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Windräder Mit dem Roboter auf der Suche nach Schäden

In Sachsen-Anhalt haben sich Forschungsprojekte auf die Wartung und Kontrolle von Rotorblättern an Windkraftanlagen spezialisiert. Ein Inspektionsroboter und eine Drohne sind einsatzbereit und sollen auf den Markt gebracht werden.

25.06.2015, 01:10

Magdeburg l 140 Meter weit reichen die Türme moderner Windturbinen an Land heute schon empor, mit Rotor kommen die Anlagen auf eine Höhe von 200 Metern. Mehr als 2600 dieser Kolosse stehen auf Feldern und Wiesen in Sachsen-Anhalt. Regelmäßig werden die Windräder auf Schäden kontrolliert. Ein gefährlicher Job für die Servicetechniker, die in luftiger Höhe arbeiten müssen. Auf einer Plattform stehend oder an einem Seil hängend suchen sie nach Rissen und Abplatzungen auf der Oberfläche der Rotorblätter.

Projekte aus Sachsen-Anhalt könnten das Arbeitsfeld der Wartungsmitarbeiter verändern. Ein Roboter soll im Inneren der Rotorblätter nach Schäden suchen. Eine Drohne fahndet von außen nach Macken, die Wind und Wetter auf der Oberfläche verursacht haben könnten. Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus Sachsen-Anhalt und anderen Bundesländern entwickeln die technischen Helfer seit zwei Jahren. Die Gesamtkosten von 2,5 Millionen Euro werden mit 1,5 Millionen Euro vom Bundeswirtschaftsministerium gestützt.

Sigrid Salzer koordiniert für das Zentrum für Produkt-, Verfahrens- und Prozessinnovation (kurz: ZPVP) die Projekte. Fortschritte bei der Entwicklung der Geräte laufen im Büro der Projektleiterin in der Experimentellen Fabrik in Magdeburg zusammen. Im April ist der Prototyp des Inspektionsroboters auf der größten Industriemesse der Welt, der Hannover Messe, vorgestellt worden. "Bislang ist noch kein System auf dem Markt verfügbar, mit dem der Zustand der Rotorblätter überwacht werden kann", sagt Salzer. Unternehmen, die mit dem Betrieb der Windenergieanlagen ihr Geld verdienen, könnten ihre Geräte mit Hilfe des Roboters kostengünstig warten lassen.

Eine Erfindung, die begehrt sein dürfte. Denn die Windenergiebranche boomt. Jedes Jahr werden deutschlandweit Hunderte Windkraftanlagen neu errichtet. "Die Rotorblätter sind neben dem Getriebe und dem Turm im Betrieb starken Belastungen ausgesetzt", erklärt Salzer. Etwa alle zwei Jahre werden die Windräder kontrolliert. Selbst kleinere Schäden auf der Oberfläche oder unerkannte Fertigungsfehler können zu Totalausfällen der Anlagen führen. Stehen die Rotoren still, erzeugen die Windräder keinen Strom und kosten mehr Geld, als sie erwirtschaften. Und so versuchen die Betreiber der Windräder, Reparatur- und Inspektionszeiten kurzzuhalten.

Doch die Wartung bisher ist aufwendig und unpräzise. Von innen sind die Rotorblätter, die einen Durchmesser von bis zu vier Metern haben können, nur zu einem Drittel zugänglich. "Wir dürfen nur rund 15 Meter hineinkriechen", sagt Sören Finke, einer der Projektpartner. Er ist mit seinem Unternehmen Wingtec in Schleswig-Holstein für die Inspektion von Windenergieanlagen zuständig.

"Weiter hineinzuklettern, ist für die Mitarbeiter zu gefährlich. Wenn drin etwas passiert, können sie nur schwer gerettet werden", erklärt der 47-Jährige. Außen begutachten die Techniker von einer Plattform die Rotoren, manchmal hängen sie auch nur durch ein Seil gesichert an einem der Flügel. Die Magdeburger Entwicklungen tragen somit auch zur Sicherheit der Servicemitarbeiter bei.

Angetrieben von einem Elektromotor fährt künftig der Inspektionsroboter in den Innenraum des Rotorblattes. Über eine Steuerung kann der Mitarbeiter das Gerät kontrollieren. Dabei steht er auf einer Wartungsplattform. Innen macht der Roboter mit einer hochauflösenden Kamera Detailaufnahmen des gesamten Rotorblattes. "Der Roboter ermöglicht uns die Begutachtung von bisher nicht zugänglichen Bereichen", sagt Finke. Die im Kamerakopf der Maschine integrierte 3D-Tiefenbildsensorik ermöglicht zudem die Vermessung möglicher Schäden. Per Kabel überträgt das Gerät die Bilder auf den tragbaren Computer des Wartungstechnikers.

Ganz ähnlich funktioniert die Handhabung der Drohne, die von den Entwicklern liebevoll "Inspektokopter" getauft wurde. Derzeit arbeiten die Entwickler noch an der Steuerung des unbemannten Fluggerätes. Mit Hilfe der Drohne sollen die Wartungsmitarbeiter Außenaufnahmen machen können. Doch für gute, detailreiche Bilder muss das Gerät möglichst nah an die Rotorblätter heranfliegen. Für die Entwickler eine Herausforderung: "Der starke Wind erschwert die Steuerung der Drohne", erklärt Andreas Poppe, der mit dem Magdeburger Unternehmen Geo-Metrik an dem Projekt beteiligt ist. Poppe hat eine Technik entwickelt, die das Fliegen vereinfacht. Spezielle Sensoren sorgen dafür, dass die Drohne einen Mindestabstand zu den Rotoren einhält. So soll eine Kollision vermieden werden.

Bis der "Inspektokopter" die Marktreife erlangt, dürfte noch Zeit vergehen. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert das Projekt noch bis April 2016. Derzeit finden noch Testflüge auf freiem Gelände statt. Bald wagen sich die Entwickler auch an die Rotoren der Windräder.

Das Projekt des Inspektionsroboters hingegen ist in den letzten Zügen. Das Forschungsnetzwerk ist auf der Suche nach einem Hersteller, der die Produktion des Gerätes übernimmt. "Die Markteinführung ist für Ende 2016 geplant", sagt Sigrid Salzer. Bis dahin tüfteln die Projektpartner, unter anderem die Hochschule Harz, das Institut für Automatisierung und Informatik in Wernigerode und das Fraunhofer IFF in Magdeburg, weiter an ihrem Gerät. Künftig könnte der Roboter sogar noch intelligenter werden - und per Ultraschall selbständig Risse und Fehler im Material erkennen.