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Razzia im Gefängnis Zwischen Erotikfotos und Biene Maja

Wenn die schwarzbekleidete Einheit der Justiz vor der Zellentür steht,
muckt keiner der Gefangenen. Die Spezialtruppe ist für Durchsuchungen in
Gefängnissen zuständig. Die Volksstimme hat am Mittwoch eine Razzia in
der JVA Halle begleitet.

Von Matthias Fricke 02.07.2015, 03:06

Halle l 29 Einsatzkräfte, ausgerüstet mit Schutzwesten, Helm, Schlagstock und Handschellen, schleichen wortlos in Richtung Hafthaus 3 der Justizvollzugsanstalt "Frohe Zukunft" in Halle. Es ist Mittwochmorgen, 5.50 Uhr. Die besondere Justiz-Einheit "BSRD" wartet vor den großen Gittertoren auf den Startschuss für die Razzia.

Durchschnittlich sind die besonders geschulten Vollzugsbeamten zehnmal im Jahr in den Gefängnissen des Landes bei Durchsuchungen im Einsatz. Die Razzia in der Anstalt "Frohe Zukunft" hat aber dieses Mal auch einen besonderen Grund. Einsatzleiter Lars Jennert: "Es gab in der vergangenen Woche drei Handy-Überwürfe. Wir haben deshalb Grund zur Annahme, dass noch weitere Pakete geliefert wurden." Der 46-Jährige meint mit "geliefert", dass Unbekannte Drogen und verbotene Gegenstände über die Mauer der Anstalt geworfen haben.

Aufschluss um 6 Uhr

"Die Gefangenen sind sehr erfinderisch, wenn es um Verstecke geht", sagt der Justizbeamte. Deshalb wollen er und seine Kollegen neben den Gemeinschaftsräumen auch mehrere Zellen durchsuchen. In der Einsatzvorbereitung hat Jennert seine Kollegen bereits eingeschworen: "Achtet auch auf die Fliesen. In der vergangenen Woche haben wir sogar eine Apparatur zur Herstellung von Alkohol dahinter gefunden."

Punkt 6 Uhr gibt der Einsatzleiter den Befehl zum Aufschluss. Die beiden Beamten Torsten Peter und Marcus Wetterling nehmen sich eine Doppelzelle mit Wohnzimmer, Küche und Toilette vor.

Die dazu gehörenden Gefangenen sitzen bereits im gemeinsamen Wohnzimmer, trinken Kaffee. Torsten Peter spricht die beiden Männer im Alter von 24 und 30 Jahren an: "Sie haben jetzt noch die Chance, verbotene Gegenstände freiwillig herauszugeben." Danach könnten die beiden nicht mehr mit mildernden Umständen rechnen. Zum einen wird ohnehin alles konfisziert, was nicht in die Zelle gehört und auf der Verbotsliste steht. Zum anderen müssten die Männer auch mit Disziplinarstrafen rechnen. Damit werden zum Beispiel eine vorzeitige Entlassung und Haftlockerungen in Frage gestellt.

Zweistündige Razzia

Doch beide Insassen schütteln den Kopf. Sie hätten nichts zu verbergen. Dass bei ihnen bereits Handys in der Vergangenheit gefunden wurden, verschweigen sie.

Torsten Peter bittet zunächst den 30-Jährigen in dessen Zimmer. Bis Januar 2016 wird der Gefangene seine Haftstrafe in der "Frohen Zukunft" absitzen müssen. Bekannt ist er den Beamten aber schon aus der Jugendanstalt in Raßnitz. Torsten Peter durchsucht ihn. Anschließend bringt das Zugriffsteam ihn für die Zeit der etwa zweistündigen Razzia zu den anderen in den Gemeinschaftsraum.

Indes kann sich Peter in dem Wohnraum des Gefangenen an die Arbeit machen. "Er befindet sich mit seinem Mitinsassen in der Knast-Hierarchie ziemlich weit oben. Das sieht man schon an der Ausstattung und den Klamotten", meint der Justizbeamte, während er das Bett des Insassen umkrempelt. Alles kehrt der 43-Jährige von innen nach außen, auch die Biene-Maja-Bettwäsche. Jedes einzelne Foto mit diversen Miss Mai und Juli der letzten Jahre nimmt er von der Wand ab und sieht genau nach, was sich dahinter befindet. Systematisch arbeitet sich der "Durchsucher" in Richtung Schrank und dem Tisch vor. Seit elf Jahren ist Peter bei der Spezialtruppe "BSRD". Die Abkürzung steht für Besonderer Sicherheits- und Revisionsdienst der Justiz. 40 Mitarbeiter gehören der Truppe insgesamt an. In den vergangenen Jahren waren die Frauen und Männer bereits 250-mal im Einsatz.

Wattestäbchen verboten

Auf dem Boden des Haftraumes findet Torsten Peter eine ungewöhnliche Konstruktion aus gefüllten Plaste-Wasserflaschen. Diese sind zu einem großen Bündel mit einem aus Müllbeuteln zusammengeflochtenen Strick zur Hantel umgebaut worden. "Die Gefangenen haben schließlich den ganzen Tag Zeit, sich so etwas einfallen zu lassen", versucht der Beamte die Kreativität der Insassen für den Kraftsport zu erklären.

Sein Kollege Marcus Wetterling entdeckt indes im Wohnzimmer der Doppelhaftzelle ein aufgebrochenes Siegel am Flachbildfernseher. "Den müssen wir jetzt sicherstellen", sagt der Beamte. Die privaten Fernseher in den Hafträumen dürfen unter anderem keinen Zugang für USB-Sticks haben und müssen deshalb auch von der Anstaltsleitung abgenommen und versiegelt werden. Ärgerlich für den 24-jährigen Insassen: Er muss schließlich noch bis Ende 2016 gesiebte Luft atmen.

Wetterling sucht weiter und findet einige Wattestäbchen. Diese werden von den Justizbeamten alles andere als gerne gesehen. "Es gab schon Gefangene, die Wattestäbchen mit Rouladennadeln gespickt im Blasrohr verschossen haben", sagt er.

Tätowiermaschine aus Radio gebaut

Im Nachbarraum haben die Kollegen der beiden inzwischen drei Mini-Speicher-Karten entdeckt, die auch in Handys oder Fotoapparaten verwendet werden können.

Damit den justizeigenen Fahndern nichts entgeht, setzen sie auch Hunde zum Aufspüren für Handys und Drogen ein. Einen der Vierbeiner führt Manuela Rackwitz an der Leine durch den Gefängnisflur. "Nero" ist wie die anderen Spürnasen auch speziell für die Durchsuchungen in der Haft ausgebildet. Die Justizbeamtin lässt den Hund in der Zelle schnüffeln und kann sich danach nahezu sicher sein, dass der Raum drogenfrei ist. Doch ebenso wie Handyhund "Janka" bleibt der Vierbeiner dieses Mal ohne Erfolg. Die Justiz hat erst seit dem vergangenen Jahr fünf eigene Diensthunde, früher mussten sich die Beamten diese bei der Polizei "ausborgen".

Dann gibt es einen "Treffer" in einem Haftraum auf der gegenüberliegenden Seite des Ganges. Der Schulrucksack eines 31-Jährigen gerät ins Visier der Beamten. Darin finden sie ein seltsames Gerät. Justizbeamter Ralf Fiedler sagt kurze Zeit später: "Die von uns gefundene Tätowiermaschine wurde vermutlich aus einem Radio zusammengebaut." Der Gefangene holt zurzeit seine Ausbildung nach und wollte sich offenbar nebenbei hinter Gittern etwas dazuverdienen. Kein Geld, hier sind Zigaretten, Handys oder Drogen die Währung. Der Mann muss nun mit einem Disziplinarverfahren rechnen. Vor allem wegen des hohen Gesundheitsrisikos und der fehlenden sterilen Bedingen stehen dieses Gerät und Zubehör auf der Verbotsliste.

Disziplinarstrafen folgen

Marcus Wetterling und Torsten Peter sind inzwischen in der Küche der beiden Gefangenen angelangt. Mit einer Mini-Metallsuchsonde fährt Wetterling die Zuckertüten ab, doch auch darin scheint sich am Ende das zu befinden, was hineingehört.

Am Ende des Einsatzes erklärt Justizsprecherin Ute Albersmann: "Die gefundenen verbotenen Gegenstände werden Disziplinarstrafen zur Folge haben. Straftaten wurden dieses Mal aber nicht aufgedeckt."