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Sachsen-Anhalts Finanzminister Bullerjahn "Kein Kompromiss um jeden Preis"

Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) erklärt, warum große Gehaltssprünge nicht drin sind und wieso die Linke hier eine veraltete Finanzpolitik betreibt. Ihn fragten die Volksstimme-Reporter Jens Schmidt und Michael Bock.

17.01.2015, 00:59

Volksstimme: Herr Bullerjahn, die Gewerkschaften fordern 5,5 Prozent mehr Geld für die Landesdiener. Ihr Kommentar?
Jens Bullerjahn: Diese Forderung passt nun wirklich nicht in die Zeit. Angesichts der sehr geringen Inflation, niedrigster Zinsen oder auch sinkender Spritpreise ist für uns klar: So einen Abschluss wird es nicht mal im Ansatz geben. Es gibt eine alte Faustformel in der Wirtschaft, die besagt: Inflation plus Zuwachs an Produktivität. Nun ist das nicht direkt mit dem Öffentlichen Dienst vergleichbar, aber da kommen trotzdem nie 5,5 Prozent raus ...

Die Gewerkschaften sagen, der Öffentliche Dienst muss attraktiver werden.
Der Öffentliche Dienst ist attraktiv - wegen der Sicherheit, die er bietet und die viele private Unternehmen nicht anbieten können. Vor allem im Osten nicht. Wir haben im Öffentlichen Dienst immer mehr Bewerber als Stellen.

Nun freuen sich die Länder derzeit über Rekord-Steuereinnahmen. Da wollen die Staatsdiener auch etwas davon haben.
Die meisten Länder brauchen diese Einnahmen, um die Schuldenbremse einzuhalten und um notwendige Investitionen zu realisieren. Brücken, Straßen, Schulen - es gibt viel zu sanieren.

Also ist die Schuldenbremse schuld an Ihrer Zurückhaltung?
Es geht nicht in erster Linie um die Schuldenbremse. Es geht vor allem um die aktuell relativ gering steigenden Lebenshaltungskosten. Wenn diese durch die Decke schießen würden, wäre die Gewerkschaftsforderung noch nachvollziehbar, aber dem ist ja nicht so.

Was würden 5,5 Prozent Gehaltsplus für Sachsen-Anhalts Landeskasse bedeuten?
Für die Tarifbeschäftigten wären das gut 100 Millionen Euro mehr - pro Jahr. Käme erwartungsgemäß dieselbe Erhöhung bei den Beamten hinzu, wären es noch einmal 70 Millionen Euro mehr. 170 Millionen Euro jährlich - somit würden die gesamten Steuermehr-Einnahmen Sachsen-Anhalts in die Personalkostensteigerung gehen.

Wann sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein?
Das kann ich noch nicht sagen. Es wird jedenfalls keinen Kompromiss um jeden Preis geben, auch wenn das Zeit kostet. Die Verhandlungen werden sicher schwierig, ich erwarte auch Demos, die meinen bundesweiten Bekanntheitsgrad wieder auffrischen (lächelt).

Die Gewerkschaften beklagen auch die hohe Zahl an befristeten Stellen. An der Uni Magdeburg etwa haben fast die Hälfte der wissenschaftlichen Mitarbeiter nur zeitlich limitierte Verträge. Ist das noch zeitgemäß?
Generell gilt: Die Zahl der befristeten Stellen wird zurückgehen, da immer mehr Fachkräfte händeringend gesucht werden. Was die Hochschulen angeht: Sobald zukunftsfeste Strukturen gefunden sind, kann der Anteil befristeter Stellen fallen. So lange Unis defizitär arbeiten, dürfte das schwierig sein. Doch das können wir nicht am grünen Tisch beschließen, das ist Sache der Hochschulen. Umgekehrt fände ich es eigenartig, wenn ein moderner Wissenschaftsbetrieb auch künftig nur mit Beamten und Fest-Angestellten arbeiten will.

Zur Landespolitik. Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit der CDU - 14 Monate vor der Wahl?
Ich finde, wir arbeiten gut zusammen - bei allem gelegentlichen Ärger.

Schwierige Themen haben wir bewältigt und wesentliche Projekte wie Gemeinschaftsschulen, Haushalts-Konsolidierung und Kommunalfinanzierung erledigt. Auch im Wahlkampfjahr sollten und werden wir weiter vernünftig miteinander umgehen, denn ein Jahr Stillstand dürfen wir uns nicht leisten.

Ihre Parteivorsitzende Katrin Budde zeigt sich offen für ein Regierungsbündnis mit der Linken nach der Wahl.
Ich verstehe sie. Sie muss alle Positionen offen halten - so, wie sich die CDU auch eine Kooperation mit den Grünen offen hält.

Was spricht denn gegen eine Fortsetzung der Koalition mit der CDU?
Da ich kein Spitzenkandidat mehr bin, werde ich mir diese Diskussion nicht an Land ziehen. Was die Große Koalition abgeliefert hat, kann sich sehen lassen. Aber niemand kann von uns verlangen, dass wir mit einem Treueschwur auf diese Koalition in den Wahlkampf ziehen - dann könnte sich die SPD den Wahlkampf gleich sparen.

Die Linke sagt: Schuldenmachen ist kein tabu. Das geht klar gegen Ihre Linie. Müsste daher ein Regierungsbündnis mit der Linken für Sie nicht tabu sein?
Die Linke kann ja auch anders. In Mecklenburg-Vorpommern hat sie 2006 zusammen mit der SPD dafür gesorgt, dass der Verschuldungskurs gestoppt wird. Das Land hat sogar Rücklagen erwirtschaftet, so dass es ohne neue Schulden durch die Finanzkrise kam.

In Brandenburg gibt es einen Finanzminister der Linken - er kommt ohne neue Schulden aus. In Thüringen setzt Ministerpräsident Ramelow - entgegen seiner Ankündigungen im Wahlkampf - die Konsolidierung fort. Nur hier in Sachsen-Anhalt agiert die Linke anders. Ihr Fraktionschef Wulf Gallert, der wieder Spitzenkandidat werden will, meint: Schuldenbremse und Rücklagen sind nicht nötig und die Tilgung von Altschulden ist es schon gar nicht. Damit steht er völlig allein. Nach den Erfahrungen aus der Finanzkrise gehört seine Finanzpolitik nicht mehr in die Zeit. Sollte die Linke hier nach der Wahl diese Positionen aufrecht halten, gehört sie prinzipiell nicht in eine Landesregierung.

Ändert die Linke ihre Haltung nach einer erfolgreichen Wahl und bei Aussicht auf Regierungsmacht?
In anderen Ländern hat sie die Konsolidierung fortgesetzt - für Sachsen-Anhalts Linke kann ich das nicht einschätzen. Es wird aber für sie schwer werden, aus einer brettharten Opposition heraus in einen geschmeidigen Regierungsmodus zu wechseln.

Soll Katrin Budde Spitzenkandidatin werden?
Ja, sie hat große politische Erfahrungen und kann in der SPD vornweg gehen. Ich werde sie im Wahlkampf unterstützen.

Sie beide waren sich ja nicht immer grün. Bei der Hochschulfinanzierung hat es ein paar mal gerappelt ...
... das ist aber gut zwei Jahre her. Mittlerweile gehen wir wieder offen und unverkrampft miteinander um.

Sie wollen nicht wieder als Landtagsabgeordneter antreten. Warum nicht?
Ich habe lange überlegt. Ich arbeite ja gern, aber als Finanzminister habe ich einen randvollen Terminkalender, sitze in etlichen Gremien - gelitten hat der Wahlkreis.

Sie wollen sich den mühevollen Wahlkampf vor Ort ersparen, aber gern Minister bleiben. Das könnte Ihnen die Partei übelnehmen.
Ich mache ja Wahlkampf - in meiner Region, aber auch für die gesamte SPD.

Planen Sie nach 25 Jahren insgeheim doch den Ausstieg aus der Politik?
Nein, das hätte ich dann klar gesagt. Ob ich noch mal Finanzminister werde, hängt vom Wahlergebnis und bestimmten Konstellationen ab - das weiß und akzeptiere ich. Ich habe keine Angst, in Langeweile dahinzusiechen, falls mein politisches Wirken endet.

Würden Sie unter einem linken Ministerpräsidenten Minister sein wollen?
Ich ziehe in den Wahlkampf, damit die SPD die Linke endlich wieder hinter sich lässt. Die SPD muss sich straffen und besser für sich werben. Darauf kommt es mir an.

Das klingt nach Nein.
Ach wissen Sie, manche Dinge trage ich in meinem Herzen.

Noch ein Wort zum Länderfinanzausgleich. Sachsen hat dicke Überschüsse und bekommt dennoch aus dem Topf 1 Milliarde Euro. Und Bayern will nicht mehr länger Zahlemann sein. Ist das System noch gerecht?
Ja. Sachsen ist ähnlich einnahmeschwach wie wir und bekommt daher zu Recht einen Ausgleich. Wenn ein Land trotz Einnahmeschwäche Überschüsse erwirtschaftet, zeigt es, wie sparsam es bei den Ausgaben ist. Das darf nicht bestraft werden. Dieser Anreiz muss bleiben. Und Bayern hat überhaupt keinen Grund, sich aufzuregen. Bayern zahlt zwar heute gegenüber 2005 gut 2 Milliarden Euro mehr in den Länderfinanzausgleich ein, hat aber in der gleichen Zeit 16 Milliarden Euro mehr eingenommen. Seit der Wende hat Bayern eine Million Einwohner dazugewonnen! Und dass im Westen eine Konzernzentrale neben der anderen sitzt, ist nicht allein Verdienst der dortigen Landesregierungen, sondern vor allem eine Folge des Krieges.

So ein tolles Anreizsystem wünschten sich die Bürgermeister für den kommunalen Finanzausgleich hier auch. Die sagen: Wer spart, wird bestraft.
Das stimmt ja so nicht. Ich habe den Eindruck, da hat sich einiges völlig aus dem Ruder bewegt. Also wenn der Präsident des Städte- und Gemeindebundes...

... Haldenslebens Bürgermeister Norbert Eichler ...
...also wenn er Vergleiche mit der DDR zieht, hier würde angeblich immer weniger in die Infrastruktur investiert, dann ist das einfach nur dreist. Und dann ist er für mich kein ernstzunehmender Gesprächspartner.

Also wird sich nichts ändern?
Wir werden im Februar gemeinsam mit Kommunalvertretern bereden, wie wir gut wirtschaftende Kommunen noch mehr belohnen können. Ich sage aber auch: Das geht um so mehr, je besser der Landeshaushalt konsolidiert ist.