sind zwei der Kernbotschaften des Landesverfassungsgerichts, das am Dienstag in Dessau-Roßlau auf Antrag der Opposition aus Linker und Grünen über das 2013 von der schwarz-roten Koalition verabschiedete Gesetz urteilte.

STAATSTROJANER: Klar gekippt wurde vom Gericht der Einsatz von Staatstrojanern zur Gefahrenabwehr. Dabei handelt es sich um spezielle Programme, die auf Computern von Bürgern installiert werden und die es dann ermöglichen, auch verschlüsselte Telefonate etwa über den Dienstleister Skype mitzuschneiden. Der Haken an der Sache: Derartige Programme habe die Polizei noch gar nicht, erklärte der Präsident des Gerichts, Winfried Schubert. Daher könne der Gesetzgeber auch nicht schon mal eine Erlaubnis ins Gesetz schreiben, ohne solche Software geprüft zu haben.

ZWANGSUNTERSUCHUNGEN: Nicht grundsätzlich gekippt wurde dagegen die Befugnis der Polizei, unter bestimmten Bedingungen Bürger auch gegen deren Willen auf ansteckende Krankheiten zu untersuchen. Angedacht ist dies für Fälle, in denen sich etwa ein Helfer bei einem Einsatz angesteckt haben könnte. Bei schweren Straftaten ist es ohnehin schon auf Grundlage des Bundesrechts möglich, etwa einen Vergewaltiger auf HIV zu untersuchen. Die Verfassungsrichter stellten hier aber klar, dass in diesen Fällen immer ein Richter dies anordnen muss. Der Gesetzgeber müsse hier bis Ende 2015 nachbessern.

HANDYNETZ-ABSCHALTUNG: Bestätigt wurde vom Gericht die Erlaubnis zur Unterbrechung von Handy-Netzen durch die Polizei. Mit der Regelung soll die Polizei Funknetze ausschalten dürfen, wenn zum Beispiel die Gefahr besteht, dass per Handy eine Bombe gezündet wird. Die Opposition hatte befürchtet, dass dann auch bei Demonstrationen Handynetze von der Polizei ausgeschaltet werden könnten.

ALKOHOLVERBOT: Komplett gekippt wurde vom Verfassungsgericht eine Regelung, wonach die Kommunen den Verkauf von alkoholischen Getränken und sogar das Mitführen von normalen Glasflaschen verbieten durften. Dies sollte der Kriminalitätsbekämpfung an Brennpunkten in größeren Städten dienen – allerdings wurden laut Gesetz die Zusammenhänge nicht ausreichend geklärt. "Hierfür fehlt es bislang an tragfähigen und nachvollziehbaren Sachgründen", erklärte das Gericht. Daher seien die entsprechenden Regelungen verfassungswidrig und nichtig.

Landesregierung und Opposition sahen sich nach dem Urteil beide bestätigt. Innen-Staatssekretär Ulf Gundlach (CDU) sagte, in der tagtäglichen Arbeit der Polizei werde sich nicht viel ändern. CDU-Fraktionschef André Schröder meinte bei Twitter: "Wesentliche Punkte des Polizei-Gesetzes bestätigt. Gesetz kann weiter angewandt werden. Hausaufgaben nach Urteil werden wir lösen."

Linkspartei und Grüne werteten das Urteil dagegen als ihren Erfolg. "Fast alle Regelungen sind moniert worden", sagte Oppositionsführer Wulf Gallert nach der Urteilsverkündung. Er sehe in dem Urteil mehr als nur die Überprüfung eines Polizeigesetzes. "Das Gericht hat bewiesen, dass man 25 Jahre nach dem Mauerfall Bürgerrechte einklagen kann." Grünen-Fraktionschefin Claudia Dalbert sprach von einem guten Tag für die Bürger des Landes und ergänzte: "Dieser Tag ist eine Klatsche für den Innenminister."