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Freispruch im Tagesmütter-Prozess "Der Boden unter mir brach weg"

Von Matthias Fricke 25.04.2015, 03:23

Magdeburg l Als die Vorsitzende Richterin Claudia Methling das Urteil verliest, ist keine große Freude in den Gesichtern der ehemaligen Tagesmütter Petra F. (54) und Katrin F. (30) zu sehen. Auch wenn die Kammer sie von allen 89 Anklagepunkten freispricht.

Ihr bisheriges Leben ist trotzdem zerstört. Beide werden weder ihre Einrichtung "Butterblume" in Magdeburg wiedereröffnen, noch wollen sie als Tagesmütter arbeiten. Anwältin Heike Rabenow: "Beim kleinsten blauen Fleck würde alles von vorne beginnen."

Die beiden Tagesmütter sind seither arbeitslos. Tochter Katrin F.: "Der Boden unter mir brach weg am Tag der Schließung unserer mit Liebe aufgebauten Einrichtung. An dem Tag habe ich meine Mama das erste Mal so sehr leiden gesehen." Hinzu kamen persönliche Anfeindungen, "angefangen mit nächtlichen Anrufen bis zu Kratzern am Auto." Mutter Petra F.: "Die `Butterblume`, das Herzstück von mir und meiner Tochter, wurde von Vorwürfen übersät, die nicht der Wahrheit entsprachen."

Doch wie kam es zu all den schweren Anschuldigungen? Zunächst hatte erst die Mutter und später auch die Tochter die Zulassung für die Tagespflege erhalten. Beiden nahmen vorschriftsmäßig an einem sechswöchigen Kurs teil und betreuten von 2009 bis zur Schließung 2012 jeder jeweils bis zu fünf Kinder.

Das Jugendamt kontrollierte regelmäßig. Es gab von vielen Eltern Lob, aber auch an einigen Stellen Unzufriedenheit über die "strengen Erziehungsmethoden". Größere Beschwerden blieben bis dahin aber weitestgehend aus. Eine Praktikantin, die 2011 etwa einen Monat in der Einrichtung arbeitete, schilderte ihrer Mutter, dass die Kinder in der "Butterblume" geschlagen und gestoßen worden wären. Ihnen seien Windeln um die Ohren gehauen worden.

Über zehn Ecken landete die Information beim Jugendamt. Dieses befragte zwei weitere Praktikantinnen, die untereinander befreundet waren und von den Vorwürfen wussten. In den Vernehmungen verstrickten sie sich in Widersprüche. Eine Gutachterin stellte die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen erheblich in Frage. Aus "stiller Post" entwickelte sich außerdem eine emotionale Eigendynamik.

Am Ende blieb für das Gericht höchstens ein sehr "strenger Erziehungsstil" übrig. Der ist aber nicht strafbar. Methling: "Man sollte vielleicht aber über die Qualifikation von Tagesmüttern nachdenken, ob sechs Wochen Schulung wirklich ausreichend sind."

Die Kosten des Verfahrens trägt die Landeskasse. Revision ist noch möglich.