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Lehrlinge aus Sachsen-Anhalt Einmal England und zurück

Bei der Arbeit englisch sprechen, ein fremdes Land, eine neue
Herausforderung - Auslandsaufenthalte sind nicht nur was für Studenten.
Ein Azubi auf Sachsen-Anhalt wagt die England-Erfahrung.

Von Doreen Hoyer 23.05.2015, 01:16

Sangerhausen (dpa) l Was heißt Leitungsschlüssel auf Englisch? Max Georgius braucht das Wort, um den britischen Kollegen in der Autowerkstatt sagen zu können, welches Werkzeug er sucht. Leitung heißt pipe, Schlüssel heißt key. Also pipekey? Max versucht es.

Die englischen Kollegen schauen erst verwirrt, dann lachen sie. Nein, Leitungsschlüssel heißt auf Englisch wrench oder spanner. "Solche Fachausdrücke lernt man nicht im Unterricht. Das habe ich in England schnell nachgeholt", erinnert sich Max. Wie der 19-Jährige sind nach Angaben der Handwerkskammer Halle in den vergangenen drei Jahren rund 70 Azubis aus Sachsen-Anhalt für eine Zeit ins Ausland gegangen.

Fünf Monate Vorbereitung auf England

Max Georgius macht eine Ausbildung zum Kraftfahrzeug-Mechatroniker beim Fahrzeughersteller MAN in Sangerhausen. Vor einem Jahr unterbrach er seinen deutschen Arbeitsalltag für ein Praktikum in England. Damit ist Max nicht allein. Die meisten Azubis zieht es fürs Auslandspraktikum nach Großbritannien oder nach Irland. Im Schnitt bleiben sie drei bis vier Wochen im Gastbetrieb. Von der Möglichkeit machten angehende Bürokauffrauen ebenso Gebrauch wie Metallbauer, Zahntechniker und Kfz-Mechatroniker wie Max.

Er arbeitete einen Monat in einem Unternehmen in Exeter im Südwesten Englands. Während dieser Zeit wohnte er bei einer Gastfamilie. Auslandsaufenthalte seien nicht nur etwas für Studenten, sagt Max. "Auch Azubis können dabei viel lernen."

Bevor das Abenteuer England begann, musste einiges geregelt werden. Max wurde dabei vom MAN-Betriebsratsvorsitzenden Tino Honsa unterstützt. "Die Vorbereitung hat fünf Monate gedauert", sagt er. Honsa informierte sich bei der Handwerkskammer über Austauschprogramme, regelte Versicherungsfragen bei der Berufsgenossenschaft und der Krankenkasse. Außerdem stellte er sicher, dass Max in England weiter von seinem deutschen Arbeitgeber bezahlt wurde. Der 19-Jährige und ein Azubi-Kollege waren die ersten, die Honsa ins Ausland schickte.

Sprache als Knackpunkt

Es gibt mehrere Programme, die Auslandspraktika vermitteln. Max kam über das "Leonardo da Vinci"-Projekt nach Exeter. Mittlerweile wurde das durch "Erasmus+" abgelöst, ein Programm, das von der Europäischen Union gefördert wird und über ein Budget von fast 15 Milliarden Euro verfügt. Azubis für einige Wochen in ein fremdes Land zu schicken, sei auf jeden Fall sinnvoll, sagt Honsa. "Zum einen erweitert es den Horizont der jungen Leute und verbessert ihre Sprachkenntnisse." Zum anderen seien Praktika in England und anderswo ein gutes Werbemittel, um qualifizierte Bewerber für die Ausbildungsplätze zu finden.

Die Sprache war für Max der Knackpunkt beim Projekt Auslandspraktikum. "Englisch war in der Schule noch nie mein Lieblingsfach", erinnert sich der 19-Jährige. Er hatte Zweifel, ob er in England zurechtkommen würde. Er belegte einen einwöchigen Intensivkurs. Später kamen Fachvokabeln wie das Wort für Leitungsschlüssel dazu. Neben vielen neuen Ausdrücken lernte der Azubi in Exeter auch, dass die Uhren in englischen Werkstätten etwas anders ticken. "Der Arbeitsalltag ist um einiges ruhiger, alle sind sehr entspannt."

Natürlich verbrachte der 19-Jährige seine vier Wochen im Ausland nicht nur auf der Arbeit. Seine Gasteltern hätten ihn sehr herzlich aufgenommen und ihm die Gegend gezeigt, erinnert er sich. Eigentlich wollten sie die Devon County Show besuchen, eine Art Jahrmarkt. Die fiel 2014 wegen schlechten Wetters aus - laut Max zum ersten Mal in 200 Jahren. "Dann gehe ich da eben beim nächsten Mal hin", sagt der 19-Jährige. Nach der Ausbildung würde er gern wieder für einige Zeit ins Ausland gehen - nach Australien oder zurück nach England.