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Landesverfassungsgericht Kita-Gesetz steht auf dem Prüfstand

Die Mehrheit der Städte und Gemeinden im Land hält das Kita-Gesetz für
verfassungswidrig. Auch für die teils massiven Kostensteigerungen bei
den Elternbeiträgen machen sie das Kinderförderungsgesetz (Kifög) mit
verantwortlich.

29.06.2015, 01:14

Dessau/Magdeburg l Mehr als eineinhalb Jahre nach Einreichung der kommunalen Verfassungsbeschwerde kommt es am morgigen Dienstag zur Kifög-Verhandlung am Landesverfassungsgericht in Dessau. Im November 2013 hatten 63 Städte und Gemeinden Klage gegen das Gesetz erhoben.

Die Kommunen halten die letzte Novellierung des Kifög für verfassungswidrig. Im Kern geht es um neu geregelte Zuständigkeiten. Waren früher die Gemeinden verantwortlich, sind es nach Willen des Landes seit August 2013 die Landkreise. "Wir sehen unser Recht auf kommunale Selbstverwaltung in wesentlichen Teilen verletzt", sagte Jürgen Leindecker, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalt, der Volksstimme.

Die Gerichte in Deutschland haben das Recht auf kommunale Selbstverwaltung in den vergangenen Jahren häufig gestärkt. Erst Anfang des Jahres hat das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss bekräftigt, dass ein Landesgesetzgeber den Gemeinden Aufgaben nur aus Gründen des Gemeinwohls entziehen darf. Eine sogenannte "Hochzonung" von Aufgaben auf die Kreisebene könne nicht mit dem Ziel einer Verwaltungsvereinfachung oder einer Zuständigkeitskonzentration gerechtfertigt werden, urteilten die Karlsruher Richter.

Sitzungssaal musste umgestaltet werden

Nach Ansicht der Städte und Gemeinden in Sachsen-Anhalt ist jedoch genau das mit dem Kifög geschehen. Auch die Landesregierung hatte die Kompetenzverlagerung unter anderem damit begründet, dass die Landkreise nach dem Sozialgesetzbuch in diesem Bereich zuständig und einheitliche Kita-Standards auf diese Weise besser umsetzbar seien.

Dass sich die Kommunen gegen die Gesetzesänderung wehren, sieht man im Haus von Sozialminister Norbert Bischoff (SPD) gelassen. Bei der Klage ginge es ausschließlich um Fragen der Organisation, die inhaltlichen Verbesserungen wie Ganztagsanspruch für alle Kinder und Entlastung von Mehrkindfamilien blieben auf jeden Fall bestehen, erklärte ein Sprecher. Zu Details der Klage wollte sich das Sozialministerium vor der Verhandlung nicht äußern. Ein Sprecher sagte nur: "Wir sind zuversichtlich, dass uns das Landesverfassungsgericht in unserer Auffassung bestätigen wird."

Das Interesse an der Verhandlung in Dessau ist enorm. Der größte Sitzungssaal im Landesverfassungsgericht musste sogar etwas umgestaltet werden, damit dort etwa 110 Personen Platz finden. Die werden wohl auch kommen, mutmaßt Jürgen Leindecker vom Städte- und Gemeindebund. "Es werden nicht nur Vertreter aus den klagenden Gemeinden anreisen und Stellung nehmen, sondern auch von anderen interessierten Gemeinden aus Sachsen-Anhalt", sagte er. Mehr als ein Dutzend Kommunen hätten in den vergangenen Monaten bei dem Verband nachgefragt, ob sie sich noch an der Verfassungsbeschwerde beteiligen könnten.

Steigende Elternbeiträge sorgen für Frust

Größter Frustpunkt: die in einigen Gemeinden ausufernden Elternbeiträge. "Vertragspartner der Einrichtungen sind jetzt die Landkreise, die Gemeinden vergeben die Plätze und tragen einen erheblichen Teil der Kosten, die wir aber nicht mehr steuern können - natürlich hat das Kifög seinen Anteil daran, dass vielerorts die Elternbeiträge steigen", sagte Leindecker. Es sei gut, dass das Gesetz endlich auf den Prüfstand gestellt werde.

Eine Entscheidung werden die Verfassungsrichter am Dienstag jedoch nicht verkünden. Mit dem Urteil ist erst im Herbst zu rechnen.