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Unternehmen aus Sachsen-Anhalt in Hannover Cebit: Spielzeug-Erfinder und Windrad-Abflieger

Spieleentwickler, Programmierer von Handy-Apps und Drohnen-Piloten - junge IT-Firmen aus Sachsen-Anhalt präsentieren sich auf der Cebit. Eine Werbeaktion im Landesauftrag. Die Boom-Branche benötigt dringend mehr Fachleute.

Von Oliver Schlicht 21.03.2015, 02:21

Hannover l Der mintgrüne Sachsen-Anhalt-Stand unweit des Eingangs zur Cebit-Halle 9 ist an diesem Donnerstag dicht umlagert. Eingebettet in den Ständen von Universitäten und Forschungsinstituten des Landes werden dem zumeist jungen Publikum heute Vorführungen mit Schauwert geboten. Drohnen summen, Autos entstehen wie von Geisterhand in 3-D-Druckern und in den Polsterkugeln lümmelnd bewegen Spielefans eigentümliche Farbpunkte auf der riesigen Screenwand.

"Start-Ups"-Tag am Sachsen-Anhalt-Stand. Zum Beispiel Sebastian Friedrich aus Magdeburg. Neben ihm rattert der Drei-D-Drucker und formt gerade ein Miniauto aus PLA-Biokunststoff. Grün, rot, gelb ist das harte Material auf Basis von Maisstärke.

Sebastian erklärt den Zuschauern vor dem Druckerkasten das Verfahren. Er selbst hat noch kürzlich Maschinenbau in Magdeburg studiert. Nun will er mit zwei Partnern aus Halle und Leipzig die Spielzeugfertigung neu erfinden. "TinkerToys" - so der Firmenname - lässt Kinder mit virtuellen Werkzeugen übers Internet Roboter, Autos und Urviecher basteln, die dann im 3-D-Drucker ausgedruckt und zugeschickt werden. Die Werkzeuge werden im Browser bedient. Der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Etwa 30 frei veränderbare Baukörpervorlagen und Verbindungselemente stehen bereit.

Das eigentliche Ziel von "TinkerToys" sei es, ein Filialnetz von Druckerstationen aufzubauen, wo Kinder betreut werden und kreativ Spielzeug basteln können. "Eine Filiale haben wir vor acht Monaten in Leipzig eröffnet. Weitere sollen folgen", erzählt Friedrich.

Professionelle Drohnen Marke Eigenbau

Seinen 21. Geburtstag hat am Montag auf der Cebit der Schönebecker Christian Dobisch gefeiert. "Mit Fluggeräten habe ich schon als kleines Kind herumgebastelt", erzählt er schmunzelnd. Inzwischen besitzt der Techniker sechs Drohnen - Marke Eigenbau, umgebaute, selbst programmierte, absolut professionelle Fluggeräte. Dobisch fliegt im Auftrag von Unternehmen, zum Beispiel um Roststellen an Windkraftanlagen zu untersuchen. Seine Aufträge bekommt er über das Internet.

Er fliegt nicht nur, sondern kümmert sich auch um behördliche Fluggenehmigungen und klärt Rechtsfragen. "Da kenne ich mich inzwischen gut aus. Schlimm ist, wie viel Unwissenheit da bei so manchem Hobby-Drohnenflieger herrscht", erzählt er.

Fotografieren und Filmen gerate im Drohnengeschäft zunehmend in den Hintergrund. "Ich transportiere vor allem Messinstrumente", erzählt er. Zum Beispiel Schadstoffmessungen oder Vegetationsuntersuchungen für die Landwirtschaft. Aktuell bearbeite er eine Anfrage von Geovermessern, die in der Börde Flächen nach verschollenen Siedlungen abscannen wollen.

Erst im Januar hat der Schönebecker seine Mechatroniker-Lehre abgeschlossen. Noch arbeitet er in einem Handwerksbetrieb. Doch lange wird es wohl nicht mehr dauern, bis der 21-Jährige unternehmerisch "flügge wird". Aktuell hilft Vater Peter bei der Auftragsbearbeitung mit.

Die Erfahrungen auf der Cebit lassen ihn gelassen in die Zukunft blicken. "Ich habe hier unheimlich viele Aufträge entgegennehmen können. Zu Hause muss ich das erst einmal sortieren und mich dann bei den Leuten schnell melden, damit ich nicht in Vergessenheit gerate." Falls wirklich bald eine Unternehmensgründung anstehen sollte, wäre auch die Anschubsfinanzierung abgesichert. Christian Dobisch: "Ich hatte bestimmt 20 entsprechende Angebote hier auf der Cebit."

Acht Unternehmen beim "Start-Ups"-Tag

"Die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften in der IT-Branche von Sachsen-Anhalt ist riesig. Deshalb ist es wichtig, hier in Hannover Werbung zu machen, was bei uns im Land alles möglich ist", sagt Marco Langhof, Vorstandsvorsitzender des Landesverbandes der IT- und Multimediawirtschaft VITM. Gut gelaunt schaut der IT-Experte am Landesstand dem Treiben der jungen Firmen zu. Acht Unternehmen präsentieren sich am Donnerstag beim "Start-Ups"-Tag insgesamt.

Größere IT-Unternehmen, die bei der Landesvertretung unterschlüpfen, um auf der Cebit preiswert Flagge zu zeigen, sind - im Gegensatz zu Vorjahren - nicht mehr anzutreffen. Langhof: "Und das ist auch gut so. Ich nenne das, was da in den vergangenen Jahren passiert ist, gern Deformation durch Förderung." Die Branche habe das nicht mehr nötig. "Spontan fallen mir etwa 20 Unternehmen aus Sachsen-Anhalt ein, die hier mit eigenen Ständen in den Hallen vertreten sind", so der Verbandschef.

Ein Beispiel: Die Firma "Digittrade" aus Teutschenthal. Ein 13-Mann-Betrieb von Entwicklern und Programmierern, die Ideen entwickeln, wie Daten vor unerlaubtem Zugriff zu schützen sind. Seniorchef Leonid Gimbut kam 1980 aus Weißrussland in die DDR. "2005 haben wir mit speziell abgesicherten Festplatten angefangen. Aktuell arbeitet mein Sohn André als Forschungsleiter an einer Software zur Smartphone-Verschlüsselung", erzählt er. "Chiffry", so der App-Name, gibt es von der kostenlosen Basisversion bis zur hoch abgesicherten Businessklasse. Die App steht aktuell für Android, iOS und BlackBerry bereit. Eine Windows-10-Version soll bis Jahresende folgen. Gimbut: "Vor einem Jahr ging die App als Beta an den Start. Inzwischen hat die Vollversion 30000 Nutzer."

Zu Wochenbeginn wurden die Teutschenthaler auf der Cebit für "Chiffry" von der Initiative Mittelstand mit dem "IT-Innovationspreis 2015" ausgezeichnet - Bundessieger in der Kategorie Telekommunikation.