1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Stendal sortiert sich neu

Kommunalwahlen Stendal sortiert sich neu

Wahlpannen in der Verwaltung, fast 1000 gefälschte Stimmen - die Kommunalwahl vom Mai 2014 hat Stendal eine Menge Negativschlagzeilen eingebracht. Am Sonntag geht es in der größten Stadt der Altmark um einen politischen Neustart.

19.06.2015, 01:17

Stendal l An den Straßenrändern der Hansestadt ist derzeit am stärksten die CDU präsent. Auf etlichen Großflächen werben die Christdemokraten mit ihren Kandidaten für ein "Starkes Stendal". Amtsinhaber Klaus Schmotz setzt für die parallele Oberbürgermeisterwahl auf den Slogan "Damit Stendal stark bleibt". Auf den zahlreichen Plakaten an den Laternenmasten findet sich bei ihm das Parteikürzel nur klein und fast versteckt in der oberen rechten Ecke.

Die Christdemokraten stellen seit 14 Jahren den Oberbürgermeister und sind auch die stärkste Fraktion im 40-köpfigen Stadtrat. Die CDU will den Chefsessel im Rathaus wieder erobern und stärkste politische Kraft bleiben. Vor etwas mehr als einem Jahr hätte daran kaum jemand gezweifelt. Doch in zwei Tagen könnte es auch etwas anders kommen.

Wahlskandal ohne personelle Konsequenzen

Sachsen-Anhalts größter Wahlskandal hält die Hansestadt seit einem Jahr in Atem. Rund 160 Briefwahl-Vollmachten sind im Mai 2014 nach Erkenntnissen der Stendaler Staatsanwaltschaft gefälscht worden. Sie ermittelt gegen den ehemaligen CDU-Stadtrat Holger Gebhardt und zwölf Personen aus seinem persönlichen und politischen Umfeld. Diese hatten damals 189 Briefwahl-Vollmachten im Rathaus eingereicht und dafür auch die Wahlunterlagen bekommen. Stadtwahlleiter Axel Kleefeldt musste einräumen, dass die Regelung, dass eine Person maximal vier Vollmachten einreichen konnte, nicht beachtet worden war.

Für manchen Stendaler ist unverständlich, dass dies im Rathaus keine personellen Konsequenzen gehabt hat. Darauf setzen beim Urnengang am Sonntag nicht zuletzt die Oberbürgermeister-Kandidaten Katrin Kunert und Reiner Instenberg. Die regionale Bundestagsabgeordnete der Linken wirbt mit "Für einen Neuanfang in Stendal". Sozialdemokrat Instenberg, seit 25 Jahren Fraktionsvorsitzender, betont: "Ein Wechsel ist überfällig."

Vor einem Jahr wäre bei der Oberbürgermeisterwahl allenfalls spannend gewesen, ob Klaus Schmotz seine 68,4 Prozent von vor sieben Jahren noch einmal überbieten kann. Der 63-Jährige war auf dem Volksstimme-Forum defensiv und tippte dieses Mal auf 50,1 Prozent für sich. Viele in der Stadt erwarten jedoch, dass die 50-Prozent-Marke am Sonntag nicht durchbrochen wird und es am 5. Juli zu einer Stichwahl kommt. Die spannende Frage ist derzeit, wer in diesem Fall dann von den beiden Herausforderern die Nase vorn hat und ins direkte Duell mit Schmotz gehen kann.

134 Kandidaten zur Wahl

Der 63-jährige Amtsinhaber zögerte lange, ob er eine dritte Amtszeit anstrebt. Seine Parteifreunde setzen angesichts des Gegenwindes durch den Wahlskandal auf ihn als Leuchtturm. Reiner Instenberg hatte im Januar als Erster seinen Hut in den Ring geworfen und dabei auf ein parteiübergreifendes Bündnis gesetzt. Ins Boot bekam er dafür allerdings nur Grüne und Piraten. Die Linke sorgte im April für einen Coup, indem sie mit Katrin Kunert ihre bekannteste und populärste Politikerin für den Chefsessel im Rathaus aufbietet.

Die Partei führt in diesen Tagen den offensivsten Wahlkampf und spielt auf Angriff. Die zweitälteste politische Kraft in der Stadt möchte an der CDU vorbeiziehen und bietet dafür 37 Kandidaten auf - 14 mehr als im Mai 2014. Zumindest auf dem Wahlzettel liegt sie damit vorne, denn die CDU kann dieses Mal nur auf 31 Bewerber zählen. Vor einem Jahr waren es noch 35.

Auch SPD, Grüne und Piraten treten mit einer verstärkten Mannschaft an. Der Wahlskandal hat zumindest die Parteien mobilisiert: 124 Kandidaten bewerben sich um einen Sitz. So viele gab es nach der ersten freien Kommunalwahl 1990 in der Stadt nicht mehr. 2014 waren es 104. Erstmals tritt auch die AfD mit zwei Kandidaten an. Ob die rund 34.000 Wahlberechtigten mobilisiert werden können und wie sie sich dann entscheiden, wird sich am Sonntag zeigen.

Juristisches Wahl-Nachspiel

Bis auf die CDU sind alle Parteien im Straßenwahlkampf aktiv. Sie machen dabei unterschiedliche Erfahrungen - von einer "Jetzt erst recht"-Mentalität über Desinteresse bis hin zur Verweigerung. Bei der Briefwahl registrierte die Stadt bislang eine ähnliche Beteiligung wie vor einem Jahr. Die Rathaus-Mannschaft ist hier verstärkt worden, um eine neuerliche Panne auszuschließen.

Dennoch gibt es bereits jetzt ein juristisches Nachspiel für diese Wahl. Die FDP hatte Unterlagen für einen Kandidaten eingereicht, der aber gar nicht nominiert worden war. Die Freien Demokraten sprechen von einem Versehen und konnten durch eine Korrektur erreichen, dass der Wahlausschuss 17 Bewerber zugelassen hat.

Bereits jetzt liegen drei Strafanzeigen vor. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Wahlfälschung und falscher eidesstattlicher Versicherungen. Möglicherweise wird deswegen aber nach der Wahl auch deren Ergebnis angefochten.