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Privatschulen werden unzulässig benachteiligt Spitzenjurist attackiert Schulgesetz

Sachsen-Anhalt behindert freie Träger bei der Gründung neuer Schulen und verstößt damit gegen die eigene Verfassung - zu diesem Ergebnis kommt der frühere Landesverfassungsrichter Winfried Kluth.

Von Hagen Eichler 30.04.2015, 03:19

Magdeburg l In einem 46-seitigen Gutachten für den Verband der Privatschulen in Sachsen-Anhalt (VDP) verwirft der Spitzenjurist gleich mehrere Regelungen des Schulgesetzes. Es geht um finanzielle Benachteiligungen privater gegenüber öffentlichen Schulen. Besonders folgenreich ist die sogenannte Wartefrist: Private Schul-Neugründungen müssen die ersten drei Jahre ohne staatliche Zuschüsse überstehen.

Damit verstößt das Gesetz aus Sicht von Kluth gegen die Landesverfassung. "Die Wartefrist ohne jede Ausnahme ist so nicht vertretbar. Sie erschwert unnötig den Markteintritt für neue Angebote", sagte Kluth der Volksstimme. Der Professor für Öffentliches Recht an der Uni Halle war von 2000 bis 2014 Richter am Landesverfassungsgericht und ist Mitherausgeber des Landesrechts.

Sachsen-Anhalts Verfassung räumt freien Schulträgern eine besonders starke Stellung ein. Explizit haben sie Anspruch "auf die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen öffentlichen Zuschüsse". Dass private im Vergleich zu öffentlichen Schulen weniger bekommen, hält Kluth für zulässig - nicht aber die Wartefrist ohne jeden Zuschuss. Verfassungswidrig ist aus seiner Sicht auch, dass sich das Land nicht an Bau- und Mietkosten beteiligt, sowie die Berechnung der Sachkostenzuschüsse.

Der Privatschulverband sieht sich durch das Gutachten bestätigt. "Das sind genau die Punkte, über die wir mit der Politik seit Jahren streiten", sagte Geschäftsführer Jürgen Banse. Er fordert den Landtag auf, noch in dieser Legislaturperiode nach verfassungskonformen Lösungen zu suchen.

Sollte die Wartefrist fallen, hätte das weitreichende Folgen. Rund 20 bis 30 Initiativen pro Jahr versuchen, eine Schule zu gründen - oft, wenn eine öffentliche Schule geschlossen wird. Die meisten Initiativen scheitern an der finanziellen Durststrecke. Der VDP schlägt als Kompromiss vor, nach Überstehen der Wartefrist rückwirkend die Hälfte der Zuschüsse auszuzahlen.

Das Kultusministerium will sich nicht festlegen, ob es Änderungsbedarf sieht. Man prüfe das Gutachten und sei im Gespräch mit den Verbänden, hieß es am Mittwoch.