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Hobby mit Tücken Imker: Honig im Kopf

Immer mehr Sachsen-Anhalter entdecken die Honigbienen für sich. Zu ihnen
gehört Frank Steyer aus Magdeburg, er ist seit einem Jahr Imker. Sein
neues Hobby ist allerdings nicht nur Zuckerschlecken.

Von Elisa Sowieja 24.04.2015, 03:24

Magdeburg l Bei Frank Steyer im Garten würde ein Imker-Interview gerade wenig Sinn machen. Denn alle Bewohner seiner drei Holzkisten haben den Winter nicht überlebt. Und eine Bienen-Recherche ohne Bienen, das wäre eher unbefriedigend. Spätestens, wenn\'s ans Fotografieren ginge. Also schmückt sich Steyer heute zur Demonstration mal mit fremden Flugtieren. Im schneeweißen Ganzkörperanzug mit Netz vorm Gesicht steht er auf dem Schulhof des Domgymnasiums in Magdeburg. Vorsichtig legt er seine Hände an eine Kiste, in der sich Tausende Bienen tummeln. Um sie kümmert sich sonst ein Imker-Freund zusammen mit einer Schülergruppe.

Imkern als Mittel gegen Stress im Job

"Einen guten Meter sollten Sie ihnen lieber Platz lassen!" Ein wertvoller Hinweis für die Reporterin, denn die ist ohne Montur aufgeschlagen und schätzt einen Bienenstich nur, wenn er auf dem Teller liegt. Während sie drei Schritte zurückgeht, hebt Steyer langsam das obere Fach an. Der Schwarm, der zum Vorschein kommt, lässt sich vom Dachklau nicht beeindrucken. "Es ist ihnen noch zu kalt zum Fliegen", erklärt er. Jetzt kann er damit loslegen, den Bienen klebrige Klumpen zu kredenzen, die in einer Schale bereitstehen. Die Zuckermasse hilft den Tieren über die Runden, bis es draußen durchweg warm ist.

Der 41-Jährige weiß schon recht gut, was er bei Bienen tun und lassen darf. Seit einem Jahr ist er jetzt Imker. Mit seinem Hobby liegt er im Trend: Hatte der Landesverband 2008 noch 1200 Mitglieder, stieg die Zahl im vergangenen Jahr auf gut 1650. "Viele entdecken das als Hobby für sich, um Stress zu bewältigen", erklärt Verbandschef Falko Breuer. Auch von Begeisterung für die Natur würden viele Neu-Imker erzählen.

Das mit der Natur gilt auch für Frank Steyer. "Ich finde es faszinierend, wie ein Bienenvolk organisiert ist", erzählt er. "Außerdem habe ich einen 2000 Quadratmeter großen Garten. Da ergänzen sich Bienen und Blumen hervorragend." Mit dem Stress ist es allerdings so eine Sache. Zwar helfen ihm die Tiere, mal von seinem Job in einer Funkelektronik-Firma abzuschalten. Schließlich hat er jedes Wochenende vier Stunden lang Honig im Kopf - die Erntephase nicht eingerechnet. Die Zeit braucht er, um seine Völker genau unter die Lupe zu nehmen, etwa nach Parasiten. "Manchmal kann dieses Hobby aber auch Stress verursachen." Dann nämlich, wenn Probleme auftauchen.

Das derzeitige Hauptproblem der Imker hat Steyer gleich in seiner ersten Saison um sämtliche Bienen gebracht: die Varroa-Milbe. Sie lebt als Parasit an der Honigbiene; dabei schädigt sie nicht nur das befallene Tier durch ihren Stich, sondern auch die Brut durch einen Virus, den sie verbreitet. Mit Ameisensäure kann man sie bekämpfen. Doch dabei werden nicht immer alle Milben abgetötet. In Steyers Fall blieben genügend übrig, um seine drei Völker - rund 30.000 Tiere - auszurotten.

Forscher züchten Biene, die Milben bekämpft

Die Regel ist das aber nicht, beruhigt Verbandschef Breuer: "Dass einem alle Völker auf einmal wegsterben, passiert selten." Landesweit lag der Bienenverlust im vergangenen Winter bei 18 Prozent. Sonst war es weniger als die Hälfte. Doch auch wenn Varroa die Hauptursache sei - manche Tiere würden auch wegen der Kälte verenden, sagt Breuer. Bundesweit überlebten 22 Prozent den Winter nicht.

Dass die Milbe selten alle Völker eines Imkers ausrottet, bestätigt auch das Länderinstitut für Bienenkunde im brandenburgischen Hohen Neuendorf. Der Verein wird von den Ländern Sachsen-Anhalt, Berlin, Brandenburg, Sachsen und Thüringen gefördert. "Varroa ist ein großes Problem, aber es ist beherrschbar", sagt der Leiter - passenderweise trägt er den Namen Kaspar Bienefeld. Dafür sei es allerdings wichtig, dass die Behandlung richtig durchgeführt werde. Zudem müsste das Wetter mitspielen. Denn bleibt der Frühwinter mild, steigt die Überlebenschance der Parasiten.

Das Institut forscht derzeit an einer neuen Methode im Kampf gegen die Milbe: Es züchtet eine Bienenart, die befallene Räume erkennt und die infizierten Waben ausräumt. Frank Steyer muss trotzdem vorerst weiter auf Ätzendes aus der Natur setzen. Denn bis die Tiere an Imkervereine weitergegeben werden können, wird es Bienefeld zufolge noch ein paar Jahre dauern.

Mit der Varroa-Milbe hat sich Steyer schon beschäftigt, bevor er sein erstes Bienenvolk einziehen ließ. Er las gleich mehrere Bücher über Imkerei. Damit ist er eher die Ausnahme, sagt Breuer. "Die meisten besuchen einen Neu-Imker-Kurs und legen dann einfach los." Die Nachfrage nach den Kursen, berichtet er, sei ebenso wie die Mitgliederzahl am Steigen. "Vor drei Jahren haben wir sie an vier Standorten angeboten, jetzt sind es sieben." An meist sechs Wochenenden treffen sich die Neulinge zu Theorie und Praxis. Dann lernen sie etwa, wo man Völker aufstellt und welche Ausrüstung man braucht. Für Letztere muss man Breuer zufolge rund 2500 Euro ausgeben. Wer einen Kurs belegt hat, kann aber eine Förderung vom Land beantragen.

Hinsichtlich der Altersstruktur der Teilnehmer berichtet der Verbandschef von einer Veränderung: Unter die Senioren mischen sich immer mehr 40- bis 50-Jährige. So wie Steyer also. Er hat inzwischen auch einen Imkerkurs begonnen, und zwar in Hundisburg (Börde). So will er noch besser gewappnet sein, wenn er sich bald neue Bienen anschafft.

Verfliegen sich Bienen wegen Funkwellen?

Geht man nach dem EU-Wissenschaftsnetzwerk Esac, müsste sich der Magdeburger dann nicht nur in Sachen Milben sorgen, sondern auch wegen Pflanzenschutzmitteln. Die Experten berichteten vor einigen Wochen, für die toten Tiere im Winter seien maßgeblich bestimmte Pestizide verantwortlich. Bienenforscher Bienefeld sieht das weniger dramatisch: "An den Winterverlusten haben sie nur einen geringen Anteil", sagt er.

Auch die Annahme eines Harzer Imkers stützt er nicht. Heinz Bittner aus Blankenburg berichtete kürzlich der Volksstimme, seit sechs Jahren würden viele seiner Bienen verschwinden. Da er 250 Meter von einem Funkturm entfernt wohnt, vermutet er, dass sie sich verfliegen, weil sie von den Signalen gestört werden. "Dazu gab es bereits ein Experiment", sagt Bienefeld. "Es konnte die Annahme nicht bestätigen."

Funk und Milben hin oder her: Selbst wenn auch Steyers neue Schwärme das Zeitliche segnen sollten, ist ihm der Spaß am Hobby sicher. Nicht nur wegen des Honigs - vor ihrem Ableben bescherten ihm die Tiere immerhin fünf Kilo Ernte, die in der Familie ruck-zuck weg waren. Sondern vor allem wegen Emma. Seine elfjährige Tochter hat das Bienen-Fieber auch gepackt. Ob beim Imkerkurs oder später wieder im Garten, sie ist immer dabei.

Und so steht sie auch neben Papa, als er auf dem Schulhof fremde Bienen füttert. Gelassen hält sie das Dach fest, während er die Klumpen drapiert. Woher ihr Interesse rührt, hat Emma mit drei Worten erklärt: "Ich mag Tiere!" Die Bienen haben nur einen Mini-Nachteil, sagt die Gymnasiastin: "Sie lassen sich nicht gut streicheln." Ist aber nicht schlimm. Dafür hat sie ja zu Hause noch Flecki und Möhrchen - zwei Kaninchen.