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Stendaler bezichtigt zu Unrecht Lehrer Sex mit Schülerin: Alles gelogen

Für einen Stendaler Berufsschullehrer war es der Alptraum: Eine Boulevardzeitung dichtete ihm ein Verhältnis mit einer Schülerin an. Die Falschbehauptung stammte vom Vater des Mädchens.

Von Wolfgang Biermann 15.01.2015, 01:02

Stendal l "Sechs Monate Gefängnis sind gerechtfertigt, wenn man einen Lehrer solchen Vorwürfen aussetzt. Wissen Sie, was der Mann für einen Ärger deswegen hatte?" Mit diesen Worten begründete Strafrichter Thomas Schulz am Dienstag die halbjährige Haftstrafe ohne Bewährung wegen übler Nachrede für einen 47 Jahre alten Stendaler.

Der Mann mit 31 Strafregistereinträgen - unter anderem wegen Vergewaltigung - hatte vor dem Amtsgericht zugegeben, am 16. Juli vorigen Jahres, dem Tag der Zeugnisausgabe, im Sekretariat der Berufsbildenden Schule (BBS) II Stendal angerufen und einen Lehrer seiner damals 19-jährigen Tochter grundlos beschuldigt zu haben, in einem "sexuellen Abhängigkeitsverhältnis" zu seiner Tochter zu stehen. "Weil sie mit ihm ins Bett steigt, bekommt sie bessere Zensuren."

Der Anrufer stellte der Schule das Ultimatum, den Lehrer "sofort aus dem Schuldienst zu entlassen." Andernfalls werde er sich an die Presse wenden. Das tat er denn auch. Zum Tatzeitpunkt unter Bewährung stehend, rief er am 17. Juli, wie auch schon am Tag zuvor "möglicherweise durch Alkohol enthemmt", eine Boulevardzeitung an. Die druckte die unwahre Behauptung am 18. Juli tatsächlich - laut Staatsanwaltschaft "aufgebauscht" - landesweit unter der Schlagzeile "Skandal an Berufsschule in Sachsen-Anhalt".

Auch in der Volksstimme fand sich am 22. Juli ein Bericht. Der informierte aber sachlich-objektiv über die Vorwürfe und den damaligen Sachstand. Der Bericht erregte keinen Anstoß bei der Staatsanwaltschaft.

Auf die Frage nach seiner Motivation sagte der Angeklagte, er habe per Facebook durch einen ihm Unbekannten den Hinweis erhalten, dass die bei ihrer Mutter lebende Tochter mit dem Lehrer "rummache". Außerdem will er erfahren haben, dass der Lehrer einen Schlüssel zur Wohnung der Tochter hat. Und: Sie habe dem Lehrer in seinem Beisein ständig E-Mails mit dem Handy geschrieben.

"Stimmt alles nicht", sagte die Tochter als Zeugin aus. "Ich hatte nie was mit dem Lehrer." Das habe sie dem Boulevard-Reporter auch so gesagt. Beim Schlüssel handelte es sich lediglich um ihren Briefkastenschlüssel, den der Lehrer in der Schule gefunden und ihr zurückgegeben habe. E-Mails habe sie ihm an einem Tag nur geschrieben, weil sie Probleme mit ihrem Ausbildungsbetrieb hatte und der Lehrer ihr dabei geholfen habe. Sie habe damals zu ihren Mitschülern keinen guten Draht gehabt und sich deshalb an den Lehrer gewandt.

"Warum haben Sie nicht einfach Ihre Tochter gefragt, ob da was dran ist", wollte Richter Schulz vom Angeklagten wissen. "Hätte ich machen sollen, habe ich aber nicht gemacht. Ich habe mir da nur was zusammengereimt", sagt er gesenkten Hauptes. Die Rede war dann noch von einem Foto, das die Liebschaft zwischen Schülerin und Lehrer dokumentieren sollte und das auch eine Rolle in dem Zeitungsbericht spielte. Angeblich habe er das auf dem Rechner der Tochter entdeckt.

Vor Gericht räumte der Angeklagte indes ein, gewusst zu haben, dass das "Nacktfoto in eindeutiger Pose" nicht den Lehrer zeige. Eine diesem ebenfalls zugedichtete SMS "Ich möchte wieder Sex mit Dir" hat es auch nie gegeben.

Berufsschuldirektor Jörg Hagge, der den Anruf des Angeklagten damals entgegengenommen hatte, erläuterte, wie dem Lehrer "die Farbe aus dem Gesicht gewichen" sei, als er diesen kurz nach der Zeugnisausgabe am 16. Juli mit der Anschuldigung bekannt gemacht hatte.

Der Lehrer habe das Verhältnis vehement bestritten, genau wie die dazugerufene Schülerin. Hagge gab an, er habe den Eindruck gehabt, dass der angeblich so besorgte Vater bei seinem Anruf erheblich gelallt habe. Diesen Eindruck teilte er mit der Schulsekretärin.

Sein Alkoholproblem habe er "jetzt im Griff", erklärte der Angeklagte. Er trinke "täglich nur noch sechs, sieben Flaschen Bier".

Trotz des Geständnisses sei keine Bewährung möglich, sagte Richter Schulz bei der Urteilsverkündung. "Dafür wiegen die Vorstrafen zu schwer. Die ziehen sich wie ein roter Faden seit 1985 durch das Leben des Angeklagten." Fast alle Bewährungsstrafen seien bislang widerrufen worden.

Schon in der kommenden Woche muss sich der Mann wegen Diebstahls in Gardelegen vor Gericht verantworten.