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Tag des Schlafes Für Manche ist der Mittagsschlaf tabu

Am Sonntag ist der "Tag des Schlafes". Trotzdem ist unsere Nachtruhe noch weitgehend unerforscht. Ein Schlafforscher verrät, warum ältere Menschen keinen Mittagsschlaf machen sollten, was beim Einschlafen hilft und wie viel Schlaf eigentlich gesund ist.

Von Sophie Piper 19.06.2015, 18:05

Wie viel Schlaf ist perfekt?
Letztendlich ist es von Mensch zu Mensch unterschiedlich, wie viel Schlaf er braucht. Es wurde wissenschaftlich erwiesen, dass Schlaf unter sechs und über neun Stunden mit einer erhöhten Sterblichkeitsrate einhergeht. Dann steigt das Risiko einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Warum, weiß man nicht genau. Wir wissen noch nicht einmal, wozu Schlaf eigentlich zuständig ist. Evolutionär gesehen ist Schlaf lebensgefährlich. Deswegen haben Tiere Strategien entwickelt, um den Schlaf gewährleisten zu können, aber nicht dabei zu sterben. Delfine zum Beispiel schlafen nur mit einer Gehirnhälfte, mit der anderen schwimmen sie.

Ändert sich unser Schlafbedarf im Laufe des Lebens?
Kinder brauchen mehr Schlaf als Erwachsene. Wieviel, das hängt vom Alter ab. Kinder, die vor 21 Uhr ins Bett gehen, haben eine höhere Chance, das Abitur zu schaffen als die, die erst später Schlafen gehen. Das liegt daran, dass das Ende des Schlafes durch den Wecker oder die Eltern, die zur Arbeit müssen, festgelegt ist. Kindergartenkinder sollten neun bis elf Stunden schlafen. Je älter ein Mensch wird, desto mehr nähert er sich später wieder dem Schlafbedarf eines Neugeborenen an. Babys schlafen durchschnittlich nicht mehr als vier Stunden am Stück. Einen ähnlichen Rhythmus haben 70- oder 80-Jährige. Es fällt vielen schwer, das zu akzeptieren.

Inwiefern?
Ich erkläre meinen Patienten ab 60 Jahren immer, dass ihnen pro Tag nur ein Schlafkonto von circa sechs Stunden zur Verfügung steht. Nicht selten kommen Patienten zu mir und wundern sich, warum sie dann abends nicht mehr einschlafen. Doch jedes Mittagsschläfchen geht von diesem Konto bereits ab. Eine Patientin äußerte neulich ihre Bedenken, was die Nachbarn denn denken könnten, wenn bei ihr nachts noch Licht an ist. Das sind gesellschaftliche Zwänge, von denen man sich befreien muss.

Gibt es einen Unterschied im Schlafverhalten zwischen Männern und Frauen?
Jeder Mensch schläft individuell anders, trotzdem gibt es auch geschlechtliche Unterschiede. Viele Frauen haben mit dem sogenannten "Ammenschlaf" zu kämpfen. Das bedeutet, dass Frauen alleine dadurch wach werden, dass das Kind unregelmäßig atmet. Frauen schlafen generell nicht so tief wie Männer und sind prädestiniert dafür, an Schlaflosigkeit zu leiden.

Was beeinflusst unseren Schlaf?
Wenn wir körperlich ausgelaugt oder geistig müde sind. Wobei das letztere in unserer Gesellschaft verbreiteter ist. Sie können aber massiv Ihre Schlafqualität verbessern, wenn Sie drei Mal in der Woche 20 Minuten ziellos spazieren gehen. Wobei ziellos das Wort ist, auf das es ankommt: Dazu zählt nicht, wenn wir zu Fuß zum Einkaufen oder von der Arbeit nach Hause gehen. Außerdem beugt 20 Minuten spazieren gehen vielen Krankheiten wie Diabetes, Gelenkbeschwerden, Depressionen oder Herzkrankheiten vor.

Es heißt, nach 20 Minuten Schlaf fühlt man sich wieder fit und ausgeruht.
Ja, das sogenannte Power Napping ist nur zu empfehlen. Wichtig ist, dass man nicht in die Tiefschlafphase abgleitet. Andernfalls ist man geräderter als vorher. Genauso verhält es sich auch nachts, wenn man die Wahl hat, durchzumachen oder ein Power Napping zu machen. Schafft man es nicht, nach kurzer Zeit wieder aufzustehen und schläft stattdessen einige Stunden, fühlt man sich beim Aufstehen wie betrunken. Übrigens: Eine Nacht durchzumachen kommt 0,5 Promille gleich, man ist in der Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit massiv eingeschränkt.

Was sind Träume?
Träume entstehen durch ganz kurze Gedanken. Während des sogenannten Brainwash Outs, dem Entmüllen den Gehirns, kommen die Neurotransmitter an den Synapsen, den Kontaktstellen der Nervenzellen, vorbei und lösen noch einmal Sinnesempfindungen aus. Es gibt die Theorie, dass Träume reine Zufallsprodukte sind, die entstehen, wenn Sinnesempfindungen wieder in einen Zusammenhang gebracht werden. Und wir träumen nicht, wenn das nicht passiert. Das widerspricht aber der Theorie, dass Träume eine Möglichkeit sind, unterschiedliche psychologische Verhaltenssituationen auszuprobieren und zu durchdenken.

Es heißt ja, man träumt, weil einem so viele Dinge durch den Kopf gehen.
Genau. Sie verarbeiten etwas im Traum, was Sie am Tage beschäftigt. Ich träume beispielsweise immer wieder, dass ich mein Abitur schreiben muss und an Dingen scheitere wie der Raumsuche. Dabei weiß ich doch eigentlich, dass ich studiert habe, Arzt bin und mittlerweile arbeite. Aber was beim Träumen genau passiert und warum wir träumen, darüber streiten sich die Schlafforscher.
Wir träumen also nicht die ganze Nacht hindurch?
Nein. Es ist schwierig, das zu erforschen. Ein komplexer Traum dauert in Wirklichkeit nur Millisekunden. In einem Ton des Weckers können Sie einen ganzen Traum träumen. Das Gebiet der Traumforschung ist sehr komplex.

Kann man Träume steuern?
Es gibt sogenannte Klarträume. Dabei sind sich die Schlafenden bewusst, dass sie träumen und ihr Handeln im Traum beeinflussen. Ich kann zum Beispiel im Schlaf Klavier spielen, aber in Wirklichkeit habe ich dafür kein Talent.

Wie sieht es mit Albträumen aus?
Albträume können beim posttraumatischen Belastungssyndrom entstehen, zum Beispiel bei Soldaten. Eine über 80-jährige Patientin von mir hat als Vierjährige erlebt, dass der Todesmarsch durch ihr Dorf kam und dabei Menschen erschossen wurden. Über Jahrzehnte hat sie das Erlebte verdrängt, jetzt kommt es hoch. Albträume beeinflussen massiv die Schlafqualität. Oft fühlt man sich dann besonders gerädert nach der Nacht. Natürlich können intensive und lebensnahe Träume aber auch unseren Tagesablauf beeinflussen.

Hat sich unser Schlafverhalten über die Zeit verändert?
Die Erfindung des elektrischen Lichts hat unseren Tag verlängert, sodass die Menschen länger arbeiten konnten. Durch die blauen LEDs, die in nahezu allen farbigen Displays, Smartphones, Flachbildschirmen verarbeitet sind, sind wir einer vermehrten Blaulicht-Exposition ausgesetzt. Je mehr Blaulicht der Körper erhält, desto mehr bekommt er das Signal "Es ist Tag, sei wach". Schaut man bis um ein Uhr nachts fern, ist der Körper nicht darauf getrimmt, sofort zu schlafen.

Wie wirkt sich Schichtarbeit auf das Schlafverhalten und die Gesundheit aus?
Wer mehr als sieben Jahre im Schichtdienst arbeitet, der hat ein höheres Risiko an Schlaganfällen, Herzinfarkten, Diabetes oder Adipositas zu erkranken. Allein durch Schichtarbeit wird man dick. Kinder, die diesem wechselnden Tag-Nacht-Rhythmus angepasst werden leiden auch darunter. Daher ist es eigentlich für Menschen jeden Alters gut, wenn sie einen regelmäßigen Tagesablauf haben, in den acht Stunden Schlaf mit inbegriffen sind. Das bedeutet zum Beispiel, dass sie jeden Abend um 22 Uhr ins Bett gehen und um 6 Uhr morgens aufstehen.

Meine Patienten kommen aus zwei Gründen zu mir: Erstens, weil sie durch andere Krankheiten bedingt zu viel schlafen. Die anderen kommen aufgrund von Schlaflosigkeit. Dabei haben letztere oft eine zu hohe Erwartung vom Schlafen: Mit 80 Jahren schläft man beispielsweise nicht mehr acht Stunden am Stück durch. Außerdem bringt man über Jahrzehnte seinen Tag-Nacht-Rhythmus durcheinander. Wenn man dann wieder acht Stunden durchschlafen möchte, muss man vor allem seinen Tag-Nacht-Rhythmus wieder in den Griff kriegen. Der Körper braucht einen hormonellen Vorlauf, um sich auf das Schlafen einzustellen und das Gleiche, um sich wieder aufzuwecken. Da richtet sich der Körper immer noch nach der Sonne.

Wie ist das dann im Winter?
Im Winter sind wir durch die vermehrte Dunkelheit generell müder. In der Netzhaut unserer Augen haben wir besondere Zellen, die mit dem bildlichen Sehen an sich nichts zu tun haben. Sie nehmen blaues Licht wahr, darüber steuert die Sonne unseren Tag-Nacht-Rhythmus. Dort, wo sich unsere Augennerven sich kreuzen, befindet sich ein Bündel von Nervenzellen, das über das Licht gesteuert wird. Sie müssen sich das so vorstellen: Jede Zelle unseres Körpers ist wie eine tickende Quarzuhr. Und dieses Bündel von Nervenzellen, der Nucleus suprachiasmaticus, ist die Funkuhr, die an alle anderen Zellen im Körper Korrekturen sendet.

Sollte man bei Dauermüdigkeit gleich zum Arzt gehen?
Wer dauermüde ist, sollte sich erst einmal ausschlafen. Geht man gleich zum Arzt, ist die Standardfrage: Wann hatten Sie das letzte Mal länger als 14 Tage Urlaub? Haben sich Ihre Beschwerden in der dritten Woche gebessert? Doch bevor man zum Arzt geht, sollte diese Dauermüdigkeit mindestens zwei, drei Monate bestehen.

Was könnten Gründe dafür sein, dass man dauermüde ist?
Ein Grund dafür könnte das Schlafapnoe-Syndrom sein, das heißt, dass man während des Schlafes aufhört zu atmen. Um nicht zu ersticken, weckt der Körper einen unbewusst auf. Dieses abwechselnde Aufwachen-Luftholen-Einschlafen setzt sich die ganze Nacht über fort, ist aber nie erholsam. Dadurch ist man am nächsten Morgen wie gerädert.

Man selbst bekommt es allerdings nicht mit, wenn man aufwacht, der Partner jedoch schon. Ich hatte schon Patienten hier im Schlaflabor, die nachts von ihrer Partnerin reanimiert wurden, weil sie bis zu zweieinhalb Minuten keine Luft geholt haben. Eine Langzeitfolge kann zum Beispiel sein, dass man sich nicht mehr auf neue Situationen einstellen kann, "altersstarrsinnig" wird. Außerdem steigt auch hier das Risiko für Herzerkrankungen an.

Kann man Apnoe behandeln?
Ja, Apnoe wird im Schlaflabor diagnostiziert und therapiert. Der Patient anschließend muss Nacht für Nacht eine Maske tragen. Das Gerät hält mit Luftdruck die Atemwege auf.

Ist es normal, dass man ab und zu nicht schlafen kann?
Ja, es gibt Phasen, in denen man einfach nicht schlafen kann. Das kann auch mal vier Wochen dauern. Aber das muss man akzeptieren, das gehört dazu. Hinterher kann man meistens wieder besser schlafen.

Was kann man tun, wenn man sich ewig hin- und her wälzt und einfach nicht einschlafen kann? Gibt es da bestimmte Tipps und Tricks?
Hier gilt: Wer lange liegt, liegt lange wach. Irgendwann holt sich der Körper den Schlaf, den er braucht. Meistens ist das nur später, als der Mensch das erwartet. Wenn man länger als 15 Minuten wach im Bett liegt und merkt, dass man nicht einschlafen kann, sollte man das akzeptieren und sich keine Sorgen machen. Man sollte aufstehen und irgendetwas machen, das einen ablenkt. Man sollte aber nicht losziehen und Bruce Willis-Filme gucken! (lacht)

Ansonsten kann man es natürlich auch mit warmer Milch mit Honig oder einem warmen Bierchen probieren. Baldrian hilft auch. Es gibt allerdings immer noch kein gutes Schlafmedikament. Es existieren zwar sogenannte Z-Medikamente mit einer Wirkungsdauer von zwei bis drei Stunden, die körperlich nicht abhängig machen, aber alle anderen Mittel zerstören die Schlafstruktur.

Das bedeutet, dass man nur noch den Leichtschlaf hat und dieser trotzdem nicht erholsam ist. Am nächsten Tag fühlt man sich wie betrunken. Zur Not kann man natürlich auch Gedankenstopp-Übungen vom Psychotherapeuten oder autogenes Training machen.

Der Einsatz von Schlafmitteln ist also nicht ratsam?
Bei regelmäßiger Einnahme besteht das Risiko der Abhängigkeit von den Medikamenten. Man gelangt irgendwann zur selbsterfüllenden Prophezeiung: Wenn man sich hinlegt und denkt, ich kann ohne Mittel nicht schlafen, kann man es auch nicht. So schließt sich der Kreis. Es gibt aber Möglichkeiten, die Dosierung herunterzustufen.

Vielen Menschen kommen gerade beim Einschlafen die besten Ideen.
Woran liegt das?
Dieser Schlaf-Wach-Übergang ermöglicht ein anderes Denken, das in den Assoziationen viel freier ist als das Denken, das wir im normalen Tagesverlauf haben. Dadurch sind wir viel kreativer. Das spielt auch wieder mit den Träumen zusammen, die eine Möglichkeit sind, verschiedene Handlungsweisen durchzuspielen. Auch Menschen, die entgegen dem normalen Tag-Nacht-Rhythmus arbeiten, kommen in dieser Phase auf völlig andere Ideen als am Tag. Obwohl es empfehlenswert ist, diese Ideen am nächsten Tag noch einmal anzusehen und gegebenenfalls zu revidieren. (lacht)

Stimmt diese These, dass es hilft am Tag vor einer Prüfung noch ein Buch unter das Kopfkissen zu legen, um es sich besser merken zu können?
Bei mir hat es funktioniert (lacht). Es geht darum, woran man den letzten Gedanken des Tages verschwendet. Hat man vor dem Zubettgehen an nichts anderes mehr als einen Lerninhalt gedacht, geht dieser über Nacht ins Langzeitgedächtnis über. Mein fünfjähriger Sohn hat vor kurzem Fahrradfahren gelernt und hatte Probleme, so viele Abläufe auf einmal hinzubekommen. Aber am nächsten Tag konnte er es! Denn während des REM-Schlafes haben sich die gelernten motorischen Fähigkeiten in seinem Langzeitgedächtnis festgesetzt.

Was geschieht beim Schlafwandeln?
Es gibt sogenannte REM-Schlaf-Verhaltensstörungen. Eigentlich trennt sich im Schlaf der Geist vollständig vom Körper. Nur drei Muskeln sind normalerweise während des Schlafens aktiv: die Augen, das Herz und das Zwerchfell. Alle anderen Organe sind völlig schlaff, deswegen liegen wir auch während des Schlafens. Doch bei manchem Menschen ist es so, dass diese Verbindungen zwischen Gehirn und Körper nicht gekappt werden. Wenn sie ihre Träume dann ausleben, nennt man es Schlafwandeln. Das geschieht also beim Übergang von dem REM-Schlaf in den Tiefschlaf, genauso wie das Reden im Schlaf. In England gab es mal einen Fall, in dem ein Mann seine Frau im Schlaf getötet hat und freigesprochen wurde. Und die Freundin eines meiner Patienten hat ihn ins Schlaflabor gebracht, weil sie nachts wach wurde, weil er sie gewürgt hat.

Was begünstigt diese Phänomene?
Psychischer Stress und Drogen. Alkohol kann vieles, aber keinen besseren Schlaf verursachen. Ein Gläschen vor dem Zubettgehen kann zwar das Einschlafen erleichtern, aber man schläft nicht mehr durch und verfällt nur in den Leichtschlaf.

Darf man einen Schlafwandler ansprechen?
Ja, darf man. Man sollte ruhig bleiben, einen Betroffenen ansprechen mit den Worten "Komm, ich bring dich wieder ins Bett" und ihn dann zurück begleiten.

Was kann man gegen das Schlafwandeln tun?
Manchmal bringt es schon etwas, das Schlafwandeln zu thematisieren. So nimmt man den Druck von den Patienten und sie sind beruhigt. Das Schlafwandeln kann man nicht unterbinden. Es ist zwar an sich unbedenklich. Wenn das Schlafwandeln mit Eigen- und Fremdverletzen einhergeht, zum Beispiel, weil jemand träumt, er müsse sich wehren und um sich schlägt, kann man eigentlich nur zu getrennten Betten raten, den Schlafplatz so zu gestalten, dass der Betroffene sich nicht ernsthaft wehtut, oder den Haustürschlüssel aufwendig verstecken. Sehr komplexe Abläufe wie einen Schlüssel aus einer Schublade zu holen, um dann drei Zimmer weiter eine Tür aufzubekommen, versteht man als Schlafwandler in dem Moment gar nicht. Man wäre verwirrt.

Spielt die Gestaltung des Schlafzimmers eine Rolle, ob man gut schläft?
Hier kommt es auf die psychologische Ausrichtung des Einzelnen an. Natürlich nimmt die Nähe einer Geräuschquelle oder Lichtquelle Einfluss auf den Schlaf. Grundsätzlich wird wohl auch kein Mann mit dem Rücken zur Tür schlafen, sondern diese evolutionsbedingt immer im Blick haben wollen, um bei Gefahr gegebenenfalls zu reagieren.

Bringt es etwas, wenn der Wecker morgens klingelt und man auf "Snooze" drückt?
Ich mache das morgens auch. Mein Wecker klingelt das erste Mal 15 Minuten, bevor ich aufstehen muss, und dann alle fünf Minuten, damit ich nicht ganz tief wieder abrutsche. Aber diese wenigen Minuten machen eigentlich keinen Unterschied, außer die psychologische Komponente: man freut sich, dass man noch ein paar Minuten Zeit hat. Grundsätzlich ist es aber so, dass jeder Wecker schädlich ist, weil er unserem Rhythmus abträglich ist. Wer sich wecken lassen muss, ist nicht ausgeschlafen. Allerdings gibt es gewisse Apps, die die Bewegungen im Schlaf erfassen und herausfinden, in welcher Schlafphase man gerade ist. Schließlich weckt diese App einen ganz sanft beim Übergang vom REM in den Leichtschlaf. Das Beste ist aber immer noch, von alleine aufzuwachen.

Jeder arbeitet zu unterschiedlichen Tageszeiten gut. Woran liegt das?
Das ist das sogenannte Eulen-Lerchen-Konzept. Im Büro kann das auch durchaus ein Grund für Aggressivität im Büro sein. Das kann man beeinflussen, indem man sich in seinen entgegengesetzten Zeiten nicht dem Licht aussetzt. So sollte der Lerchen-Typ zum Beispiel vormittags das Licht meiden, dafür aber nachmittags ganz bewusst einen Spaziergang im Hellen machen, damit der Körper das Signal erhält, dass er wach sein muss. Doch vor allem in kreativen Berufen sollte man möglichst jeden so arbeiten lassen wie er ist. Dann würde man mit Sicherheit mehr schaffen. Die Gleitzeit ist schon ein Schritt in die richtige Richtung.

Und stimmt es, dass man bei Vollmond schlechter schläft?
Nein, wissenschaftlich nicht. Aber ich weiß, dass meine Kinder dann auch unruhiger schlafen. Ich glaube, das liegt daran, dass das Licht so hell ist in der eigentlich dunklen Nacht.

Gibt es Annahmen über Schlaf, die Sie widerlegen können?
Ja. Wenn ein Kind etwas lernen soll, schwören manche Menschen darauf, die Kinder während des Schlafes zu besprechen. Das funktioniert allerdings nicht. Man sollte die Kinder lieber schlafen lassen.

Wie weit ist die Forschung auf dem Gebiet Schlaf?
Gerade in Bezug auf Schlaf sind wir noch nicht sehr weit. Erst in den Fünfzigern wurde der REM-Schlaf entdeckt. Mit dem digitalen Zeitalter haben sich die Möglichkeiten der Schlafforschung verbessert. Früher gab es eine Theorie, dass Schlaf einzig und allein dafür da ist, um uns ruhig zu stellen und Energie zu sparen. Inzwischen weiß man, dass das Gehirn im Schlaf wesentlich mehr Energie benötigt als im wachen Zustand. Nachts sind die Verbindungsebenen im Gehirn hochaktiv.

Welche Herausforderungen sehen Sie in der Forschung?
Das größte Rätsel, das wir noch erforschen müssen, ist: Warum schlafen wir eigentlich? Und warum macht schlechter Schlaf uns krank? Letzteres gehört auch zu meinem Forschungsgebiet.

Forschen Sie in Ihrem Schlaflabor auch selbst?
Ja, derzeit laufen hier verschiedene Studien zum Beispiel zum Thema Versorgungsforschung.

Wie viele Patienten kommen zu Ihnen ins Schlaflabor?
Wir behandeln hier mehrere hundert Patienten im Jahr, der Großteil davon sind Männer. Die meisten Menschen, die unsere Hilfe suchen, haben einen Verdacht auf Apnoe. Dabei ist zu sagen, dass deutlich mehr Männer an Apnoe leiden als Frauen. Frauen hingegen haben öfter mit Schlaflosigkeit zu kämpfen. Wir versuchen, so viele Menschen aufzunehmen, wie wir können. Wir sind ein kleines Schlaflabor, wir haben nur vier Schlafzimmer. Darum muss ich bei jedem Anruf abwägen, ob wir den Patienten nehmen oder nicht. Die Nachfrage ist so groß, dass wir bereits bis zum nächsten Jahr Mai ausgebucht sind. Es gibt in der Region noch weitere Schlaflabore, aber alle stöhnen vor Terminen.

Woran liegt es, dass der Bedarf so groß ist?
Das Bewusstsein der Menschen für das Thema Schlaf hat sich geändert. Schlafprobleme werden heute in den Medien immer mehr thematisiert, sodass immer mehr Leute ihr eigenes Schlafverhalten infrage stellen und sich untersuchen lassen.

Gibt es genaue Zahlen über Schlafstörungsbetroffene?
Nein, es ist grundsätzlich sehr schwer, an genaue Zahlen zu kommen. Die meisten Zahlen, die wir haben, basieren auf Studien aus den USA. Leider sind diese Studien sehr teuer.

Wie bereiten Sie die Patienten für die Nacht vor?
Im Gesicht werden acht und am Kopf sechs Elektroden befestigt. Mit einem Sensor wird die Atembewegung aufgenommen, ein Mikrofon befindet sich am Kehlkopf, an Brust und Bauch werden Gurte angelegt und an den Beinen Elektroden befestigt. So kann man jede Bewegung und Atmung an den Computer übermitteln. Zudem wird der Patient die ganze Nacht mit Infrarotkameras und einem Raummikrofon aufgenommen. Diese Vorbereitung dauert circa 40 Minuten.

Verfälscht es nicht das Ergebnis, wenn der Patient in einer ungewohnten Umgebung schlafen soll?
Es beeinflusst den Patienten natürlich schon, dass er nicht im eigenen Bett schläft. Hinzu kommt, dass er aufgeregt ist, sich beobachtet fühlt und die Kabel und Elektroden ziepen und zucken, wenn er sich dreht. Zwar dauert es länger bis der Patient schließlich schläft, aber das hat keinen Einfluss auf das Ergebnis. Manchmal kommt es vor, dass sein Problem nur in abgeschwächter Form auftritt. Doch die Geräte nehmen schon kleinste Veränderungen wahr. Eine Patientin beispielsweise kam hierher, weil sie nachts immer schrie. In unserem Labor hat sie lediglich ein bisschen geknurrt.

Ist Schlafentzug tödlich?
Ja, nach spätestens 14 Tagen ist man tot, dann stirbt man an den Folgeerkrankungen wie Fieber und Entzündungen. Früher war Schlafentzug eine Foltermethode, heute kann es aber durchaus als Therapie zum Einsatz kommen. Wer Schlafstörungen hat, weil er depressiv ist, kann stationär behandelt werden durch drei bis vier Tage konzentrierten Schlafentzugs.

Braucht man für die Tätigkeit als Schlafforscher bestimmte Voraussetzungen?
Schlafforscher kommen aus verschiedenen Fachrichtungen: Neurologie, Pneumologie (Lungenarzt), HNO, Kardiologie, Gesichtschirurgen oder Psychologie. Das trifft sich gut, denn viele Krankheiten wie Epilepsie oder Depression gehen mit Schlaf einher.