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Volkskammerwahl Elke Lindemann aus Schönebeck: "Wir sind angetreten, um uns aufzulösen"

Von Olaf Koch 18.03.2015, 02:28

Schönebeck l PDF-Dateien als Beschlussvorlage und Computer? Daran war vor 25 Jahren nicht zu denken. Als die Schönebeckerin Elke Lindemann (SPD) damals gemeinsam mit dem inzwischen gestorbenen Nikolaj Tschalamoff (CDU) in die erste freie Volkskammer gewählt wurden, gab es noch Schreibmaschine und Blaupapier. Die wohl wichtigste Entscheidung dieser Legislatur war der Einigungsvertrag. "Der war ja mindestens einen halben Meter hoch und wirklich schwer", erinnert sich Elke Lindemann.

Die heute 71-Jährige war 46 Jahre jung, als sie mehr durch Zufall in die große Politik hineinrutschte. Erst im Januar 1990 ist sie in die SPD eingetreten, weil die Sozialdemokratie nicht nur in der Familie verankert war, sondern weil Elke Lindemann die soziale Komponente näher war als der Mief der damaligen Blockparteien. "Wenig später schon wurde jemand für die Volkskammerwahl gesucht. Da habe ich mich aufstellen lassen", erinnert sie sich.

Was aber dort im fernen Berlin auf die unbedarfte Schönebeckerin zukommen sollte, davon war sie gedanklich weit entfernt. "Ich wollte das nebenbei zu meiner regulären Arbeit machen. Aber das war Illusion", so Elke Lindemann. Sie wollte sich zwar einbringen für die Schönebecker Region und gemeinsam mit Frauen und Männern von insgesamt 31 anderen Parteien und Gruppierungen die Volkskammer mitgestalten, doch geahnt hat sie nicht, was auf sie zukam.

Schon am Dienstag nach dem Wahltag fuhr sie nach Berlin und traf dort alle anderen Abgeordneten zum ersten Kennenlernen. Die Schönebeckerin war an diesem Tag auch erstmals in der "Schaltzentrale der Macht" und saß mit den anderen im Saal der Volkskammer. "Es war irgendwie alles erdrückend", sagt sie heute.

Wie viele Menschen der DDR wollte sie damals vor 25 Jahren mithelfen, etwas Neues aufzubauen. Die DDR sollte ihren eigenen Weg suchen und gehen. "An Wiedervereinigung war in den Frühlingstagen 1990 noch nicht zu denken", resümiert Elke Lindemann.

Dieser Gedanke kreiste mit Sicherheit aber schon in den Köpfen der großen Bundespolitiker. Für sie war die Teilung der beiden deutschen Staaten nie akzeptabel. Der Mauerfall bot die Chance zur Einheit.

Schon kurz nach der Wahl heute vor 25 Jahren begann die Arbeit. "Ich wurde in die Ausschüsse Arbeit und Soziales sowie Umwelt berufen", berichtet Lindemann. Es dauerte nicht lange, da war sie in der real existierenden Volkskammerzeit angekommen: Von ihrer eigentlichen Arbeit in der Elbestadt war Elke Lindemann freigestellt, sie fuhr sonntags mit einem oder mehreren Koffern nach Berlin und machte bis Sonnabend große Politik.

"Es war eine sehr anstrengende Zeit. Man musste permanent anwesend sein, und leere Sitzreihen in der Volkskammer wie heute im Bundestag gab es so gut wie nicht", erzählt die Volkskammer-Abgeordnete. Trotz allem ist sie stolz auf die Zeit, dabei gewesen zu sein in einem geschichtlichen Augenblick Deutschlands. Wegbegleiter der Zeit waren Dörfler, Höppner, Meckel, Polte, Schur, Krause, Tschiche, Uhlmann, Bergmann-Pohl, Gysi, Hildebrandt und andere. Getroffen hat Elke Lindemann auch Hans-Dietrich Genscher und Helmut Kohl.

Doch mit dem eingangs schon erwähnten Einigungsvertrag kam im Oktober auch das Ende: nicht nur für die Volkskammer, sondern für die komplette DDR. "Wir sind damals angetreten, um uns aufzulösen. Das haben wir dann schnell gemerkt", so Lindemann. Sie war später noch drei Legislaturperioden als Landtagsabgeordnete tätig.