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Hötensleberin soll Sozialkassen 1,7 Millionen Euro vorenthalten haben Großbetrug mit illegalen Arbeitern

Am Landgericht Magdeburg hat am Dienstag ein Millionen-Prozess begonnen.
Eine Baufirma aus Hötensleben (Landkreis Börde) soll Dutzende
Bauarbeiter aus Polen und Montenegro schwarz-beschäftigt haben.

17.06.2015, 01:13
Der seit Januar geltende Mindestlohn und höhere Sozialabgaben gelten als Faktoren, die die Schwarzarbeit befeuern könnten. Foto: Ralf Hirschberger/Symbolbild
Der seit Januar geltende Mindestlohn und höhere Sozialabgaben gelten als Faktoren, die die Schwarzarbeit befeuern könnten. Foto: Ralf Hirschberger/Symbolbild dpa-Zentralbild

Magdeburg l Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft sind massiv: Zwischen 2005 und 2007 soll eine 51-jährige Bauunternehmerin durch Schwarzarbeit einen Millionenschaden angerichtet haben. Sie soll den Sozialkassen insgesamt rund 1,7 Millionen Euro vorenthalten (u. a. Beiträge für die Krankenversicherung) und mehr als 350.000 Euro Lohnsteuer nicht abgeführt haben. Die Frau aus dem Landkreis Börde legte zum Prozessauftakt am Landgericht Magdeburg ein Geständnis ab. Sie bezeichnete ihr Vorgehen als "Dummheit".

Die insgesamt 68 Taten wurden durch ein höchst fragwürdiges Geschäftsmodell in die Wege geleitet. Ein alter Studienfreund hatte der 51-Jährigen drei Bauleiter vermittelt: einen Polen und zwei Montenegriner. Diese zogen für die Firma Großaufträge im Betonbau an Land, etwa für Biogasanlagen. "Ich selbst hätte diese Aufträge nie bekommen", sagte die Angeklagte.

Bauarbeiter aus Polen und Montenegro

Jeder der drei Bauleiter brachte aus seinem Heimatland Dutzende Arbeiter mit auf die Baustellen - offiziell angemeldet hatte die Firma jedoch nur einen Teil der Arbeitskräfte. Die Details der Zahlungsströme wurden am ersten Prozesstag nicht bekannt. Einen Teil des Gewinns zahlte die 51-Jährige den Bauleitern jedoch offensichtlich bar aus, die wiederum ihre Leute entlohnten.

Zu Beginn der Verhandlung hatte die Angeklagte dies noch bestritten. Doch nach ausführlicher Befragung durch den Vorsitzenden Richter der Wirtschaftsstrafkammer, Gerhard Köneke, gab die 51-Jährige zu, dass ihr klargewesen sei, dass die bezahlten Leistungen auf den Baustellen nicht mit ihren offiziell angestellten Arbeitern geleistet worden sein können.

In Jeans und Fleecejacke im Gerichtssaal erschienen

Während der Beweisaufnahme wurde außerdem das dokumentarische Chaos in der Baufirma bekannt: Zahlungsvorgänge vermerkte die Angeklagte auf losen Papierblättern und in ihrem Kalender. In die Bücher wurden falsche Rechnungen zur Korrektur eingeheftet.

Die Frau aus Hötensleben hat an dem Betrug nicht sonderlich viel verdient. Sie sagte: "Ich hatte pro Monat so 2000 Euro für mich." Nachdem die Bauleiter ihr die Zusammenarbeit aufgekündigt hatten, blieben die Aufträge aus. 2008 musste die 51-Jährige Privatinsolvenz anmelden, heute lebt sie von Hartz IV. Die zierliche Frau war in Jeans und Fleecejacke zum Prozess erschienen. Ihren Pflichtverteidiger Carsten Schneider hatte sie erst wenige Minuten vor der Verhandlung kennengelernt.

Der 51-Jährigen droht eine Haftstrafe. Die Verteidigung will eine Bewährungsstrafe erreichen. Ein Verständigungsversuch mit der Staatsanwaltschaft war am Dienstag nicht erfolgreich. Der Prozess wird am 1. Juli fortgesetzt.