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Germanwings-Absturz Copilot war krankgeschrieben

Schockierende Erkenntnisse zur Germanwings-Katastrophe: In den Wohnungen des Copiloten entdecken Ermittler zerrissene Krankschreibungen - auch für den Absturztag.

27.03.2015, 12:31

Berlin (dpa/se) | Der Copilot des abgestürzten Germanwings-Fluges hat nach Erkenntnissen der Ermittler vor seinem Arbeitgeber eine Erkrankung verheimlicht. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf fand in der Wohnung des 27-Jährigen "zerrissene, aktuelle und auch den Tattag umfassende Krankschreibungen", wie die Staatsanwaltschaft Düsseldorf am Freitag mitteilte. Abschiedsbrief oder Bekennerschreiben wurden nicht gefunden.

Ermittler hatten am Donnerstag zwei Wohnungen des Mannes durchsucht, der aus Montabaur bei Koblenz stammte und seit 2013 als Copilot für Germanwings flog. Sichergestellt wurden demnach Dokumente, "die auf eine bestehende Erkrankung und entsprechende ärztliche Behandlungen hinweisen", erklärte die Staatsanwaltschaft. Über die Art der Erkrankung wurde nichts mitgeteilt, die Ermittler hatten aber nach Hinweisen auf ein psychisches Leiden gesucht.

Der 27-jährige Andreas Lubitz steht im Verdacht, den Piloten des Flugs 4U 9525 aus dem Cockpit ausgesperrt und den Airbus mit 150 Menschen an Bord mit voller Absicht auf Todeskurs gebracht zu haben. Airlines in Deutschland und weltweit ziehen schnell Konsequenzen aus dem Vorfall und verschärfen ihre Regeln für die Besetzung im Cockpit. Kein Pilot soll sich künftig mehr allein dort aufhalten dürfen.

Bundespräsident Joachim Gauck nahm am Vormittag an einem Gedenkgottesdienst im westfälischen Haltern teil. 16 Schüler und zwei Lehrerinnen des dortigen Gymnasiums waren an Bord des Airbus, der am Dienstag auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf in den französischen Alpen an einem Bergmassiv zerschellte.

Die Bergungsarbeiten, die am Freitag in den vierten Tag gingen, können sich in dem unwegsamen Gelände hinziehen. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Suche nach dem zweiten Flugschreiber, der weitere Erkenntnisse zum Geschehen im Cockpit liefern könnte.

Die Fluggesellschaft Germanwings, eine Lufthansa-Tochter, eröffnet am Samstag in der Nähe der Absturzstelle ein Betreuungszentrum für Angehörige. Für Freitag war ein vierter Sonderflug mit Hinterbliebenen aus Barcelona geplant. Der Bundesrat gedachte zu Beginn seiner Sitzung am Freitag der Opfer, unter denen laut Auswärtigem Amt 75 Deutsche waren.

Die Auswertung des Stimmenrekorders hatte ans Licht gebracht, dass der Copilot seinem Kollegen nach einem Toilettengang nicht mehr die automatisch verriegelte Cockpit-Tür öffnete. Danach soll er nach derzeitigem Ermittlungsstand das Flugzeug eigenmächtig auf Sinkflug gebracht haben. Bis zuletzt ist auf der Aufnahme schweres Atmen zu hören.

Für die deutschen Airlines kündigte der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) Konsequenzen an. Kein Pilot dürfe sich in Zukunft mehr allein im Cockpit aufhalten, sagte Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow am Donnerstagabend der Deutschen Presse-Agentur. Am Freitag sollte die neue Zwei-Personen-Regelung, die erst einmal vorläufig eingeführt werde, mit dem Luftfahrt-Bundesamt besprochen werden.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) begrüßte die Ankündigung. "Das Vier-Augen-Prinzip im Cockpit ist eine richtige Überlegung", sagte er am Freitag der dpa. Air Berlin und Condor teilten mit, dass die Neuregelung bereits von Freitag an gelte. Lufthansa will für sämtliche Passagierflüge im Konzern die Zwei-Personen-Regel im Cockpit umsetzen. Künftig müssten sich immer zwei autorisierte Personen im Cockpit aufhalten, erklärte der Luftverkehrskonzern am Freitag in Frankfurt.

Auch in Großbritannien ändern die meisten Airlines ihre Regeln nach einer Empfehlung der Flugsicherheitsbehörde. Die skandinavische Fluggesellschaft SAS, Air Baltic, Norwegian und Air Canada führen nach eigenen Angaben ebenfalls das Vier-Augen-Prinzip ein. "Das bedeutet, dass wenn einer der Piloten das Cockpit verlässt, etwa um auf Toilette zu gehen, eines der Crewmitglieder ins Cockpit gehen muss", sagte eine Sprecherin der norwegischen Fluglinie der dpa. Von Air France hieß es, man verfolge aufmerksam die Entwicklungen und die Untersuchungsergebnisse.

Bundespräsident Gauck versprach den Angehörigen der Absturzopfer Unterstützung. Es entstehe ein "Band des Mitleidens und Mittrauerns", sagte er nach dem Gottesdienst in Haltern. Er wurde von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft begleitet.