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Neuer Skandal bei Stendaler Briefwahl Fälschung schon am Wahltag klar

Stendals Briefwahl-Skan-dal bekommt eine neue Dimension. Dass es eine Fälschung bei der Briefwahl gab, wurde im Rathaus bereits am Wahltag 25. Mai angezeigt. Bislang hatte Stadtwahlleiter Axel Kleefeldt stets betont, der erste Fall sei erst Anfang Juli bekannt geworden.

15.01.2015, 01:06

Stendal l Winfried S. (Name geändert) wollte am Wahltag seine Stimmen in einem Wahllokal in der Innenstadt abgeben. S. legte dort gegen 10 Uhr seine Wahlbenachrichtigungskarten vor. Sehr zum Erstaunen der Wahlhelfer, denn bei denen war registriert, dass der junge Mann bereits Briefwahlunterlagen erhalten hatte.

Das verneinte S. aber. Nach kurzer Rücksprache des Wahlvorstehers mit der Briefwahlleitung im Stadthaus wurde S. gebeten, sich im Briefwahllokal am Markt vorzustellen.

Dort zeigte man ihm auch seine angebliche Vollmacht, mit der seine Briefwahl-Unterlagen abgeholt worden sind. "Darunter sah ich eine Unterschrift, die meiner ähnlich sah, aber niemals von mir gezeichnet worden war. Das habe ich dort auch deutlich zu verstehen gegeben." Unbekannt war ihm dagegen der als Bevollmächtigte eingetragene Herr M.

Stadtwahlleiter Kleefeldt: "Diese Information ist am Wahltag nicht zu mir gelangt." Wäre sie es, hätte er aber umgehend reagiert, erklärte er am Mittwoch. Wieso es nicht dazu kam, habe er gestern jedoch nicht klären können.

Nach Berichten über die Rathaus-Panne bei den Vollmachten (siehe Kasten) Ende Juni meldete sich Winfried S. per Mail beim Stadtwahlleiter. Am 3.Juli gab er bei der Stadt eine eidesstattliche Erklärung ab. Stadtwahlleiter Axel Kleefeldt stellte daraufhin Strafanzeige.

Doch der Fall hat noch eine besonders pikante Note: Eine große Überraschung erlebte S. am 3. Juli wenige Stunden nach seiner Rückkehr aus dem Rathaus. "Am Abend standen zwei Frauen an der Haustür und baten um ein Gespräch." Ihr Anliegen: Er möge doch schriftlich erklären, dass er Herrn M. tatsächlich die Vollmacht zur Briefwahl gegeben hätte, baten sie und verwiesen mit ihren Worten auf "die Anzeige, die am heutigen Tag gegen M. erhoben worden sein soll".

Weshalb beide Frauen ihn so kurz nach seiner Aussage bei der Stadt aufsuchten, ist ihm bis heute ein Rätsel. Auch Kleefeldt ist irritiert: "Mir ist das schleierhaft." Dass von den beiden Bediensteten, die mit S. gesprochen hatten, Informationen gestreut worden seien, "kann ich mir nicht vorstellen".

Das Rathaus hatte das hohe Briefwahlergebnis des CDU-Stadtrates Holger Gebhardt (689 seiner 837 Stimmen) lange heruntergespielt. Oberbürgermeister Klaus Schmotz (CDU) wies im Oktober eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Kleefeldt zurück, da "ein nicht der Norm entsprechendes Stimmergebnis ohne das Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte keinen Anfangsverdacht für Manipulationen begründet".

Neben Winfried S. hatten neun weitere Stendaler am 25. Mai erst nach Klärung mit der Briefwahlleitung wählen dürfen. Ihre Fälle hatte der Stadtwahlleiter bei seiner ersten Prüfung nicht den Vollmachten zugeordnet, obwohl dies auf alle neun ebenfalls zutraf. Man sei erst "im Zuge der Bearbeitung der Strafanzeige auf weitere Vollmachten gestoßen", so Kleefeldt. Und diese zehn waren alle gefälscht.

Damit waren es nicht die zunächst angegebenen 179, sondern 189 Fälle, in denen zwölf Bevollmächtigte im Rathaus mehr als die erlaubten vier Wahlunterlagen erhielten. "Aufgrund des zu erwartenden negativen Presseechos haben wir die Zahl in der Folgezeit nicht kommuniziert", räumte er erst im November ein.

Bei M., seiner Ehefrau und einer Beschäftigten ihres Betriebes hatte die Polizei im November und Dezember Wohn- und Geschäftsräume durchsucht. Sie gehören zu den rund zehn Verdächtigen, gegen die die Staatsanwaltschaft wegen Wahl- und Urkundenfälschung ermittelt.