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Die neuen Macher in Sachsen-Anhalt Wie drei Jungunternehmer die Existenzgründung schafften

Bruno Mertins brach sein Studium ab und eröffnete seine eigene Bar. Christian Feuerstack investierte mehr als eine Million Euro, um seinen Traum zu leben. Und Claudia Oswald wollte endlich ihr eigener Chef sein. Ein Porträt drei junger Sachsen-Anhalter, die Ausnahmen sind. Denn bei Unternehmensgründungen liegt das Land bundesweit auf dem letzten Platz.

12.02.2015, 01:26

Magdeburg l Er hat es ja versucht. Er wollte wirklich vernünftig sein. Bruno Mertins machte eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Danach studierte er Wirtschaftsrecht. Und jetzt? Jetzt sitzt Bruno Mertins in einer Bar. In seiner Bar in der Magdeburger Altstadt am Hasselbachplatz. Was ist da nur schiefgelaufen?

Gar nichts. Der Magdeburger hat sich Ende 2012 seinen Traum erfüllt. Mit 24 Jahren. "Ich habe immer davon geträumt, unabhängig zu sein", erklärt er. Rund 100000 Euro hat der junge Gründer investiert. Ein Darlehen der Investitionsbank und einer Brauerei halfen. Den Rest brachte er durch Ersparnisse auf. "In den ersten vier Monaten nach der Eröffnung habe ich in dem Laden gelebt", erinnert sich Mertins. Und er hat gezweifelt. "Ich dachte, das schaffst du nicht", sagt er. Heute ist Bruno Mertins 26 Jahre alt. Sein "Club 56" ist in der Magdeburger Kneipenszene angekommen.

Eine Zahl mit sieben Ziffern. Christian Feuerstack musste mehr als eine Million Euro für sein eigenes Unternehmen auf den Tisch legen. Seit vergangenem Jahr gehört dem 28-Jährigen das Konditorei-Café "Harzer Baumkuchen" in Wernigerode. 60000 Euro Eigenkapital brachte er mit. Den Rest finanzierte er durch Kredite. "Ich kann mich selbst verwirklichen und bin endlich mein eigener Chef", sagt Feuerstack. Mut gehört dazu. Und Risikobereitschaft, sagt der junge Unternehmer.

Junge Menschen in Deutschland würden schon wollen. Aber viele tun es dann doch nicht. Fast jeder dritte junge Mensch im Land kann sich vorstellen, ein Unternehmen zu gründen. Doch nur zwei Prozent der Deutschen unter 35 Jahren sind tatsächlich selbstständig. Deutschland ist kein Gründerland. Das belegen viele Studien, wie der Amway Global Entrepreneurship Report. In Sachsen-Anhalt sind die Zahlen von Unternehmensgründungen seit Jahren rückläufig.

"Das Gründungsgeschehen in Sachsen-Anhalt liegt am Boden. Wir sind die schlechtesten in ganz Deutschland", sagt Christian Schöpke, der bei den Wirtschaftsjunioren in Magdeburg den Arbeitskreis Bildung und Gründung leitet. Schöpke vermisst ein Gründerklima im Land.

Claudia Oswald hat seit zwei Jahren eine eigene Praxis für Logopädie in Hohenwarsleben (Landkreis Börde). Mit zwei Mitarbeitern versorgt sie rund 130 Patienten, die Sprachstörungen haben oder das Sprechen neu erlernen müssen. "Ich kann meine Ideen zu 100 Prozent verwirklichen", sagt Oswald, die eine fünfstellige Summe in ihre Selbstständigkeit investiert hat.

Die 29-Jährige kennt ihren Beruf auch aus der Sicht einer Angestellten. Fünf Jahre war sie in einer Praxis beschäftigt und hatte ein sicheres monatliches Einkommen. Jetzt ist Claudia Oswald ihr eigener Chef. Das unternehmerische Risiko liegt bei ihr. "Ich trage nicht nur die Verantwortung für mich, sondern auch für meine Mitarbeiter", sagt Oswald. Der Erfolg gibt ihr Recht. "Es ist besser gelaufen, als ich dachte", erklärt sie zufrieden und blättert in ihrem Terminplaner. Seit der Praxiseröffnung hat sie ihre Arbeitszeit von 25 auf 50 Wochenstunden erhöht. Immer mehr Patienten werden auf die junge Logopädin aufmerksam.

Christian Feuerstack hat in seinem markanten Café, das die Form eines Baumkuchens hat, erste Veränderungen vorgenommen. Die Speisekarten sind neu gestaltet, im Gastraum stehen einige Pflanzen. Der Vorbesitzer hatte den Laden gut in Schuss gehalten. Aber der neue Chef macht den "Harzer Baumkuchen" nach und nach zu seinem Geschäft. Christian Feuerstack brennt für sein Unternehmen. Dafür arbeitet er mal das Wochenende, sitzt in der Nacht über Bilanzen, geht Rechnungen durch. "Das Private bleibt etwas auf der Strecke", gibt er zu. Immerhin: Seine Lebensgefährtin ist eine seiner zehn Angestellten.

Seine Investition hat Feuerstack bisher nicht bereut. Im vergangenen Jahr legte er zum Start ein Umsatzplus von 13 Prozent hin. Ob es ihn belastet, dass er in seinen jungen Jahren so hoch verschuldet ist? Feuerstack schmunzelt. "Wenn ich mich später selbstständig gemacht hätte, würde ich mit 60 immer noch Kredite abbezahlen", sagt er. In 20 Jahren soll sein Baumkuchen-Haus schuldenfrei sein. Dann ist er 48.

Für die jungen Unternehmer ist die Gründung ein Weg, Karriere zu machen und trotzdem sie selbst zu bleiben. Gründerberater Christian Schöpke würde sich mehr junge Menschen wünschen, die den Sprung in die Selbstständigkeit wagen. "Doch viele haben Angst vor dem Scheitern", sagt Schöpke. Denn der Hang zur Vorverurteilung ist in Deutschland groß. Zwischen 30 und 40 Prozent der eröffneten Unternehmen machen in den ersten fünf Jahren wieder dicht. Nicht schlimm, meint Schöpke: "Junge Gründer können durch die Selbstständigkeit zeigen, dass sie in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen".