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Deutschlands größte Plantage geplant Loburg: Künftige Hauptstadt des Walnussanbaus

Bei Walnüssen kann man entweder an den Nikolaus denken oder an
Kalifornien. Künftig sollte man aber auch an Loburg denken. Denn das
kleine Städtchen im Jerichower Land macht sich derzeit auf, Deutschlands
größtes Walnussanbaugebiet zu werden.

Von Stephen Zechendorf 06.12.2014, 02:12

Loburg l Der demografische Wandel greift auch in Loburg um sich. Die jüngere Vergangenheit bescherte einen Dämpfer nach dem anderen: Erst die Aufgabe der Selbständigkeit, dann die Abbestellung der Bahnlinie, derzeit droht das Aus für die Sekundarschule.

Dieser Tage aber macht sich Hoffnung breit in Loburg. Der Prinz, der den Ort wieder wachküssen könnte, ist da. Er heißt Robert Dahl. Okay, er ist kein richtiger Prinz. Dafür aber ein Nachfahre der Adelsfamilie von Barby, die einst in Loburg wirkte. Von diesen Zeiten zeugt heute noch das Barby-Haus. Der Familiensitz bröckelte zuletzt vor sich hin. Dahl kaufte den Bau und investierte in die Sanierung. "Es ist ein Hobby geworden", sagt er und sucht dennoch eine sinnvolle Nutzung für das Gut: Er will rund um Loburg die größte Walnussplantage Deutschlands errichten. Von 50 bis 70 Hektar ist die Rede. Dahl hat seit Jahren mit seinen "Karls Erdbeerhöfen" und Erlebnisdörfern in Nord- und Ostdeutschland großen Erfolg. Und was mit Erdbeerfeldern in Mecklenburg-Vorpommern klappt, sollte doch mit Walnüssen auch in Sachsen-Anhalt machbar sein, glaubt der Mittvierziger und gründete die "Rittergut von Barby GbR". Sein Argument für die Walnuss: "Bei Erdbeeren muss man jeden Tag vorbeischauen und mit ihnen sprechen, damit sie wachsen. Walnüsse sind da pflegeleichter". Pflegeleichter vielleicht schon. Aber erst einmal machen auch sie viel Arbeit.

Ortswechsel. Vor den Toren von Loburg stehen Fabian Lipfert (29) und Vivian Böllersen (27) auf einem Acker und stecken kleine Bäumchen in zuvor ausgehobene Löcher. Im Abstand von fünf mal zehn Metern pflanzen der Ritterguts-Verwalter und seine Assistentin die neuen Stecklinge. An diesen Minigewächsen hängt die Zukunft der Rittergut von Barby GbR. Denn an diesen Minibäumen sollen einmal tausende Walnüsse hängen. Gerechnet wird mit ein bis fünf Tonnen getrockneter Nüsse pro Jahr und Hektar. Doch das wird noch ein paar Jahre dauern, wissen Lipfert und Böllersen. Die erste Ernte ist erfahrungsgemäß erst in fünf bis zehn Jahren zu erwarten. Den Vollertrag werfen die Bäume erst nach etwa 15 Jahren ab. Wer ins Walnussgeschäft einsteigt, muss viel Zeit mitbringen.

Die beiden jungen Leute sind inzwischen Profis in der Branche. Vivian Böllersen hat ihre Masterarbeit zum Thema Walnussanbau in Nordost-Deutschland unter Berücksichtigung des Klimawandels verfasst. Fabian Lipfert hat sich sein theoretisches Rüstzeug im Landwirtschaftsstudium mit Interessenschwerpunkt Agro- Forstwirtschaft erworben.

Das Jahr 2013 verbrachte Lipfert damit, für die Felder von Loburg die beste Walnuss-Sorte auszumachen. Er besuchte die klassischen Walnuss-Hochburgen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, entdeckte kleine Plantagen in Sachsen-Anhalt, Nordhessen und Brandenburg. In Westeregeln lernte er Walter Böhner und seine guten Ratschläge kennen und schätzen. Böhner hatte in den 80er Jahren eine 2,5 Hektar große Plantage, inzwischen hat er sie verkleinert.

In der Lipfertschen Verwalterwohnung stapeln sich Körbe mit Mustern diverser Walnusssorten. 1000 gibt es weltweit, 30 Sorten stapeln sich bei Fabian Lipfert in Netzen, Kisten, Beuteln. In Ungarn und Tschechien hat er schließlich Baumschulen ausgemacht, welche die richtigen Nüsse für Loburgs Weg an die Spitze des deutschen Nussanbaus bieten. Lipfert und Böllersen sind inzwischen sicher, dass die Walnuss-Sorte "Milotai 10" und "Mars" für den Anbau in und um Loburg gut geeignet sind. Auf etwa zehn Hektar sprießen die ersten 2000 Walnussbäumchen. Für ungewöhnlich hält Fabian Lipfert das Vorhaben nicht: "Man muss sich hier nur mal auf den Höfen in der Gegend umschauen. Da stand überall so ein Nussbaum. Es wurden nur über die Jahre alle umgehauen." Das Wissen um den Walnussanbau sei hierzulande einfach verloren gegangen. "Die Walnuss ist ein zukunftsweisender Baum, der immer besser auch mit dem norddeutschen Klima klarkommen wird. Es bräuchte einfach wieder mehr mutige Leute", sagt auch Vivian Böllersen. Nördlich von Berlin will die 27-Jährige im kommenden Jahr 4,5 Hektar bewirtschaften, auf genossenschaftlicher Basis. Die später mal geernteten Nüsse in Loburg werden im gutseigenen "Barby-Café" gebraucht. Seit November gibt es am Loburger Markt das Café im Verwalterhaus des Barby`schen Gutes. Hier zaubert Ruth Everinghoff mit ihrem Team leckere Nusstörtchen und andere Kreationen - bislang noch aus gekauften Nüssen. Längst haben sich rund um die Loburger Nuss-Idee Netzwerke gebildet: Walnusshonig gibt es inzwischen schon und Walnuss-Liköre auch. Kreiert wurden die Spirituosen von der Loburger Brennerei.