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Angolanerin Juliana Gombe Ehrung für Mama Afrika in Magdeburg

Warmherzig und hartnäckig kümmert sich Juliana Gombe um ausländische Kinder in Magdeburg. So erfolgreich, dass sie bei der Volksstimme-Umfrage zum "Magdeburger des Jahres" 2014 auf den zweiten Platz kam. Am Sonnabend wurde sie erneut geehrt - als Botschafterin für Demokratie und Toleranz im Bundesmaßstab.

Von Steffen Honig 23.05.2015, 03:14

Magdeburg l "Könnten Sie etwas lauter sprechen, Frau Gombe?" Eine ungewöhnliche Frage an die temperamentvolle Afrikanerin. Doch in den Räumen des Internationalen Bundes in Magdeburg, ihrer Arbeitsstätte, unterwirft sie sich deutschen Büroregeln. Erstens möchte sie niemanden stören. Und zweitens Verschwiegenheit wahren: Erst am heutigen Sonnabend wird offiziell gemacht, dass Juliana Gombe aus Magdeburg heute als Toleranz-Botschafterin geehrt wird.

Jugendmigrationsdienst ist der sperrige Begriff für die Aufgabe, der sich Juliana Gombe täglich widmet. Und wenn die gebürtige Angolanerin darüber spricht, ist es mit der Zurückhaltung schnell vorbei. Wozu unbedingt dann und wann ein fröhliches Lachen gehört.

Sie hilft Flüchtlingskindern, sich in einer für sie fremden Welt zurechtzufinden. Dafür ist sie nachmittags unterwegs. Montags werden Breakdance und Fußball angeboten, dienstags ist die 45-Jährige mit ihren Schützlingen in der Stadtbibliothek.

Der Donnerstag ist der Deutsch-Nachhilfe und dem von ihr mitinitiierten Projekt "Toll - Toleranz leben lernen" vorbehalten. Davon erzählt die dreifache Mutter besonders gern. "Die Kinder kommen aus der ganzen Welt. Nur wenn man sich versteht, lassen sich Konflikte lösen. Wir klären Fragen wie: Warum isst jemand kein Schwein oder warum feiert ein anderer nicht Weihnachten?"

Juliana Gombe bemuttert ihre Schützlinge, wo sie kann. So hat sie zwölf Jungs beim Magdeburger Fußballverein Roter Stern Sudenburg untergebracht. "Ich bin natürlich beim Fußball dabei und feuere die Mannschaft an!"

Der Kontakt habe sich 2014 bei einem bundesweiten Fußballturnier für Migranten in Halle ergeben, sagt Karsten Heine, Vorsitzender von Roter Stern. Ihre Durchsetzungskraft sei schon bemerkenswert, findet er, Frau Gombe bleibe am Ball: "Sie hat uns sofort dabei unterstützt, die Jungen beim Verband anzumelden."

Juliana Gombe findet: "Integration beginnt, wo Einheimische etwas dafür tun." Das Klima in Magdeburg sei für Ausländer besser geworden - trotz aller Vorbehalte, wie sie durch den hiesigen Pegida-Ableger auf die Straße getragen werden. "Auch die Politiker in der Kommune haben akzeptiert, dass Deutschland ein Zuwanderungsland ist."

Das war anders, als sie selbst in die Stadt kam im Februar 1996, mit ihrem damaligen Mann und der kleinen Tochter. Wirtschaft und Kommunikation hatten die beiden Afrikaner in Russland studiert und waren dann in die Heimat zurückgekehrt. Dort gaben sie eine Zeitschrift heraus, in der sie Korruption und Diktatur kritisierten. Vor der Rache des Regimes flohen sie nach Europa.

Im fremden Magdeburg stieg Juliana Gombe schließlich in die Flüchtlingshilfe ein, zunächst ehrenamtlich. In der evangelischen Hoffnungsgemeinde, im Eine-Welt-Haus, in der Stadtmission oder im Flüchtlingsrat - sie brachte sich ein. Juliana wollte sich ihren Platz in Magdeburg erkämpfen. Sie findet, dass sie das geschafft hat: "Magdeburg ist heute meine Heimat, mein Zuhause." Juliana Gombe wollte und will nicht still zu bleiben bei Anfeindungen gegen Ausländer, wie sie diese selbst in furchtbarer Weise erlebte. Rechte Schläger verprügelten sie, an Spätfolgen leidet sie bis heute - die Beweglichkeit ihrer Finger ist eingeschränkt. Die beiden damals kleinen Söhne mussten zusehen.

Ihre Kinder zieht Juliana Gombe seit Jahren allein groß. Die Augen beginnen zu strahlen, wenn sie von ihnen erzählt: William (15) und Woody (14) gehen zur Schule, Whitney (21) studiert in Gießen BWL und Fremdsprachen: "Sie kommt aber immer noch gern zur Mama", erklärt Juliana lachend. Die Familie ist ein Anker in ihrem Leben. "Ich bin für sie Mama, Papa, Schwester und Bruder - alles in einem!" Ganz dem Prinzip Mama Afrika entsprechend, nach dem auf Millionen Frauen allein die Last liegt, für die Familien Einkommen und Erziehung zu sichern. "Wir Afrikanerinnen sind stark", sagt Juliana Gombe lächelnd zum Prinzip Mama Afrika, "Männer schaffen das alles oft nicht."

Seit Monaten gibt es in Deutschland eine neue Flüchtlingsdebatte, da die Asylbewerberzahlen neuen Rekordwerten zustreben. Gegen den Ansturm der Verzweifelten auf Europa über das Mittelmeer gibt es für Juliana Gombe vor allem ein Mittel: "Die Menschen brauchen in ihrer Heimat Aufklärung und Unterstützung, wie es durch Entwicklungshilfe geschieht."

Dabei ist sie schnell bei ihrem Heimatland Angola. Das Land an der Westküste Afrikas hat dank des Öl-Booms in den vergangenen Jahren einen kometenhaften wirtschaftlichen Aufstieg hingelegt. Doch in dem autoritär geführten Staat kommt der neue Reichtum nur einer kleinen Elite zugute.

Juliana findet, Politiker aus Europa sollten deshalb die Staatsführung dazu bewegen, sich nicht immer nur um sich selbst zu kümmern, sondern der Bevölkerung eine menschenwürdige Existenz zu ermöglichen. "Veteranen aus dem Bürgerkrieg müssen in Angola auf der Straße leben", beklagt sie. Wohl wissend, dass die Chance auf Verbesserungen gering ist.

Als Kind hat Juliana Gombe erfahren müssen, was Krieg bedeutet. Sie erlebte den Kampf gegen die portugiesische Kolonialherrschaft und den folgenden Bürgerkrieg. Die Obhut eines katholischen Klosters half dem Mädchen, mit den Schrecken fertig zu werden. Der tiefe christliche Glaube ist seither ein nie versiegender Kraftquell für sie.

Die Auszeichnungsfeier in Berlin soll inklusive Rahmenprogramm das gesamte Wochenende umfassen. Leider wird das für Juliana Gombe nichts: Bereits am Sonntagmorgen wird sie nach Magdeburg zurückeilen. Ihr Sohn hat Firmung - ohne die Mama undenkbar.