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Vegane Ostern Eier gibt es nur aus Plastik

Vegane Ostern, ohne bunte Eier und den jährlichen Lammbraten - kann das
funktionieren? Eine Familie aus dem Sülzetal lebt seit zwei Jahren vegan
und muss trotzdem nicht auf Traditionen verzichten.

Von Tina Gewandt und Bianca Schwingenheuer 04.04.2015, 01:17

Altenweddingen l Ein holpriger Feldweg voller Schlaglöcher führt über den weitläufigen Acker, im Sichtfeld liegt nur ein einziges großes Gebäude. Auf diesem abgelegenen Gehöft in Altenweddingen leben Anke Kreuzer und Denis Mohrenweiser mit ihren Kindern Felix (6) und Linda (3). Im Garten der Familie hängen an einigen Sträuchern die einzigen bunten Ostereier - aus Plastik. Gefärbte Hühnereier oder einen Lammbraten wird es zum Fest nicht geben. Die ganze Familie lebt vegan.

Ostern - das ist auch für Familie Kreuzer/Mohrenweiser ein traditionelles Fest. Von den Kindern bemalte Hühnereier gibt es, und auch welche, die die Familie geschenkt bekommen hat. Vergangenes Jahr gab es einen Versuch, das Ei-Thema vegan umzudeuten. "Ich habe statt der Hühnereier Avocados angemalt", erzählt Anke Kreuzer und lacht. Der Erfolg war mäßig, die Frucht eignet sich nicht als Osterei-Ersatz. "Wir schmücken Haus und Garten trotzdem mit Eiern aus Plastik. Die Deko-Artikel haben wir schon mehrere Jahre."

Vegan leben geht nicht von jetzt auf gleich

Solche "alten Bestände" gibt es im Haushalt der Familie auch bei Kleidung und Schuhen - der Weg zum komplett veganen Leben ist lang. "Meine alten Lederschuhe ziehe ich noch an", erzählt Denis Mohrenweiser. Alle Sachen, die neu erworben werden, müssen auch vegan hergestellt sein. "Ich habe mir jetzt ein paar neue Anzugschuhe gekauft, die sind komplett vegan und sehen richtig schick aus", sagt Denis Mohrenweiser. Wichtig: Als Bauingenieur ist der Familienvater beruflich auf ein gepflegtes Äußeres angewiesen.

In erster Linie ist das vegane Leben eine Sache der Ernährung. Gemüsepfanne, Sojafleisch, Ofengemüse und auch die indische Küche stehen ganz oben auf dem Speiseplan von Anke Kreuzer und Denis Mohrenweiser. Mit zahlreichen Kochbüchern ist die Familie bestens für alle Eventualitäten gewappnet.

Am Ostersonntag versucht es die zweifache Mutter mit einem "Peace-Braten". Der eingefrorene Klumpen sieht Hackfleisch zum Verwechseln ähnlich, besteht aber aus Seitan (Weizeneiweiß). "Wir waren eigentlich nie so für das Riesen-Festmahl, aber ich wollte schon immer mal veganen Braten machen", sagt die 36-Jährige. Und was gibt es dazu? Natürlich viel Gemüse.

Der Verzicht auf tierische Produkte ist kein Verlust für Familie Kreuzer/Mohrenweiser. Es gibt immer genug zu essen und genascht werden kann nach Lust und Laune. Da Süßigkeiten wie Zartbitter-Schokolade durchaus vegan sind, ist auch das Osternest der Kinder gut gefüllt. "Wenn man nicht kochen kann, ist vegane Ernährung allerdings schwierig", sagt Anke Kreuzer. In der Küche gilt aus diesem Grund die einfache Regel: Die Beilage wird zum Hauptgericht, und der Nachtisch bleibt der Nachtisch.

Die Folgen der industriellen Landwirtschaft erlebt die Familie hautnah im Sülzetal. Anke Kreuzer und Denis Mohrenweiser stinkt es vor allem im Frühjahr, wenn die Felder mit Tiermist gedüngt werden.

Keine Milch, keine Eier und kein Fleisch

Das ist einer von vielen Gründen für einen veganen Neuanfang. Genau zwei Jahre ist es her, dass die 36-jährige Ärztin ihre Lebensweise komplett umgestellt hat. Radikal rührt sie seitdem kein tierisches Produkt mehr an. Das bedeutet im Klartext: keine Milch, keine Eier und natürlich kein Fleisch.

Die Mutter erinnert sich, dass sie vor zwei Jahren in der Fastenzeit schon kein Fleisch gegessen hat. Ein Bericht über Massentierhaltung brachte die endgültige Wende: "Das hat mich richtig angeekelt. Ich habe von einem Tag auf den anderen aufgehört, Eier zu essen und Milch zu trinken."

Da Denis Mohrenweiser nicht alles zweimal einkaufen wollte, entschied er ganz praktisch, seine Ernährung ebenfalls umzustellen. "Das hat sich dann einfach so eingeschlichen", so der Bauingenieur.

Und die Kinder? Tochter Linda kennt es gar nicht anders. "Nach dem Abstillen hat sie gleich von Anfang an mit uns vegan gegessen", sagt Anke Kreuzer. Sohn Felix wurde die Entscheidung überlassen. Seine Eltern nahmen sich viel Zeit, dem aufgeweckten Jungen die vegane Ernährung zu erklären. Daraufhin hat er sich für die Lebensweise seiner Eltern entschieden. "Milch hat er eh nie getrunken, nur Käse isst er gerne." Deswegen kommt nun die pflanzliche Variante von Käse auf den Tisch. "Und der schmeckt ihm", ist die Mutter überzeugt und schaut nach draußen. Dort gräbt ihr kleiner Veganer im Sandkasten mit der Schaufel Löcher in den Sand.

Mittlerweile achtet Felix von selbst darauf, sich vegan zu ernähren. Und er denkt vorausschauend: "Zum Osterfest vor einem Jahr fragte Felix, ob der Osterhase denn wisse, dass sie vegan leben und er keine Ostereier zu bringen braucht", erzählt die Mutter mit einem Lächeln auf den Lippen.

Prall gefülltes Osterkörbchen

Ihre Osterkörbchen werden Linda und Felix natürlich auch suchen müssen. Die Eltern werden Zartbitterschokolade verstecken. Die Geschwister können sich außerdem über selbstgemachte Fondant-Eier freuen.

Für Anke Kreuzer und Denis Mohrenweiser hat die vegane Lebensweise eine ganz neue Geschmackswelt eröffnet. "Wir essen jetzt Sachen, die wir vorher nie gegessen hätten. Kichererbsen oder Mandelmus zum Beispiel", sagt Anke Kreuzer. Ein Alltag ohne Tier - kein Problem für die Familie. "Man lernt schnell, zu den Produkten zu greifen, die man essen kann. Es gibt zu allem eine Alternative."

Vegane Ernährung für Kinder nicht empfohlen

Klein-Felix hat sich mit seinen sechs Jahren bereits für ein veganes Leben entschieden. Seine Schwester Linda hat noch nie ein tierisches Produkt gegessen. Ernährungsexperten sind alles andere als angetan von dieser Lebensweise für Kinder. "Wir halten eine vegane Ernährung im gesamten Kindesalter für ungeeignet", sagt Antje Dahl, Ernährungswissenschaftlerin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).

Die Gefahr von Nährstoffmangel sei groß. Die Liste der möglichen Mängel ist lang: Protein, Eisen, Kalzium, Jod, Zink, die Vitamine B12, B2 und D sowie die Zufuhr langkettiger N3-Fettsäuren.

Bei vegan ernährten Kindern sind spezielle Kenntnisse der Lebensmittelauswahl und -zubereitung beziehungsweise die Sicherstellung der Versorgung durch speziell mit Nährstoffen angereicherte Lebensmittel oder Ersatzprodukte erforderlich, so die DGE. "Eine Zuführung von Vitamin B12 aus Algen oder vergorenem Gemüse ist meist nicht ausreichend", so Antje Dahl.