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Braunkohle in Sachsen-Anhalt Öfen aus im Süden?

So energiegeladen ging es im Landtag lange nicht zu: Bei der Debatte um
eine Klimaabgabe für Braunkohlekraftwerke geraten vor allem SPD und
Grüne aneinander. Es geht um die Zukunft einer ganzen Region.

Von Jens Schmidt 25.04.2015, 03:32

Magdeburg l Die Wurzeln des Streits reichen bis Brüssel. Dort hatten sich die EU-Staaten vor einem Jahrzehnt auf ein wirtschaftliches Klimaschutzinstrument geeinigt: Fortan mussten Kraftwerke und Industriebetriebe für jede Tonne Kohlendioxid (CO2) eine Erlaubnis haben. Diese Zertifikate sind handelbar, Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Die Politiker einigten sich auf eine bestimmte Menge an Zertifikaten - deren Menge schrittweise reduziert wird. Effekt: Die CO2-Emissionen sinken. Die Unternehmen entscheiden aber selber, wo sie modernisieren oder wo sie Dreckschleudern stilllegen. Das Problem: Es wurden viel zu viele Erlaubnisse verteilt. Die Bundesregierung spricht von 2 Milliarden Tonnen Überhang. Die Folge: Der Preis ging von gut 20 Euro auf 5 Euro in den Keller. Die CO2-Einsparwirkung verpufft. Damit Deutschland seine hochgesteckten Klimaziele erreichen kann, soll nun eine Extra-Abgabe her. Bezahlen müssten die vor allem Braunkohlekraftwerke, die älter als 20 Jahre sind. Betroffen wären auch Öfen im Süden Sachsen-Anhalts und der Tagebau Profen. Das Kohle-Unternehmen Mibrag hebt die Hände und sieht sich in seiner Existenz bedroht. In Sachsen-Anhalt hängen 4000 Arbeitsplätze von der Kohle ab. Die Bergbau-Gewerkschaft IGBC spricht von bis zu 100 000 Jobs in Deutschland.

SPD-Fraktionschefin Katrin Budde macht in der Landtagsdebatte denn auch klar, was sie von der Abgabe hält: Nichts. Sie redet sich in Rage. "Die Bundesregierung setzt höhere Klimaziele und hat dafür aber keine Lösung. Die Braunkohle plattzumachen und den Osten zu deindustrialisieren, ist jedenfalls nicht der Weg zur Energiewende." Lautes Klopfen bei SPD und CDU. Auswege, Lösungen hat Budde nicht. Ihr zur Seite steht CDU-Fraktionschef André Schröder: "Wir werden diesen Wahnsinn nicht mittragen." Klimaschutz dürfe nicht die Industrienation Deutschland gefährden.

Die heimische Braunkohle sichert die Grundlast, liefert auch Strom, wenn Windparks und Solar wetterbedingt schlappmachen. Alternativen zur Braunkohle sind Steinkohle und Erdgas, die aber importiert werden müssen. Für den großen Durchbruch der Ökoenergie wären Energiespeicher nötig, für die es aber noch keine rentablen großtechnischen Lösungen gibt.

Für die zusätzliche Klimaabgabe richtig erwärmen können sich die Grünen. "Wird der Kohleausstieg nicht eingeläutet, wird es nichts mit der Energiewende", sagt Dorothea Frederking. Der Ausstieg erfolge schrittweise, der Plan der Bundesregierung sei gut. "Die Gewerkschaft macht Panik und verdummt die Menschen." Budde interveniert immer wieder mit Zwischenrufen ("stimmt nicht"). Frederking genervt: "Sie haben keine Lösungen und quatschen mir in meine Rede." (Budde: "Ich quatsche nicht.")

Wirtschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) erinnert an die Klimaschutzleistungen, die das Land bereis erbracht hat: Mit dem Abbau der veralteten DDR-Industrie und dem massiven Ausbau der Windparks sind die CO2-Emissionen im Land seit 1990 um 45 Prozent gesunken. Dafür seien hohe Preise gezahlt worden: Mit dem Verlust vieler Jobs nach der Wende und jetzt - durch die Erneuerbaren - mit den bundesweit höchsten Netzkosten. Möllring skizziert die Folgen der Klimaabgabe: Erst gehen die Kraftwerke Deuben und Wählitz aus. Dann würde sich der Tagebau Profen nicht mehr rentieren, der aber auch das moderne Kraftwerk Schkopau beliefert. Dann fiele auch Fernwärme aus. Zu den Grünen: "Dann müssen Sie mal Tausenden im Burgenlandkreis erklären, warum sie kalt duschen müssen."

Der Grüne Dietmar Weihrich merkt an: "Sachen-Anhalt hat aber bundesweit immer noch mit den höchsten CO2-Ausstoß pro Kopf." Der liegt bei 12 Tonnen. Das deutsche Mittel beträgt 9,5 Tonnen.

Die Linken versuchen, eine Mittelstellung einzunehmen: Klimaabgae nicht verteufeln, mit der Bundesregierung aber über deren Ausgestaltung reden. "Eine kategorische Ablehnung ist nicht zeitgemäß", sagt Angelika Hunger.

Versorger lehnen die Abgabe klar ab. "Nationale Alleingänge bringen nichts", sagt Johannes Kempmann aus der Chefetage der Städtischen Werke Magdeburg und Präsident des Bundesverbands der Energieversorger. "Wenn unsere Kohlekraftwerke nicht mehr laufen, dann kommt der Strom eben aus Polen." Und die machen den bekanntlich vor allem aus Kohle. Um wirklich mehr Klimaschutz zu bekommen, plädiert er dafür, die Zahl der EU-Zertifikate deutlich zu reduzieren, damit deren Preise wieder steigen. Das wird zwar vor allem für die Kohle teurer - "aber es herrrschen dann gleiche Bedingungen für alle."