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Flüchtlinge in Magdeburg Eine Ankunft im Ungewissen

Während an der neuen Unterkunft an der Sandbreite Montagnachmittag unter
Ausschluss der Öffentlichkeit die ersten Flüchtlinge angekommen sind,
demonstrierten am Abend auf dem Domplatz 300 Menschen für ein
weltoffenes Magdeburg.

23.12.2014, 02:11

Magdeburg l Es ist windig und der feine Nieselregen drückt sich nach einer Stunde im Freien auch durch dicke Jacken. Seit mehr als einer Stunde warten Ivona und Milena* vor dem neuen Flüchtlingsheim an der Sandbreite auf den Bus aus Halberstadt. Ivona kann kein Deutsch. Milena ein bisschen. Beide dürften eigentlich gar nicht hier sein, sagt Milena. Sie seien auf eigene Faust von Halberstadt nach Magdeburg gekommen. Denn in dem Bus, auf den beide warten, sitze der Lebenspartner von Ivona - mit ihren Kindern.

Ivona und Milena kommen nach eigenen Angaben aus Bosnien und leben derzeit in der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber Sachsen-Anhalt in Halberstadt. Von dort werden die Flüchtlinge nach einem speziellen Schlüssel im ganzen Land verteilt. Ivona und Milena wissen noch nicht, in welches Flüchtlingsheim sie kommen. Sie wissen nur, dass sie bis zum Abend wieder in Halberstadt sein müssen. Bei ihrem Partner und den Kindern dürfe sie nicht bleiben, sagt Ivona. Ob die Erzählung stimmt, kann die Volksstimme nicht nachprüfen. Medien haben ohne Genehmigung keinen Zutritt zu dem Flüchtlingsheim.

Dann biegt plötzlich ein Reisebus mit Halberstädter Kennzeichen auf die kleine Industriestraße in Buckau. In dem Bus sitzen Familien aus Syrien, Bosnien, dem Kosovo, Albanien und aus dem Irak. Darin auch der Lebensgefährte von Ivona mit den Kindern. Die Freude ist groß, als sie sich nach der Trennung am Morgen wiedersehen.

In Magdeburg leben derzeit 1148 Asylbewerber und Flüchtlinge. Im Rathaus rechnet man damit, dass im kommenden Jahr 1500 neue Flüchtlinge in die Landeshauptstadt kommen werden. Doch Probleme gibt es bereits jetzt. "Unsere bisherigen Unterkünfte sind ausgelastet, die Landeshauptstadt kann der Aufnahmeverpflichtung derzeit nicht vollständig nachkommen", sagte Sozialbeigeordnete Simone Borris bei einem Pressetermin in der vergangenen Woche. Neben der Sandbreite eröffnet Magdeburg bis zum Jahresende auch in einem leerstehenden Haus am Lorenzweg noch ein Flüchtlingsheim. Trotzdem hat die Stadt bei der Zentralen Aufnahmestelle in Halberstadt erneut darum gebeten, nicht alle Flüchtlinge aufnehmen zu müssen. Von den 160, die Magdeburg eigentlich aufnehmen müsste, können derzeit nur 130 aufgenommen werden. "Bis Mitte Januar soll es eine Lösung geben", sagte Borris in der vergangenen Woche. Auch in den Flüchtlingsheimen gibt es Probleme. So stehen beispielsweise in der Sandbreite nur Feldliegen der Feuerwehr, da es Lieferschwierigkeiten bei Betten gibt (Volksstimme berichtete). So fehlt es manchmal in den karg eingerichteten Zimmern (Tisch, Bett, Schrank) an dem Nötigsten. "Wir geben trotzdem unser Bestes", sagte ein Mitarbeiter des Flüchtlingsheimes der Volksstimme.

Während am Montagnachmittag die Flüchtlinge unbemerkt von der Öffentlichkeit ankamen, demonstrierten auf dem Domplatz am Abend mehr als 300 Menschen unter dem Motto "Das Problem heißt Rassismus". Grund war eine angekündigte, aber am Sonntagabend abgesagte Demonstration des Magida-Netzwerkes. Unter diesem Namen verbirgt sich der Magdeburger Ableger des Dresdener Bündnisses "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes ("Pegida").

Unter dem Titel "Magida" wurde auf Facebook zu einem "Spaziergang" durch die Landeshauptstadt aufgerufen. In Dresden gibt es seit Wochen auch solche "Spaziergänge" gegen eine angebliche Islamisierung Deutschlands. Warum die Anmeldung für den Magdeburger Spaziergang kurzfristig abgesagt wurde, ist unklar. Nach Informationen der Volksstimme kam der Anmelder der Demonstration - die unter anderem an der Staatskanzlei vorbeiführen sollte - nicht aus Magdeburg, sondern aus einem anderen Landkreis.

Bei der Kundgebung auf dem Domplatz sprach neben Robert Fietzke (Linksjugend), den Landtagsabgeordneten Wulf Gallert (Linke) und Sören Herbst (Grüne) auch Moawia Al-Hamid, Vorsitzender der Islamischen Gemeinde in Magdeburg. "Ich bin Syrer", sagte er. In seiner Heimatgemeinde seien viele Hundert Menschen von der Terrororganisation "Islamischer Staat" getötet worden. Für viele Menschen gebe es keine andere Wahl, als zu fliehen. "Ich bin stolz, dass wir eure Unterstützung haben", sagte er.

*Namen geändert