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Moderne Sensortechnik Waldbrand-Radar über den Kiefernkronen

Auch nach den Gewittern am Wochenende gilt im Altmarkkreis Salzwedel und im Landkreis Stendal noch die höchste Waldbrandgefahrenstufe 5. 14 Spezialkameras scannen vorsorglich etwa 9500 Quadratkilometer Wald ab. Die Informationen laufen in den Zentralen Annaburg, Genthin und Klötze zusammen.

Von Matthias Fricke 07.07.2015, 03:00

Magdeburg l Klaus Schuda blickt angespannt auf seinen Monitor. Dort bauen sich immer wieder fünf Bilderleisten in stetiger Regelmäßigkeit auf. Der 64-Jährige sitzt in Genthin, einer von drei Waldbrandzentralen im Land und hat dabei ein waches Auge vor allem über die Kiefernwälder des Landes. Diese sind wegen der Sandböden besonders von der Trockenheit betroffen. Und: Baumharz und Nadeln bieten am Boden eine enorm hohe Zündbereitschaft.

"Eine Rauchwolke von zehn mal zehn Metern können wir so noch in zehn Kilometer Entfernung wahrnehmen."
Andreas Goldschmidt, Forstamtmann

Während vor einigen Jahren Schudas Kollegen noch bei Temperaturen um 40 Grad Celsius auf einem der etwa 30 Meter hohen Feuerwachtürme ganz ohne Toilette mit einem Fernglas im Anschlag schwitzen mussten, erledigt diese Aufgabe heute modernste Technik. Noch vor zehn Jahren gab es 41 solcher bemannten Feuerwachtürme, die einen Beobachtungsradius von gerade einmal fünf Kilometer hatten.

Die Technik verzehnfacht die Überwachungsfläche: An 14 Standorten vor allem im nördlichen und östlichen Sachsen-Anhalt übernehmen zurzeit die ständig in 360 Grad umlaufenden Panorama-Kameras die Kontrolle. Das System ist ursprünglich für die Planetenforschung entwickelt worden.

"Die automatische Erkennung der Rauchwolken basiert auf einer Grauwertänderung", erklärt Forstamtmann Andreas Goldschmidt vom Landeszentrum Wald. Verändert ein Pixel die Helligkeit in den Graustufen, meldet die Software den Alarm. Der 48-Jährige: "Eine Rauchwolke von zehn mal zehn Metern können wir so noch in zehn Kilometer Entfernung wahrnehmen. So hochempfindlich ist die Technik."

"Von 1000 Meldungen am Tag sind die meisten nur Lichtspiele, vor allem beim Sonnenuntergang und bei starkem Wind."
Klaus Schuda, Operator

Operator Klaus Schuda erhält auf seinem Bildschirm eine Alarmmeldung. Mit einem Mausklick vergrößert sich der Forstwirt das betreffende Bild. "Jetzt kommt es darauf an genau zu erkennen, was es ist? Eine Staubwolke, Wasserdampf, ein Licht- und Schattenspiel auf irgendwelchen Dächern oder eben ein Waldbrand", sagt er.

Bildsequenz für Bildsequenz sieht sich der Mitarbeiter an. Die Kamera, in diesem Fall ist sie in etwa 50 Metern Höhe auf dem Wasserturm in Genthin angebracht, läuft in acht Minuten einmal um die eigene Achse und schießt alle zehn Grad drei Bilder. Schnell wird klar, dass es sich tatsächlich um eine Rauchwolke handelt.

Mit den geografisches Daten kann Schuda auch den Ort sehr gut eingrenzen. Per Computer kann dies durch ein hinterlegtes Höhenmodell errechnet werden. "Optimal ist es, wenn ich Daten von einem benachbarten Turm zur Ortung noch hinzuziehen kann", sagt er.

Einige von ihnen stehen im Land Brandenburg. Dort gibt es 108 solcher Standorte mit Überwachungskameras, die aber nur einen Radius von 10 Kilometern abdecken. Die errechneten Daten druckt der 64-Jährige aus und schickt sie per Fax an die Einsatzleitstelle in Burg.

In den meisten Fällen alarmieren die Mitarbeiter der drei Zentralen in Genthin (Jerichower Land), Annaburg (Landkreis Wittenberg) und Klötze (Altmarkkreis Salzwedel) die Rettungsleitstellen.

Aber auch die Truppenübungsplätze haben ihre eigenen Feuerwehren. "Vor ein paar Tagen gab es einen außergewöhnlichen Fall", erzählt Goldschmidt. Noch bevor Feuerwehren einschreiten konnten, haben zwei Hubschrauberbesatzungen aus Baden-Württemberg bei einem Übungsflug über einem Wald nahe Annaburg einen Waldbrand im Kiefernbestand entdeckt. Die Maschinen übten den Flug mit Lasten, in diesem Fall mit Wasserbehältern samt 5000 Liter Inhalt. Diese entleerten die Soldaten statt auf dem Fliegerhorstgelände direkt über dem Feuer. Die Einsatzkräfte der Wehren am Boden mussten sich so nur noch um die restlichen Glutnester kümmern.

Schon wieder erscheint eine Alarmmeldung auf dem Bildschirm von Klaus Schuda. Immer wieder sieht er sich die Bildsequenzen von dem Ort an. Dann sagt er: "Von 1000 Meldungen am Tag sind die meisten nur Verdachtsmeldungen, die unter anderem auf Lichtveränderungen vor allem beim Sonnenuntergang und bei starkem Wind zurückzuführen sind."

Im konkreten Fall hat diesmal im Genthiner Gewerbegebiet eine Spiegelung an einer Scheibe für diese Meldung gesorgt. Ein Problem, dass vor allem an den Windkraftanlagen sehr häufig auftritt. "Wir können die Bereiche hinter den Windrädern nicht mehr mit den Kameras erfassen. Das Sichtfeld wird verdeckt. Wenn künftig neue Windparks gebaut werden, sind wir aber involviert", sagt der Verantwortliche für vorbeugenden Waldbrandschutz Goldschmidt.

Aus diesem Grund soll im Raum Stendal demnächst auch eine Kamera nachgerüstet werden. Der Anschaffungswert für das elektronische Auge beträgt immerhin 100000 Euro. Der Mietpreis für den Turm oder Funkmast sind da noch nicht mit einberechnet. Eine Modernisierung der Technik sei außerdem geplant. Für die Zukunft will das Landeszentrum Wald außerdem die drei bestehenden Waldbrandzentralen zu einer am Standort Genthin zusammenführen.

Dort sitzt Operator Schuda inzwischen seit gut zehn Stunden an seinem Rechner. Wegen der Waldbrandgefahrenstufe 5 im Jerichower Land schaltet er das System erst um 20 Uhr, statt sonst um 18 Uhr ab. Heute kann er aber eine Pause einlegen. Im Jerichower Land gilt ab heute wieder die Warnstufe 1.