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Islamische Gemeinde Magdeburg "Pegida macht fiese Propaganda"

Pegida-Anhänger streuen Falschmeldungen, wonach Weihnachtsmärkte auf Druck von Muslimen in "Wintermärkte" umbenannt werden sollen. Moawia Al-Hamid, Chef der islamischen Gemeinde Magdeburg, verurteilt die Hetze und räumt im Interview mit Volksstimme-Reporter Matthias Stoffregen mit Vorurteilen auf.

23.12.2014, 01:11

Volksstimme: Herr Al-Hamid, im Internet wurde verbreitet, dass der Magdeburger Weihnachtsmarkt auf Druck der Muslime in "Wintermarkt" umbenannt werden soll. Pegida-Anhänger haben solche Falschmeldungen verbreitet, sie sind auch schon in anderen Städten aufgetaucht. Wie reagiert Ihre Gemeinde auf die Gerüchte?
Al-Hamid: Mich haben junge Mitglieder angesprochen und gefragt, ob an den Meldungen etwas dran sei. Ich musste sie beruhigen und erklären, dass es sich um fiese Propaganda von der Pegida-Bewegung handelt. Wir Muslime haben überhaupt nichts gegen Weihnachtsmärkte, ganz im Gegenteil. Den Magdeburger Markt besuche ich gerne mit meinen Kindern, uns stört der christliche Hintergrund nicht.

Die Pegida-Bewegung gilt einerseits als Sammelbecken für Neonazis, andererseits schließen sich ihr auch Bürger an, die Angst vor Muslimen und Asylbewerbern haben. Können Sie die Ängste nachvollziehen?
Nein, ich verstehe die Ängste nicht. In Dresden gehen Menschen auf die Straße, weil sie Angst vor der Islamisierung haben. Dabei leben weder dort noch sonst wo im Osten viele Ausländer. Sachsen-Anhalt hat einen Ausländeranteil von etwa zwei Prozent. Ein Bruchteil davon sind Muslime. Dann von einer Islamisierung des Abendlandes zu sprechen, ist absurd.

Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum Ausländer verdächtigt werden, vom deutschen Staat abkassieren zu wollen. Ich lebe und arbeite schon seit 20 Jahren hier und bekomme das immer wieder zu hören. Dabei haben Ökonomen längst bewiesen, dass der Staat unterm Strich von Zuwanderern profitiert. Allein die Ausländer ohne deutschen Pass zahlen 22 Milliarden Euro mehr ein als sie an Leistungen bekommen.Mich stimmt es traurig, dass viele die bösen Vorurteile ernst nehmen, ohne mit Muslimen vorher gesprochen zu haben. Dabei sind wir eine offene Gemeinde, wir verstecken uns nicht.

Ein Grund, weshalb Rechte Ängste gegen Muslime so erfolgreich schüren, dürfte auch im IS-Terror liegen. Viele unterscheiden nicht zwischen Muslimen und radikalen Islamisten. Wie nehmen Sie die Bedrohung durch Anhänger des IS wahr?
Die IS-Terroristen bedrohen nicht nur den Westen, sondern auch die gesamte muslimische Welt. Ich habe zwar die deutsche Staatsbürgerschaft, bin aber in Syrien geboren. Mein Bruder und meine vier Schwestern leben noch immer in meiner alten Heimat im Osten des Landes, in der Stadt Deir ez-Zor. Dort haben IS-Terroristen mehr als 700 Menschen getötet. Meine Schwestern haben mir Videos über das Internet zugeschickt, die zeigen, wie Kinder enthauptet werden. Würde jemand aus meiner Gemeinde hier in Magdeburg Sympathien für diese Terroristen offenbaren - ich würde ihn sofort bei der Polizei melden.

Zwar kann ich die Angst von Deutschen gegenüber den Terroristen nachvollziehen, doch ich würde mir wünschen, dass wir Muslime nicht mit den Terroristen in einen Topf geworfen werden. Das schmerzt uns sehr, gerade vor dem Hintergrund, dass viele von uns jeden Tag um das Leben unserer Angehörigen fürchten müssen. So gibt es auch keinen einzigen Gelehrten in Deutschland, der den IS-Terror befürworten würde. Der Islam wird von den Anhängern der IS-Miliz missbraucht, um Massenmorde zu rechtfertigen.

Was wünschen Sie sich für den künftigen Umgang mit der Pegida-Bewegung?
Ich würde mir wünschen, dass Politik und Medien noch stärker Aufklärung leisten und dazu beitragen, Vorurteile gegen Muslime zu bekämpfen.