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100 Jahre Bauhaus "Wir schaffen das"

Zum 100.Geburtstag im Jahr 2019 ist in Dessau-Roßlau ein Museum für 25 Millionen Euro geplant. Chefin Claudia Perren zu den Planungen.

10.02.2015, 01:24

2019 feiert das Bauhaus in Dessau 100. Geburtstag. Bis dahin soll ein Museum für 25 Millionen Euro entstehen. Bauhaus-Chefin Claudia Perren hat mit Volksstimme-Redakteurin Grit Warnat über die Pläne für den Neubau gesprochen.

Volksstimme: Frau Dr. Perren, Ihre große Aufgabe als Bauhaus-Direktorin ist das neue Museum. Geplant ist dafür ein Architektenwettbewerb. Wie ist der Stand?
Claudia Perren: Er sollte im Januar ausgeschrieben werden. Es gibt nun eine Verschiebung um wenige Wochen, weil wir beschlossen haben, die haushalterische Anerkennung des Bundesfinanzministeriums vor den Wettbewerb zu ziehen. Wir hatten sie eigentlich zwischen den zwei Stufen des Wettbewerbs geplant, haben uns dann aber anders entschieden, um das Verfahren insgesamt zu optimieren und zudem als Bauherrin frühzeitige Rechtssicherheit zu haben.

Aber der Zeitdruck wächst. Wie groß ist die Herausforderung, alles zum Bauhaus-Jubiläum zu schaffen?
Der Druck ist sehr groß. Aber diese Deadline ist auch eine Chance. Wir schaffen das.

Im November kam die Zusage vom Bund, den Neubau mit 12,5 Millionen Euro mitzufinanzieren. Wie wichtig war diese Entscheidung?
Für das Museum war die Entscheidung lebensentscheidend. Das Land hatte 2013 beschlossen, die Hälfte der Kosten zu tragen, wenn sich der Bund beteiligt.Wenn wir das Geld aus Berlin nicht bekommen hätten, wäre 2019 unrealistisch gewesen. Ich denke, die späte Entscheidung hatte mit der Unsicherheit des Ortes für das Bauhaus-Museum Dessau zu tun. Der Bund wollte sicher sein, was wir tun und wo wir es tun.

Sie meinen den Streit um Ihren Vorgänger Philipp Oswalt und die langen Diskussionen um den Standort des Museums?
Ich verstehe durchaus die Konzeption meines Vorgängers, der sozusagen eine Museumsinsel mit Bauhausgebäude und Meisterhäusern wollte. Aber ich halte den Standort Stadtpark für die bessere Lösung.

Warum?
Wenn man sich die Geschichte des Bauhauses in Dessau anschaut, wollten die Bauhäusler gerade nicht diese Insellösung. Sie haben ihre Architektursprache in der ganzen Stadt verstreut umgesetzt. Es gibt das Kornhaus im Norden, das Arbeitsamt gleich in der Nähe des Stadtparks und mit dem Stahlhaus und der Siedlung Törten Material- und Wohn-experimente im Süden. Ich finde, es ist konsequent, wenn das Bauhaus mit dem Museum wieder eine stärkere Verbindung zur Stadt aufbaut.

Haben Sie Angst davor, dass die veranschlagten 25 Millionen nicht reichen?
Wir denken immer gleich an die Elbphilharmonie und den Berliner Flughafen. Viele Bauprojekte aber laufen gut. Daran orientiere ich mich.

Der Architekturwettbewerb steht bevor. Wie wird er ausgeschrieben?
Es ist ein internationaler offener Wettbewerb, kein Einladungswettbewerb. Wir haben gesagt: Wir sind das Bauhaus, wir stehen für Aufbruch und für Experimente, für das Wagen von Neuem. Es wäre daher nicht richtig, vorab auszuwählen, wen wir am besten finden.

Sie sind Architektin. Welche Vorstellungen haben Sie von dem Neubau?
Natürlich habe ich so meine Vorstellungen, aber um die geht es nicht. Über den Architektenwettbewerb wird eine Jury aus Experten entscheiden. Wir erwarten zeitgenössische Statements zur Bauhausarchitektur und hoffen gleichzeitig auf Ansätze, an die wir nicht gedacht haben, wirklich Überraschendes, um unsere Sammlung interessant präsentieren zu können.

Was soll im Museum gezeigt werden?
Wir zeigen unsere Sammlung. Das Bauhaus Dessau hat mehr als 40000 registrierte Objekte, vom Stuhl übers Gemälde bis hin zu Arbeiten aus dem Schulalltag, Stoffe oder auch ganze Zimmer. Es ist nach Berlin die zweitgrößte Sammlung von Bauhausobjekten weltweit. Wir werden uns auf unsere Sammlungsschwerpunkte konzentrieren, es geht uns vor allem um die Dessauer Bauhauszeit. Dabei geht es zum Beispiel auch um die Entwicklung der Industrialisierung und die Frage, wie man vom Einzelobjekt zur Serienfertigung kommt. Zudem können wir die Ausstattung der Meisterhäuser klimatechnisch gesehen nicht in den Meisterhäusern zeigen. Auch dafür brauchen wir das Museum.

Wird die Geschichte des Bauhauses beleuchtet?
Das gehört dazu. Wir verankern alles historisch, politisch, kulturell.

Unabhängig vom Neubau haben Sie ein Residenzprogramm angekündigt. Wofür ist es gedacht?
Ab 2016 wollen wir dieses Programm für die Meisterhäuser auflegen. Sie sind zwar als Ausstellungshäuser genutzt, aber ungeeignet für Objekte aus unseren Sammlungen. Wir wollen dort Standpunkte junger, aber auch etablierter Künstler präsentieren, sie sammeln, zur Diskussion stellen. Bauhaus ist viel Geschichte, es ist aber auch sehr lebendig. Das wollen wir unbedingt zeigen.

Inwieweit kann das Bauhaus heute wieder Schule sein?
Wir haben zwei hauseigene Programme, das Bauhaus Lab, für das sich junge Gestalter aus aller Welt bewerben können, und es gibt ganz neu ein Masterprogramm, das Gestaltungsmethoden thematisiert. Die Bauhäusler arbeiteten beispielsweise mit neuen Materialien, experimentierten mit Licht. Neuer Schwerpunkt wird sein, dass wir Universitäten weltweit einladen, einen ihrer Kurse hier bei uns abzuhalten. Es macht doch einen Unterschied, ob das Bauhaus in einer Universität in den USA oder Australien erklärt wird oder ob man es vor Ort auch räumlich wahrnehmen kann. Wir erhoffen uns eine Wechselbeziehung. Was Lehrende und Studenten hier erfahren, wird auch in die Welt hinausgetragen.

Kannten Ihre Studenten in Sydney das Bauhaus?
Absolut.

Auch Dessau, Ihren neuen Arbeitsort?
Alle wussten, was das Bauhaus ist und wie es aussieht. Aber es ist nicht allen bewusst, wo das Gebäude steht. Auch andere originale Bauhausgebäude der Stadt sind im Ausland Insider-Wissen. Mit dem 100. Geburtstag haben wir die große Chance, dass all das bekannter wird. Die Eröffnung der Meisterhäuser hat dazu ja schon beigetragen.

Auch Berlin und Weimar werben zum Jubiläum mit dem Bauhaus. Ist ein Wettbewerb zu befürchten?
Wir sind gleichwertige Partner und in einem Bauhaus-Verbund organisiert, dem jetzt auch der Bund beigetreten ist. Wir wollen 2019 als deutschlandweites Ereignis angehen. Trotzdem setzt jede Einrichtung ihre eigenen Prioritäten. Hier in Dessau war die Schule die längste Zeit, wir haben hier die architektonischen Bauten, die niemand anders auf der Welt hat, auch nicht Weimar und Berlin. Darauf richten wir unseren Fokus.

Was kann das Jubiläum - außer dass wir ein weiteres Museum haben - für Sachsen-Anhalt bedeuten?
Das Bauhaus war auch zu meinen Studienzeiten immer etwas Avantgardistisches. Diesen Ruf der Moderne, des Revolutionären, des Avantgardistischen hat man sich über nun fast 100 Jahre erhalten können. Das ist eine großartige Leistung. Das Bauhaus ist immer verbunden gewesen mit kreativen, positiven, zukunftsorientierten Aspekten. Das ging zuletzt etwas unter, weil sich die Diskussionen sehr auf die Schwierigkeiten konzentriert haben, die es natürlich immer gibt. Damals und heute. Ich wünsche mir Freude auf das Museum, auf die Sammlung, auf neue Begegnungen. Wir sollten stolz darauf sein, so etwas Großartiges in Sachsen-Anhalt zu haben.

Zur Person
Claudia Perren wurde am 10. Januar 1973 in Berlin geboren. Von 1991 bis 1998 Studium an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee sowie in New York und Zürich Architektur. 2000 bis 2005 Doktorarbeit in Architekturtheorie über den Künstler Dan Graham und den Architekten Peter Eisenman an der Universität in Kassel. Perren ist seit August 2014 Direktorin und Vorstand der Stiftung Bauhaus Dessau. Sie wurde im März 2014 einstimmig vom Stiftungsrat zur Direktorin bestimmt.


Davor lehrte sie acht Jahre Entwurf, kuratorische Praxis, Geschichte und Theorie der Architektur und Kunst an der University of Sydney in Australien im Fachbereich Architektur, Design und Städtebau. Zahlreiche Publikationen, Lehraufträge und kuratorische Tätigkeiten. Claudia Perren wohnt mit ihrer Familie in Dessau und sagt, sie sei gut in der Stadt angekommen.