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Ungereimtheiten bei Vergabe EU verlangt Aufklärung zu Förderprojekten

Brüssel zahlt Sachsen-Anhalt 258 Millionen Euro vorerst nicht zurück. Unternehmen müssen auf Gelder warten.

31.03.2015, 01:31

Magdeburg l In kaum einem Bundesland wird so wenig geforscht wie in Sachsen-Anhalt. 2014 lagen die Pro-Kopf-Ausgaben der Firmen für Forschungsprojekte bei 95 Euro je Mitarbeiter, in Baden-Württemberg dagegen bei 1500 Euro. Die Wirtschaft droht nun weiter an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, denn sie muss seit einem Jahr schon auf Fördergelder der EU verzichten.

Nach Volksstimme-Informationen hat Brüssel den Geldhahn zugedreht, weil die Landesregierung für die alte Förderperiode von 2007 bis 2013 noch nicht ausreichend nachweisen konnte, dass Fördermittel stets zu Recht geflossen sind. In 30 Fällen zweifelt die EU an der Rechtmäßigkeit und will dem Land 258 Millionen Euro erst dann zurückerstatten, wenn es alle Zweifel ausgeräumt hat. Solange fehlt das Geld im Landeshaushalt. Damit aber nicht genug: Die EU hat der Landesregierung auferlegt, dass Förderprojekte künftig nicht mehr von den einzelnen Landesministerien, sondern nur noch von einer zentral verantwortlichen Stelle gebilligt werden dürfen - um Missbrauch zu vermeiden. Die Stelle soll nun beim Finanzministerium angesiedelt werden.

Frische Mittel erst ab Mai
Wegen der EU-Auflagen ist die Landesregierung wiederum in Verzug geraten, die neue Förderperiode von 2014 bis 2020 vorzubereiten. Frühestens ab Anfang Mai können Unternehmen im Land wieder frische Fördergelder für Forschungsprojekte erhalten. Heißt auch: Mehr als ein Jahr lang gab es keinen Cent.

Die Folgen sind gravierend, denn die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt ist viel stärker von staatlichen Fördergeldern abhängig als andernorts. Das liegt daran, dass es hier nur wenige große Unternehmen mit eigenen Entwicklungsabteilungen gibt, die vielen kleinen Firmen sich teure Projekte alleine nicht leisten können.

Allein aus dem EU-Strukturfonds EFRE flossen bislang stets rund 20 Millionen Euro pro Jahr in Forschungsprojekte. Da die Firmen im Schnitt noch mal die gleiche Summe aus der eigenen Tasche draufzahlten, lagen die finanziellen Aufwendungen für Entwicklungen insgesamt bei rund 40 Millionen Euro pro Jahr. Alles Geld, das zuletzt jedoch nicht mehr geflossen ist.

Entsprechend verärgert sind die Unternehmen. "Ohne Fördergelder können die Firmen ihre neuen Produkte erst Jahre später auf den Markt bringen", kritisiert Unternehmensberater Günter Ihlow von der TTI Magdeburg GmbH. "Den Firmen entgehen Umsätze, und sie müssen befürchten, Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen."

Ihlow ist auch darüber verärgert, dass das Wirtschaftsministerium nicht rechtzeitig etwas gegen die Förderlücke unternommen hat. "Es war klar, dass mit der Umstellung auf die neue Förderperiode eine zeitliche Lücke entstehen würde, in der Unternehmen keine EU-Gelder erhalten. Trotzdem hat sich das Ministerium nicht um eine Zwischenfinanzierung bemüht." Das Land hätte aus seiner Sicht ein Darlehen zu günstigen Zinsen aufnehmen können, um weiterhin Forschungsprojekte von Firmen zu finanzieren. Später hätte sich das Land das Geld von der EU wieder erstatten lassen können. Das Wirtschaftsministerium sagt jedoch, für eine Zwischenfinanzierung hätte es keinen Spielraum gegeben. Doch das sieht man selbst im Finanzministerium anders. "Wir hätten schon eine Lösung gefunden", heißt es.

Ein kleiner Trost für die Wirtschaft, auch wenn Zeit verloren gegangen ist: Die Fördermittel verfallen nicht. Bis 2020 stehen insgesamt 131 Millionen Euro für Forschungsprojekte der Unternehmen bereit. Ob das Land die 258 Millionen Euro von der EU noch erstattet bekommt, bleibt offen. Die Verhandlungen könnten sich bis zum Jahresende hinziehen, heißt es.