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Raubkopierer-Affäre in Naumburg Ermittler prüft Datenklau im obersten Gericht

Der Rechtsausschuss des Landtags befasst sich am 13. März erneut mit brisanten Vorfällen im Oberlandesgericht Naumburg. Dort sollen Raubkopien angefertigt worden sein. Das Justizministerium schaltet jetzt einen externen Sonderermittler ein.

Von Michael Bock 05.03.2015, 02:25

Naumburg l Justiz-Staatssekretär Thomas Wünsch (SPD) bestätigte auf Volksstimme-Anfrage: "Ja, wir werden einen externen Gutachter einschalten." Der Name wird noch geheimgehalten. Ziel sei es, die von der Volksstimme aufgedeckten heiklen Vorfälle in Naumburg restlos aufzuklären.

Ausgerechnet im obersten Gericht Sachsen-Anhalts soll der dortige IT-Experte mindestens von Oktober 2010 bis März 2013 den Dienstcomputer privat genutzt haben. Ihm wird vorgeworfen, in seiner Arbeitszeit CDs und DVDs illegal kopiert und gebrannt zu haben.

Dabei hatte er Helfer. Die Staatsanwaltschaft Halle ermittelt seit 2013 gegen drei Bedienstete des Oberlandesgerichts. Ihnen wird ein Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz zur Last gelegt.

Warum blieb alles so lange unentdeckt?
Das Oberlandesgericht hatte den Computer-Fachmann im April 2013 rausgeworfen. Nach der Kündigung folgten Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht Halle und dem Landesarbeitsgericht. Beide Gerichte erklärten die Kündigung für unwirksam. Das OLG hat inzwischen Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt.

Schon in den Verhandlungen zeigten sich Arbeitsrichter erstaunt, dass im obersten Gericht des Landes der erhebliche Umfang privater Nutzung von dienstlichen Ressourcen so lange unentdeckt geblieben sein soll.

Die Arbeitsrichter kamen zur Erkenntnis, dass im Oberlandesgericht fast alle Bediensteten einschließlich der Richterschaft offenbar von der Tätigkeit des IT-Experten profitiert hätten. Auch Verwandte der OLG-Mitarbeiter sollen mit Gefälligkeiten bedacht worden sein. Dem Computer-Mann habe deshalb möglicherweise wie vielen anderen, auch richterlichen Bediensteten, das Unrechtsbewusstsein gefehlt.

Alle 140 Mitarbeiter schriftlich befragt
Das Oberlandesgericht hat etwa 140 Mitarbeiter. In der Raubkopierer-Affäre wurden auf Druck des Justizministeriums zuletzt alle Bediensteten schriftlich befragt. Das OLG will sich zu den Ergebnissen nicht äußern. Zunächst gab es eine Mauer des Schweigens. Die bröckelt jetzt.

Nach Volksstimme-Informationen haben Mitarbeiter erstmals zugegeben, von den Raubkopien gewusst und davon auch profitiert zu haben. Erhärtet wurde auch der Verdacht, dass OLG-Bedienstete und sogar deren Familienangehörige private Rechner bei dem IT-Mann in Reparatur gaben.

Ein aktueller Bericht des OLG ans Justizministerium lässt noch viele Fragen offen - so wird es in Landtagskreisen erzählt. OLG-Präsident Winfried Schubert ließ gestern mitteilen, er wolle "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" keine Erklärung abgeben.