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Diskussion im Stadtrat Pro und kontra Flüchtlingsheime

Fast eintausend Asylbewerber leben in Magdeburg; monatlich treffen rund 90 weitere Flüchtlinge ein. Wie zahlreiche andere Kommunen ringt auch Magdeburg mit Unterbringungsproblemen. Die Stadtverwaltung reagiert mit der Einrichtung neuer Gemeinschaftsunterkünfte. Die Linke findet das falsch.

Von Katja Tessnow 09.12.2014, 02:19

Magdeburg l Bis Jahresende 2015 wollten vier junge Räte der Linksfraktion im Stadtrat alle Magdeburger Flüchtlingsheime geschlossen wissen. Bis dahin, so ihr Ursprungsantrag an den Stadtrat, solle der Oberbürgermeister die komplett dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern in Magdeburg organisieren - also die Unterbringung in Wohnungen, verteilt über das ganze Stadtgebiet. Anlass für den Antrag boten die aktuellen Debatten um die Neueinrichtung von Gemeinschaftsunterkünften. Sie hätten, so die Linke, "der Stadt Magdeburg geschadet": "Einmal mehr zeigt sich, dass es keine Willkommenskultur in dieser Stadt gibt." Die Unterbringung von Flüchtlingen in Heimen führe zu deren "Entmündigung und Unselbstständigkeit" und sei "mit der Würde des Menschen kaum vereinbar". So weit.

Geteilte Meinungen zum Maß an Willkommenskultur

SPD-Mann Burkhard Lischka (Stadtrat und Bundestagsabgeordneter in Personalunion) ist empört, obwohl auch er die verstärkte Unterbringung von Flüchlingen in Wohnungen befürwortet. "Unverschämt" finden Lischka und seine Fraktionskollegen mit Verweis auf zahlreiche ehrenamtliche Initiativen und die Arbeit der hauptamtlich in der Betreuung von Asylbewerbern tätigen Magdeburger allerdings das Attest einer fehlenden Willkommenskultur in Magdeburg. "Der Duktus Ihrer Begründung ignoriert unsere immensen Bemühungen für eine sichere und menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen in Magdeburg." Lischka verwies auf zahlreiche andere Orte im Lande, an denen Asylbewerber bereits in Baumärkten, Schulen oder Zeltlagern campieren müssten und stellte fest: "So was haben wir hier zum Glück nicht."

Der Linke René Hempel konterte: "Herr Lischka, wenn Sie sagen, mit der Willkommenskultur wäre hier alles so toll, stellen Sie die Sache auch einseitig dar. Hier ist nicht alles toll. Ich möchte im Zusammenhang nur an den menschlich wertvollen Brief einer Wohnungsgenossenschaft erinnern." Hempel nahm damit zynisch Bezug auf das Schreiben der Genossenschaft Otto von Guericke an jene Olvenstedter Mieter, in deren Nachbarschaft künftig Asylbewerber leben sollen. Die Genossenschaft, nach eigenem Bekenntnis von der Plänen der Stadt zur Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft am Standort völlig überrumpelt, bezeichnete diese als ein "Ärgernis" und zog sich damit den Zorn des Oberbürgermeisters zu.

Sören Herbst (Grüne), zugleich Stadtrat und Landtagsabgeordneter, verwies anhand von Zahlen auf das Ausmaß des Unterbringungsproblems: "Im September 2009 wurden in Sachsen-Anhalt 81 Asylbewerber aufgenommen, im September 2013 waren es 388 und im September 2014 schließlich 825." Der sich aus dem wachsenden Zustrom ergebenden Aufgabe "muss sich die Politik und muss sich jeder Magdeburger stellen, auch der Olvenstedter".

Die Grünen im Rat gehören von jeher zu den stärksten Verfechtern einer dezentralen Unterbringung abseits von Heimen. Im Angesicht der aktuellen Situation erkennt allerdings auch Herbst an: "So schnell werden wir das nicht schaffen, auch wenn das Ziel bleibt." Der Grünen-Politiker mahnte eine "Qualitätsdiskussion" zur Unterbringung von Flüchtlingen an und warnte: "Wir dürfen die Frage heute nicht mit der verfehlten Antwort aus den 1990er Jahren beantworten: Kasernen aufmachen und die Leute wegsperren."

Zugleich unterstützt Herbst die Forderung der Stadtverwaltung nach einer verbesserten finanziellen Ausstattung der Kommunen für die Unterbringung und Betreuung von Asylbewerbern. Magdeburg ist dafür millionenschwer in Vorleistung gegangen, weil das Land seiner Pflicht zum vollständigen Ausgleich der Kosten aktuell beileibe nicht nachkommt. Ein Generalproblem: Bund und Länder lassen die Kommunen mit dem Problem wachsender Flüchtlingszuwanderung allein.

Linksfraktionschef Frank Theile blieb dabei: "Wir brauchen die dezentrale Unterbringung so schnell als möglich." Die Debatten in Olvenstedt seien nur ein Indiz mehr dafür. Zugleich forderte Theile eine verbesserte Kommunikation mit Anwohnern künftiger Flüchtlingsunterkünfte und beklagte: "In Olvenstedt wurden die Leute allein gelassen und vor vollendete Tatsachen gestellt."

Beigeordnete erdet die Linke-Forderung

Zum Schluss bezog die neue Verwaltungsfachfrau fürs Thema, Simone Borris, Stellung. Sie trat ihr Amt als Sozialbeigeordnete erst zu Monatsbeginn an und urteilt: "Wir bekommen monatlich 90 Menschen zugewiesen. Da stellt sich nicht die Frage, ob wir sie zentral oder dezentral, sondern wie wir sie überhaupt menschenwürdig unterbringen." Borris appellierte an die Räte, ihren Anteil an der Willkommenskultur in Magdeburg zu leisten.

Der Linke-Antrag nach einer komplett dezentralen Flüchtlingsunterbringung wurde abgeschmettert.

Noch im Dezember treffen voraussichtlich weit über einhundert weitere Flüchtlinge in Magdeburg ein. Wo sie leben sollen, ist heute Thema einer Dienstberatung von Sozialdezernat und Ausländerbehörde.