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Magdeburger Sprachwissenschaftlerin Föllner "Jeder Nachname ist aus einem normalen Wort entstanden"

02.01.2015, 01:29

Magdeburg l Hans, der Fleischer oder Hans aus Merseburg. Nachnamen entstanden, um Menschen auseinanderzuhalten. Wann und wieso genau Nachnamen aufkamen, besprach Juliane Quägwer für die Volksstimme mit der Sprachwissenschaftlerin Dr. Ursula Föllner von der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg.

Volksstimme: Ein Nachname verrät oft Herkunft oder Eigenschaften der Vorfahren. War ein Vorfahre von Frau Gärtner auf jeden Fall Gärtner?
Ursula Föllner: Davon können wir ausgehen. Als die Leute Beinamen zu ihren Vornamen bekommen haben, konnte der Beruf unter anderem zum Beinamen für den Rufnamen werden.

Wann entstanden Familiennamen?
Das passierte über einen längeren Zeitraum. Die ersten Nachnamen gab es in Italien im 12. Jahrhundert. Wir gehen von einem Entstehungszeitraum zwischen dem 12. und dem 14. Jahrhundert aus.

Geschah das in unserer Region erst recht spät?
Nein. Magdeburg galt mit Bischofssitz als wichtige Stadt im Mittelalter, in der viele wohlhabende Familien lebten. Beinamen zu ihren Vornamen bekamen erst die höhergestellten Familien, von denen es in Magdeburg etliche gab. Bei den Armen setzte dieser Prozess zuletzt ein.

Warum bekamen Menschen Nachnamen?
Die Adligen und Wohlhabenden wollten zum einen ihren Besitz sichern. Wer etwas vererben wollte, musste das verschriftlichen. Bei Handwerksberufen sollte ein Nachname zum Beispiel die Zugehörigkeit klarmachen. Ein Beiname war dann auch ein Zeichen für ein gewisses gesellschaftliches Ansehen.

Konnte man den Namen selbst wählen oder wurde er zugewiesen?
Den konnte man sich nicht aussuchen. Es gab Stadtbücher, in denen ein Schreiber Besitzverhältnisse, wichtige Verhandlungen und Vorkommnisse notierte. Weil es damals auch schon Vornamensmoden gab, brauchten die vielen Hans` einen Namenszusatz.

Und dafür wurde der Beruf gewählt?
Auch. Aber schon beim Bäcker wird deutlich, dass daraus mehrere Varianten entstanden. Auch der Name Mehlhose kann auf den Beruf Bäcker zurückgeführt werden.

Ein Gärtner könnte "Blume" genannt worden sein?
Genau. Auch der Name Knochenhauer ist zum Beispiel eine Abwandlung des Wortes Fleischer. Das ist übrigens ein Name, der in Deutschland am häufigsten im nördlichen Sachsen-Anhalt und im angrenzenden Brandenburg auftaucht. Auch Knackmus, also etwas aufknacken und zu Brei machen, kommt im gesamten Bundesgebiet in der Börde und der Altmark am häufigsten vor.

Wie können die Namen von Herrn Stecker und Frau Schleife entstanden sein?
Bei Herrn Stecker könnte es auf die niederdeutsche Entsprechung Stecher zurückgehen. Also jemand, der gegen Bezahlung Zweikämpfe auf Jahrmärkten ausgefochten hat. Oder die zweite Variante: Der Stecher im Sinne von Schlachter.

Bei Schleife könnte es sich zum einen um einen Berufsnamen handeln: Nämlich jemand, der Messser oder Sensen geschliffen hat. Es gibt in Sachsen aber auch einen Ort Schleife. Daher könnte es also auch Herkunftsname sein.

Gab es früher tatsächlich so viele Müller, Maier und Schultheiße?
Eine Theorie ist, dass die Müller, Maier (Gutsverwalter) und Schultheiße (Gemeindevorsteher) in der Gesellschaft eine höhere Stellung hatten und daher die Kinder sozial gut gestellt waren. Kindersterblichkeit war dann in solchen Familien nicht so gravierend, wie bei armen Familien.

Kann jeder den Ursprung seines Namens herausfinden?
Grundsätzlich gilt, dass jeder Name aus einem normalen Wort entstanden ist. Meist gibt es diese alten Wörter nicht mehr und wir müssen ein wenig nachforschen.