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Raubkopierer-Affäre Ein freundlicher Bericht vom Sonderermittler

Der Rechtsausschuss des Landtags befasst sich am Freitag mit der Raubkopierer-Affäre im Oberlandesgericht (OLG) Naumburg. Das Justizministerium hat in dieser Angelegenheit einen Sonderermittler eingesetzt. Dessen Abschlussbericht, als vertraulich eingestuft, liegt vor. Er bringt nur wenig neue Erkenntnisse.

Von Michael Bock 18.06.2015, 03:10

Naumburg/Magdeburg l Ausgerechnet im obersten Gericht Sachsen-Anhalts soll der dortige IT-Experte mindestens von Oktober 2010 bis März 2013 den Dienstcomputer privat genutzt haben. Ihm wird vorgeworfen, in seiner Arbeitszeit Tausende CDs und DVDs (Filme, Musik, E-Books) illegal kopiert und gebrannt zu haben. Dabei hatte er Helfer. Die Staatsanwaltschaft Halle ermittelt seit 2013 gegen drei Bedienstete des Oberlandesgerichts. Ihnen wird ein Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz zur Last gelegt.

Im Januar 2015 berichtete die Volksstimme exklusiv über diese Vorgänge. Im März schaltete Justizministerin Angela Kolb (SPD) Dirk Nebel ein. Der Ministerialdirigent aus dem Kultusministerium bekam den Auftrag, den "Missbrauch dienstlicher EDV für private Zwecke im Oberlandesgericht Naumburg" zu untersuchen. Jetzt liegt der Abschlussbericht vor.

Kündigung vor Bundesarbeitsgericht

Waren noch andere Mitarbeiter des OLG in die Raubkopierer-Affäre verwickelt? Nebel hat die Mitarbeiter dazu befragt. Offenbar in recht freundlicher Atmosphäre. Jedenfalls durfte jeder Mitarbeiter den später verschriftlichten Text korrigieren oder auch ergänzen. Der Ermittler fand jedenfalls - wenig überraschend - keine Anhaltspunkte dafür, dass es im OLG einen regen Austausch von Raubkopien gegeben hat.

Nebel hält auch den möglichen Verdacht für unbegründet, dass OLG oder die Justiz versucht hätten, den im März 2013 festgestellten Missbrauch dienstlicher IT-Technik ganz oder teilweise intern zu behandeln oder sogar zu verdecken. Das OLG hatte den Computer-Fachmann im April 2013 rausgeworfen. Nach der Kündigung folgten Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht Halle und dem Landesarbeitsgericht. Beide Gerichte erklärten die Kündigung für unwirksam. Das OLG hat inzwischen Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt.

In den Verhandlungen zeigten sich Arbeitsrichter erstaunt, dass im obersten Gericht des Landes der erhebliche Umfang privater Nutzung von dienstlichen Ressourcen so lange unentdeckt geblieben sein soll. Die Arbeitsrichter schätzten die Lage deutlich kritischer ein als jetzt der Sonderermittler. Im OLG hätten fast alle Bediensteten einschließlich der Richterschaft offenbar von der Tätigkeit des IT-Experten profitiert. Dem Computer-Mann habe deshalb möglicherweise wie vielen anderen, auch richterlichen Bediensteten, das Unrechtsbewusstsein gefehlt.

OLG-Mitarbeiter wussten Bescheid

Das Oberlandesgericht hat etwa 140 Mitarbeiter. In der Raubkopierer-Affäre wurden auf Druck des Justizministeriums erst Anfang dieses Jahres alle Bediensteten schriftlich befragt - obwohl schon 2013 im Zuge der Affäre die Namen von OLG-Mitarbeitern aufgetaucht waren. Das hält auch Sonderermittler Nebel für "nicht nachvollziehbar". Eine zeitnahe Befragung hätte der "Aufklärung und Transparenz der Vorgänge im Oberlandesgericht dienen" können, konstatiert er in seinem Bericht.

Bei Befragungen in diesem Jahr gaben dann Mitarbeiter erstmals zu, von den Raubkopien gewusst zu haben. Eine damalige Referatsleiterin gab an, den damaligen Geschäftsleiter bereits 2010/2011 informiert zu haben. Das geht aus einem internen Bericht des OLG vom Februar dieses Jahres hervor. Zudem hätten sechs Bedienstete angegeben, DVDs und CDs erhalten zu haben. Auch Richter räumten ein, Nutzen aus der Tätigkeit des IT-Mannes gezogen zu haben.

Es handele sich aber nur um "Einzelfälle", heißt es im OLG-Bericht. Es gebe keine Belege dafür, dass Angehörige des OLG "flächendeckend" von den pflichtwidrigen Tätigkeiten des IT-Mitarbeiters profitiert hätten.