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Zinserlass für "Schloss Neugattersleben" Ein ganz besonderer Fall

Ist der Zinserlass für Unternehmen der Firmengruppe "Schloss
Neugattersleben" eine Ausnahme oder die Regel? Zahlen aus dem
Finanzministerium legen den Verdacht nahe, dass es sich hier um einen
ganz besonderen Fall handelt.

Von Michael Bock 02.04.2015, 03:27

Magdeburg l Die inzwischen aufgelöste Oberfinanzdirektion hatte im Jahr 2013 die Finanzämter in Magdeburg, Staßfurt und Bitterfeld-Wolfen angewiesen, Nachzahlungszinsen auf fällige Steuern von Unternehmen aus dem Firmengeflecht zu erlassen. Der Ex-SPD-Bundestagsabgeordnete Klaas Hübner und Familienmitglieder sind als Gesellschafter an Unternehmen der Schlossgruppe beteiligt. Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD), der mit Hübner gut befreundet ist, bezifferte im Volksstimme-Interview die Zinserlass-Summe auf etwa 270000 Euro.

Seit Wochen bemüht sich die Volksstimme beim Finanzministerium um Zahlen zur Gesamthöhe der Nachzahlungszinsen. Diese liegen uns seit Mittwoch vor. Ergebnis: Fast die Hälfte der gesamten 2013 erlassenen Nachzahlungszinsen entfiel auf Unternehmen der Firmengruppe "Schloss Neugattersleben".

Konkret: Von Finanzämtern in Sachsen-Anhalt wurden im Jahr 2013 Nachzahlungszinsen von insgesamt 568756 Euro erlassen - und das in exakt 482 Fällen. Eine kleine Rechnung: Wir ziehen von dieser Summe die von Bullerjahn genannten 270000 Euro Zinserlass für die Firmengruppe "Schloss Neugattersleben" ab - unterm Strich bleiben noch 298756 Euro übrig. Teilt man diese Summe durch 481 (Fälle), ergibt sich im Jahr 2013 ein durchschnittlicher Zinserlass von 621 Euro.

Von 2010 bis 2014 wurden laut Finanzministerium in 2454 Fällen insgesamt 2,536 Millionen Euro an Nachzahlungszinsen erlassen. Das entspricht einem durchschnittlichen Zinserlass von 1033 Euro.

Finanzminister Bullerjahn hatte in einem Volksstimme-Interview gesagt, die Unternehmer Klaas Hübner und dessen Vater hätten ihn Anfang 2011 wegen einer sich über drei Jahre hinziehenden Betriebsprüfung erstmals angesprochen. Es ging um einige Hundert strittige Steuerbescheide.

Als Minister habe er seine Fachleute gebeten, die Angelegenheit zu prüfen. Daraufhin hätten sich Oberfinanzdirektion, Finanzämter und Unternehmensgruppe auf eine Lösung verständigt. "Das ist ein gängiges, rechtlich sauberes Verfahren", sagte Bullerjahn. "Man hat die Wahl zwischen jahrelangen Prozessen oder einer Verständigung." Bullerjahn nannte den Zinserlass für Firmen der Hübner-Unternehmensgruppe "durchaus üblich".

Der Landesrechnungshof prüft derzeit den Zinserlass. Ex-Präsident Ralf Seibicke, der Ende Februar aus dem Amt schied, hatte die Prüfung noch angeschoben. Im Januar konstatierte er in dieser Angelegenheit "erheblichen Klärungsbedarf".

Klaas Hübner, der für die Volksstimme trotz mehrerer Versuche seit Tagen nicht erreichbar ist, will inzwischen auf juristischem Weg erreichen, dass sein Name aus der Angelegenheit herausgehalten wird. Die von ihm beauftragten Kölner Rechtsanwälte sehen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt. In dem Anwaltsschreiben wird eingeräumt, dass Klaas Hübner zum Zeitpunkt des Erlasses an einigen der Unternehmen als Gesellschafter beteiligt war.

Die auf Marken- und Medienrecht spezialisierte Kanzlei will untersagen, dass im Zusammenhang mit dem Erlass von Nachzahlungszinsen der Name (Klaas Hübner, Hübner) und seine ehemalige Abgeordnetentätigkeit (früherer SPD-Bundestagsabgeordneter, Ex-Bundestagsabgeordneter) genannt werden. Es bestehe "kein überwiegendes Informationsinteresse an einer identifizierenden Berichterstattung auch über unseren Mandanten".