1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Eine Nacht im 1000-Sterne-Hotel

Winterzelten in Thale / Ein Selbstversuch Eine Nacht im 1000-Sterne-Hotel

Zelten im tiefsten Winter? Klingt verrückt, ist aber möglich. Zum
Beispiel auf dem Klostercampingplatz in Thale. Dieser wurde kürzlich vom
Online-Magazin "Camping.Info" zum besten Platz in Sachsen-Anhalt
gekürt. Ein Selbstversuch.

Von Anja Guse und Oliver Schlicht 06.02.2015, 01:19

Thale l Brrr, es ist dunkel und kalt. Furchtbar kalt. Minus 4 Grad. Leichter Wind. Erste Sterne am späten Abendhimmel. Wir sitzen mitten auf dem Klostercampingplatz in Thale - in einem Zelt, eingehüllt in Schlafsäcke. Der Boden ist gefroren, die Kälte selbst durch Isomatte und Plane zu spüren. Unsere Nasen triefen, der Atem schlägt sich an der Zeltwand nieder. Hier wollen wir heute Nacht schlafen.

"Ihr seid ja verrückt", meint Burghardt Wilsdorf. Er ist Betreiber des Platzes. Und er hat recht. Natürlich ist es verrückt, im Winter zu zelten. Doch das ist ein Test. Immerhin wurde der Platz zum dritten Mal vom österreichischen Internet-Campingführer (www.camping.info) unter die europäischen Top 100 gewählt. Unter 24830 Campingplätzen erreichte er beim Camping.Info-Award Rang 21 und ist damit bester Campingplatz in Sachsen-Anhalt. Gelobt wurden die naturnahe Gestaltung und die Ausstattung. Davon wollen wir uns selbst überzeugen. Mitten im Winter.

Schon am Nachmittag hatte uns die Kälte beim Aufbau des Zeltes zugesetzt. Die spitzen Heringe ließen sich nur mühsam mit einem Stein in den eiskalten Boden rammen. Pling, pling, pling hallte das Geräusch über den kleinen Platz, aber das störte niemanden. Es war keiner da.

Auf der Zeltwiese sind wir die einzigen Gäste. Nur auf einer der 90 Caravan-Stellflächen steht ein Wohnmobil. Die Bewohner wandern in den umliegenden Harzer Wäldern. Sie kommen erst zum Schlafen zurück.

Spätestens im Sommer wird es auf dem überschaubaren 2,5 Hektar großen Campingplatz aber wieder eng werden. Da müssen alle Urlauber zusammenrücken. 20000 Übernachtungen zählte Wilsdorf im vergangenen Jahr. "Im ersten Jahr nach der Eröffnung 2007 waren es noch 3000. Wir sind wirklich zufrieden", erzählt er.

Dachdecker als Campingplatz-Betreiber

Eigentlich ist Wilsdorf Dachdecker, so wie fast alle in seiner Familie. Sein Vater Bernd leitet mit 75 Jahren noch immer den Familienbetrieb im Ort, Sohn Max besucht gerade die Meisterschule in Dresden. "Im nächsten Jahr soll Max den Betrieb übernehmen. Dann kann ich mich voll um den Campingplatz kümmern", sagt Wilsdorf.

Mit dem Camping-Kleinod zwischen ewig rauschender Bode und romantischem Kloster Wendhusen schuf sich die Familie ein zweites Firmenstandbein. Einst diente der Platz als Lager für die Stadt Thale. Nach und nach erschlossen die Wilsdorfs das Areal. Jetzt gibt es hier neben Zelt- und Caravan-Platz auch ein Baumhaus, mehrere Finnhütten, Spiel- und Sportflächen, Minigolf und Partyraum. Fast alles ist aus Holz gebaut.

Der Umzug in eine Hütte käme uns jetzt gerade recht. Zwar wärmen die Daunenschlafsäcke hervorragend, doch leider nur die Körperteile, die auch tief im Schlafsack stecken. Die Nase guckt aber immer raus. Eine Mütze allein reicht nicht. Ein knisterndes Lagerfeuer würde Wärme spenden. Doch das ist auf dem Platz nicht möglich.

Zwischendurch meldet sich auch noch der kleine Hunger zurück. Dabei haben wir am Nachmittag schon unsere Vorräte getilgt - Kartoffeln, zubereitet in einem kleinen Campinggaskocher, dazu Quark und frische Kräuter. Eine Szene wie früher beim Kindergeburtstag: Essen mit Handschuhen, Mütze, Schal und dicker Jacke. Nur jetzt mit Teller auf dem Schoß und Stirnlampe auf dem Kopf.

Wir könnten es auf dem Campingplatz deutlich bequemer haben. Der Boden ist doch ziemlich kalt. Rezeption und Gasthaus sind dagegen geheizt, die Duschräume ebenso. Selbst die urigen Holzhütten verfügen allesamt über Heizungen. Aber Aufgeben gilt nicht. Vorerst.

Die Ausstattung des Platzes hat seinen Preis. "Mit Billig-Camping ist ein solcher Platz heute nicht mehr zu betreiben", sagt Wilsdorf. Die Gäste wollen Ruhe, Flair und Komfort. "Weil wir das bieten, sind sie bereit, einen angemessenen Preis zu bezahlen." Dies tun vor allem überregionale Harzbesucher, aber auch viele Gäste anderer Länder auf Durchreise.

Für europäische Verhältnisse ist der Campingplatz in Thale eher durchschnittlich teuer. Knapp 30 Euro muss ein Paar mit zwei Kindern und Wohnwagen für eine Nacht einplanen. Hinzu kommt die Kurtaxe der Stadt: 7,50 Euro pro Nacht für zwei Erwachsene und zwei Kinder. Keine Frage: Von einer Pension ist ein moderner Campingplatz preislich nicht weit entfernt.

Ruhe und Flair genießen wir im Zelt. Nur der Komfort lässt zu wünschen übrig. Bloß nicht viel bewegen. Jede Drehung lässt einen kalten Luftzug in den Schlafsack hinein. Das ist sehr unangenehm. Doch wer kann schon die ganze Nacht in einer Position verharren? Zweifel kommen auf. Sollen wir besser doch in eine Finnhütte umziehen?

Die Option "Hütte" ins Auge gefasst

Diese Option hatten wir zwei Stunden zuvor schon einmal ins Auge gefasst - bei einem Glas Bier in einer urigen Kneipe unweit des Campingplatzes. Hier hatte unsere kleine Frostgemeinschaft kurz Zuflucht vor der Kälte gesucht. Touristen waren nicht da, die Stadt döst zurzeit etwas vor sich hin. Die Straßen waren wie leergefegt. Spätestens zur Walpurgisnacht wird sich auch das wieder ändern.

Ein paar Minuten noch hocken wir im Zelt. Dann ist Schluss. Wir haben die Nase gestrichen voll. Bei dieser Kälte kann doch niemand einschlafen.

Schnell packen wir unsere Schlafsäcke und wandern in die Hütten. Schluss mit Frost. Heizung an und ab ins Bett. Das tut gut. Das ist Komfort! Gute Nacht.