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Baumwipfelpfad Ein Pfad und zwei Wege in Bad Harzburg

In Bad Harzburg, Westharz, wurde in Rekordzeit ein Baumwipfelpfad gebaut. Morgen ist Eröffnung. In Thale, Ostharz, wird um ein fast bau-gleiches Projekt seit fünf Jahren gestritten. Grund: Der Naturschutzbund agiert in beiden Ländern unterschiedlich.

Von Oliver Schlicht 07.05.2015, 03:19

BadHarzburg l Der Wanderklub macht mit auf der Baustelle. Mit dem großen Vorschlaghammer schlägt Otto Pake den dicken Holzpfosten in den feuchten Untergrund. "Wir helfen, wo wir können", erzählt Alfred Heineke, Vorsitzender vom Harzklub. Zu fünft setzen die Rentner vom Bad Harzburger Verein Schutzgeländer und bringen Schilder an. "Der Pfad wird bestimmt eine tolle Sache für unsere Stadt", schwärmt Heineke.

Der Knall vom Hammer schallt laut durch das Kalte Tal. Doch das ist nichts gegen das Wühlen, Hämmern und Schrauben der Bauleute, die seit Oktober vergangenen Jahres den ersten Baumwipfelpfad des Harzes errichteten. Die zusammen 750 Tonnen schweren Stahlbrücken des 970 Meter langen Hochweges wurden auf einem Parkplatz unten im Ort vormontiert und dann mit dem Autokran eingeschwenkt. In Rekordzeit von nur sieben Monaten wurde das Bauwerk errichtet.

Baumwipfelpfad im Landschaftsschutzgebiet

Der Pfad folgt vom Taleingang unweit der Hauptstraße von Bad Harzburg dem Bachlauf. Markantes Erkennungszeichen ist gleich am Beginn eine riesige stählerne, kreisförmig verlaufende Rampe, auf der auch Rollstuhlfahrer hinauf auf 22 Meter Pfadhöhe kommen. Dieser Koloss dient somit zwar einem löblichen Anliegen. Er wirkt in der lichten Waldumgebung aber etwas kolossal.

So richtig tief in einen Wald führt der Bad Harzburger Baumwipfelpfad ohnehin nicht. Das wäre auch kaum genehmigungsfähig gewesen. Nur 40 Meter am Talrand den Ettersberg hinauf beginnt der Nationalpark. Der Pfad selbst im Tal steht im Landschaftsschutzgebiet. Auch dort gibt es viele verschiedene Baumsorten, die auf dem Pfad erläutert werden.

Im Mittelpunkt steht das Thema "Bäume" bei der Pfadgestaltung aber nicht. Die 33 unterhaltsamen Wissensstationen rund um Harzer Natur- und Brauchtumsthemen sind ganz auf das touristische Zielpublikum zugeschnitten. Einige Beispiele: Per Knopfdruck fauchen elektronisch die Luchse, durch "Holoboxen" werden alte Hohlwege in die Landschaft projiziert, auf denen Kiepenfrauen Holz schleppen. Und ein ortansässiger Schnitzmeister hat riesige Waldfrüchte als Sitzgelegenheiten beigesteuert.

Trauungen auf dem Baumwipfelpfad

"Wir rechnen mit jährlich 100.000 Touristen, die den Pfad besuchen", erzählt Eva-Christin Ronkainen von der kommunalen Marketinggesellschaft "HarzVenture". Sie habe bereits stapelweise Anfragen von Schulklassen und Reisegruppen. Zukünftig soll es Sonnenaufgangs- und Sonnenuntergangstouren geben, Lesungen und Buffets in luftiger Höhe. "Wir prüfen gerade, ob auch Trauungen auf den Plattformen möglich sind", erzählt sie.

Widerstand von Umwelt- und Naturschutzverbänden habe es nicht gegeben. "Die waren in alle Expertenrunden von Beginn an einbezogen und haben das Projekt mitgestaltet", erzählt sie. So gehe zum Beispiel die Stahlkonstruktion auf den ausdrücklichen Wunsch der Naturschützer zurück. Ronkainen: "Stahl ist beständiger als Holz. So halten sich Eingriffe in die Natur später in Grenzen."

"Das stimmt so nicht", beteuert Friedhart Knolle vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Westharz. Er sitzt auch im Vorstand des Naturschutzbundes (Nabu) Goslar. Er sei gegen die Stahlvariante gewesen und habe sich für Holzbrücken starkgemacht. Durchsetzen konnte er sich nicht.

Nabu sperrt sich gegen Baumwipfelpfad

Er habe aber deshalb trotzdem nicht das Projekt gänzlich abgelehnt. Knolle: "Und das hat auch Gründe. Der Pfad dient dem Naturerleben. Er liegt stadtnah bei Bad Harzburg an der richtigen Stelle und vermittelt wichtige Inhalte." Die Naturschutzverbände hätten keinesfalls alle Entscheidungen abgenickt. "Ursprünglich war die Einrichtung eines Cafés im Tal angedacht gewesen. Das ist genauso verhindert worden wie ein näheres Heranrücken des Projektes an die Nationalparkgrenze."

Von der Kompromissbereitschaft der niedersächsischen Naturschutzverbände kann Pamela Groll, Geschäftsführerin der "Seilbahnen Thale Erlebniswelt" GmbH nur träumen. Seit 2010 ist die Geschäftsfrau bemüht, auf der Rosstrappe unweit der Bergstation der Seilbahn in Thale einen ähnlichen Baumwipfelpfad errichten zu lassen. Einen Bauantrag hat sie nie gestellt. Dazu kam es nicht.

Bislang ließ der Nabu in Sachsen-Anhalt nichts unversucht, den Pfad zu verhindern. Alle Bemühungen der Behörden, eine Genehmigung zum Bau des Pfades auf der Ross-trappe zuzulassen, werden angefochten. Pamela Groll mag darüber kaum noch reden. "Es gibt da nichts Neues zu berichten", erzählt sie. "Ich bin im Gespräch mit dem Umweltministerium zum Ankauf von etwa fünf Hektar Landeswald. Die Gespräche laufen gut."

Bebauungsplan für Rosstrappe nötig

Dies bestätigte das Umweltministerium auf Nachfrage. "Wenn rechtliche Klarheit vorliegt und Baurecht gegeben ist, wird das Land das für das Vorhaben notwendige Land verkaufen", so Detlef Thiel, Sprecher des Ministeriums.

Doch die "rechtliche Klarheit" ist auch fünf Jahre nach Beginn der Diskussion um den Thaler Pfad in weiter Ferne. Erste Hürde: Aktuell hat der Nabu einen Widerspruch gegen die Entscheidung des Landkreises Harz eingelegt. Diese lautet: Das Projekt wird vom generellen Bauverbot im Landschaftsschutzgebiet befreit.

Zweite Hürde: Die Stadt Thale muss in einem Bebauungsplan für die Rosstrappe Baurecht schaffen. Thales Bürgermeister Thomas Balcerowski (CDU): "Die Zustimmung im Stadtrat gilt als sicher. Aber der Landkreis hat uns aufgefordert, erst die Entscheidung zum Widerspruch abzuwarten."

"Unsägliche Blockadehaltung"

Dritte Hürde: Der Nabu. Geschäftsführerin Annette Leipelt: "Wir werden mit allen rechtlichen Mitteln gegen diesen Bebauungsplan vorgehen, wenn er so wie jetzt vorliegend beschlossen wird." Vierte Hürde: Die Zeit. Eine solche Normenkontrollklage würde etwa zwei bis drei Jahre bis zur Entscheidung dauern.

Es steht also eher schlecht um das Projekt Baumwipfelpfad in Thale. Die Vorwürfe des Nabu gegen den Pfad: Er störe das Landschaftsbild im sensiblen Naturraum an der Ross-trappe. Der Status des Landschaftsschutzgebietes werde unterwandert. Landeswald dürfe nicht verkauft werden. Der Pfad würde für eine touristische Reizüberflutung sorgen. Er diene nur den Seilbahn-Betreibern als Kundenfang.

Thales Bürgermeister Balcerowski spricht von einer "unsäglichen Blockadehaltung des Nabu". Nabu-Chefin Leipelt kontert: "Es geht nicht um Blockade, sondern um die Durchsetzung von Naturschutz an genau dieser Stelle."