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IBG-Skandal Neuer Ärger um Fördermillionen

In der Affäre um die landeseigene IBG braut sich weiterer Ärger zusammen. Der Landesrechnungshof vertritt die Auffassung, dass Unternehmen aus dem Firmenreich des früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Klaas Hübner auch IBG-Förder-Gelder erhielten, als sie längst nicht mehr förderfähig waren.

Von Michael Bock 03.07.2015, 03:04

Magdeburg l Antragsberechtigt sind nach den IBG-Beteiligungsgrundsätzen "kleine und mittelständische Unternehmen (KMU). Aber: Die Firmengruppe "Schlossgruppe Neugattersleben" hat den sogenannten KMU-Status bereits vor Jahren verloren. Die Stellungnahme der Investitionsbank (IB) Sachsen-Anhalt, der zentralen Förderbank des Landes, ist eindeutig.

Auf Volksstimme-Anfrage heißt es: "Der KMU-Status für die Firmengruppe ,Schloss Neugattersleben` wurde im Haus der Investitionsbank bereits ab April 2009 nicht mehr anerkannt." Grundlage für diese Einstufung sei die KMU-Definition der EU. "Die Prüfung ergab, dass es sich um ein Nicht-KMU handelt. Damit einher gingen reduzierte Fördersätze." Das Wirtschaftsministerium war schon informiert. In der IB-Stellungnahme heißt es: "Diese Einschätzung wurde vom Ministerium für Wirtschaft und Arbeit durch Mitzeichnung der Entscheidungsvorlage am 7. April 2009 mitgetragen." Und: "Der Kunde wurde im Rahmen des Bewilligungsverfahrens über die Einstufung als Nicht-KMU informiert."

Schlossgruppe-Firmen kannten neuen Status

Das Finanzministerium bestätigte am Donnerstag, dass die Steuerverwaltung den Unternehmen der Schlossgruppe sogar bereits ab dem 1. Januar 2008 den KMU-Status aberkannt habe. Die dafür erforderlichen Kriterien seien "infolge der Zusammenrechnung der Unternehmen des Konzerns überschritten" worden, sagte ein Sprecher. Die Vertreter der Firmen seien darüber schriftlich am 15. Oktober 2010 und mündlich zwei Wochen später informiert worden. Aus einer aktuellen Stellungnahme des Finanzministeriums geht hervor, der damalige Finanzstaatssekretär Heiko Geue (SPD) habe mitgeteilt, "dass ihm im Rahmen eines umfassenden Vorbereitungsvermerks zu einem ersten Gespräch mit Herrn Klaas Hübner vom 21. Juni 2011 die Nichtanerkennung der Firmengruppe als KMU seitens der Finanzverwaltung" zur Kenntnis gebracht worden sei.

Geue erweckt den Eindruck, dass Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) das Thema gekannt haben müsste. Er habe nicht davon ausgehen können, "dass eine so lange zurückliegende Entscheidung der Leitung des Ministeriums, insbesondere dem Minister, noch nicht bekannt war", sagte Geue. Daher habe er keinen Anlass gehabt, nach dem Gespräch "den Minister hiervon gesondert zu informieren". Der Ministeriumssprecher sagte, dass Geue sein Wissen um die Aberkennung des KMU-Status für sich behalten musste: "Wegen der Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses hätte er den IBG-Beteiligungsausschuss und den Aufsichtsrat nicht informieren dürfen."

Als klein gefördert, als groß gefördert

Erstaunlich: Eben diese Gremien, in denen auch Finanz- und Wirtschaftsministerium vertreten sind, entschieden aber über die Fördermillionen. Und die flossen weiter auch an die Unternehmen der "Schlossgruppe Neugattersleben". Trotz des aberkannten KMU-Status. Mehr noch: Der Status wurde bei vielen Förderanträgen gar nicht oder nur unzulänglich geprüft.

Laut Stellungnahme des Finanzministeriums wird vom Rechnungshof in einer noch geheimen Prüfungsmitteilung "insbesondere kritisiert", dass trotz Aberkennung des KMU-Status weitere Beteiligungen an Unternehmen der Schlossgruppe eingegangen wurden. Das Finanzministerium greift in seiner Stellungnahme die KMU-Problematik auf - teilweise. Beleuchtet wird nur eine erst durch Journalisten-Recherche öffentlich gewordene Rettungsaktion für Unternehmen der Schlossgruppe. Im Jahr 2012 wurden mit IBG-Beteiligungen von 5,25 Millionen Euro die Unternehmen der Schlossgruppe vor einer drohenden Insolvenz bewahrt.

Auffällig: Während die IBG die Schlossgruppe als "klein- und mittelständisch" einordnete, tat dies die auch in Landesbesitz befindliche Investitionsbank nicht. Sie gewährte der Schlossgruppe ein Darlehen über fünf Millionen Euro - aus ihrem Portfolio für Großunternehmen.

In der Stellungnahme des Finanzministeriums wird auch eine von Klaas Hübner beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zitiert. Diese sagt, man könne die Auffassung des Rechnungshofs, dass es durch die Finanzbehörden zu einer Aberkennung des KMU-Status aller Gesellschaften der Firmengruppe ab dem 1. Januar 2008 gekommen sei, "weder zeitlich noch sachlich nachvollziehen".

Zu hören ist, dass auch nach Aberkennung des KMU-Status durch IB und Finanzverwaltung neben den 5,25 Millionen Euro (Rettungsaktion) weitere IBG-Millionen an Unternehmen der Schlossgruppe flossen. Wie viel genau, können derzeit weder Finanz- noch Wirtschaftsministerium sagen.