1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Wie der Bagger beinahe einbrach

Bauwerke des Jahrs Wie der Bagger beinahe einbrach

15.11.2014, 09:05

Magdeburg l Der Architekten- und Ingenieurverein zu Magdeburg von 1876 (AIV) hat für drei im Jahr 2013 abgeschlossene Projekte den Titel "Bauwerk des Jahres" verliehen (die Volksstimme berichtete). Ehre in Form von Plakette für die Bauherren und in Form von Urkunden für die Planer gab es aus den Händen von Sachsen-Anhalts Bauminister Thomas Webel und Magdeburgs Baubeigeordnetem Dieter Scheidemann für die Sanierung des Salbker Wasserturms sowie den Neubau des Gebäudes für Hörsaal 6 auf dem Campus der Otto-von-Guericke-Universität an der Zschokkestraße und den der Niedrigwasserschleuse am Rothenseer Verbindungskanal zwischen Elbe und Mittellandkanal.

Dass man trotz bester Planungen beim Bau vor Überraschungen nicht gefeit ist - davon wussten die Geehrten mehrfach zu berichten.

Ingetraud Kossel, die mit ihrem Architekturbüro die Planung für die Sanierung des Salbker Wasserturms übernommen hatte, berichtet: "Der Turm war ja in einem bedauernswerten Zustand." Seit Jahrzehnten war das Dach offen, die Metallträger waren an einigen Stellen schon komplett weggerostet. "Die einzelnen Steine mussten genau markiert und abgetragen werden, damit die Baufirmen sie im Nachhinein wieder an die richtige Stelle bringen konnten." Keineswegs eine simple Aufgabe, da bei den Maurerarbeiten ebenso wie bei dem späteren Aufbau des Daches die mehr als 100 Jahre alten Wölbungen nachempfunden werden mussten. "Zunächst hatten wir ja den Auftrag, das Gebäude nur zu sichern. Dass in den vergangenen Jahren etwas so Großartiges entstanden ist, war zu Beginn vielleicht noch nicht einmal abzusehen."

Beinahe mit dem Baugerät am Turm eingebrochen

Gemeinsam mit dem Turm, der dank einer Spindeltreppe für Besucher zugänglich ist und als Aussicht über den Südosten der Stadt genutzt werden kann, hat der H2O-Kunstverein das Gelände belebt und nutzt das alte Pumpenhaus für Ausstellungen, Veranstaltungen und als Atelierfläche. Der Kompromiss in Sachen Nutzbarkeit: Zwar ist durch den Wegriss eines Anbaus aus den 1950er Jahren ein wenig Nutzfläche verloren gegangen - durch eine Zwischendecke im historischen Pumpenhaus konnte dieser kritische Punkt aber ausgeräumt werden, so die Architektin. Und sie sagt: "Es war schon ein Glück, dass wir die Originalunterlagen aus der Bauzeit noch gefunden haben." Trotz der guten Ausstattung mit Kartenmaterial wäre ein Baufahrzeug während der Arbeiten fast in ein altes Gewölbe eingebrochen. "Wir waren davon ausgegangen, dass das acht Meter hohe Gebäudeteil unter dem Pumpenwerk seinerzeit ordnungsgemäß verfüllt wurde. Das war aber nicht der Fall", berichtet Ingetraud Kossel vom unerwarteten Fund im Untergrund, in dem sich sogar noch einige der alten Maschinen befanden.

Zum Glück habe das Kommunale Gebäudemanagement der Stadt im Sinne des Denkmalschutzes gehandelt und eine Neuplanung zugelassen, so dass das Gewölbe erhalten werden konnte.

Kammer lief innerhalb eines Jahres fünf Mal voll

Mit Überraschungen mussten auch die Bauarbeiter, Handwerker und Planer auf der größten Baustelle des Wasserstraßenneubauamts seit Bau der Schleuse Rothensee klarkommen: Nachdem Teile der Schleuse bereits fertiggestellt waren, war über Monate von dem im Hafen gefürchteten Niedrigwasser keine Spur.

Fünf Mal ist die noch unfertige Schleusenkammer innerhalb eines Jahres vollgelaufen. Das machte die ohnehin schwierigen Arbeiten - unter anderem musste ein 40 Tonnen schweres Tor eingehoben werden bei einem Spiel von gerade einmal sieben Millimetern - nicht einfacher.

Parabel für die beste Akustik im neuen Hörsaal

Nicht einfach gemacht haben es sich auch die Architekten des Planungsbüros Rohling, das in Magdeburg über eine Niederlassung verfügt. Deren Leiter ist Jörg Rasehorn und er sagt: "Es handelt sich bei der Form weder um ein Oval noch um ein Ei. Es ist eine Parabel." Nicht allein ästhetische Gründe, sondern auch funktionelle Überlegungen haben die Architekten zu diesem Entwurf beflügelt: Die Form des Raums verbessert die Akustik dergestalt, dass der Professor vor dem Auditorium auch ohne Mikrofon auskommt. Nicht zuletzt antike Stätten nutzten bereits geeignete Raumformen für eine gute Akustik. "Ich würde mir ja fast einmal wünschen, dass einer der Vorlesenden das einmal ausprobiert", meint der Diplom-Ingenieur. Neben der perfekten Form für die Akustik haben die Planer auf Materialien gesetzt, die den Schall ideal vom Podium in die Sitzreihen weiterleiten.

Der Kritik, dass der Hörsaalraum im Gegensatz zum durchaus kantigen und dank einer Glasfassade lichtdurchfluteten Foyer über keine Fenster verfügt, entgegnet Jörg Rasehorn: "Bei der Nutzung des Beamers kann das Tageslicht stören." Mal abgesehen davon: In einem fensterlosen Raum werden die Studierenden weniger schnell vom Vorlesungsinhalt abgelenkt.

Universitäts-Rektor Jens Strackeljan sieht für den Hörsaal ebenso wie für den frisch sanierten Komplex der Fakultät für Humanwissenschaften, dass diesee Bereiche in Magdeburg eine Zukunft haben: "Die guten äußeren Bedingungen haben wir - jetzt ist es an uns, für die Inhalte zu sorgen." Der gesamte Bereich habe sich zu einem Aushängeschild entwickelt, das zum Beispiel im Zuge von Campustagen einen guten Eindruck bei potenziellen Erstsemestern hinterlasse.