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Einstieg in eine Magdeburger Firma Was ein Kaufmann mit der IBG erlebte

Neue Vorwürfe gegen die IBG: Erstmals hat ein geschädigter Unternehmer ausgesagt. Er spricht sogar von Konkursbetrug - es geht um ein Unternehmen der Schlossgruppe Neugattersleben.

Von Hagen Eichler 07.07.2015, 03:00

Magdeburg l Zeugen mit erheblichen Gedächtnislücken hat der IBG-Untersuchungsausschuss bereits viele erlebt. So einen jedoch noch nicht: "Ich habe sehr viel zu erzählen", kündigt Csaba Lerinc gleich zu Beginn an. Der Inhaber eines Handelsunternehmens für Werkzeugmaschinen aus der Nähe von Wuppertal soll den Abgeordneten erklären, wie die landeseigene IBG mit Risikokapital umgegangen ist. Und Lerinc verspricht nicht zuviel.

Seine Geschichte: 2011 übernimmt der Kaufmann über eine Holding den Magdeburger Maschinenbauer MAP. Diese gehörte zur Schlossgruppe Neugattersleben, jenem Firmengeflecht um die Familie des einstigen SPD-Bundestagsabgeordneten Klaas Hübner. Und plötzlich tauchen - so erzählt er im Untersuchungsausschuss - immer neue Probleme auf, die viel Geld kosten. "Heute bin ich ziemlich sicher, dass wir nur benutzt worden sind, um MAP am Leben zu erhalten, damit die Schlossgruppe nicht kippt", sagt Lerinc.

Lerinc glaubt, dass MAP über Jahre nur mit öffentlichen Fördermitteln über Wasser gehalten wurde. So habe die Firma zur Entwicklung einer Maschine 36000 Konstruktionsstunden angemeldet und dafür Fördergeld kassiert. "In dieser Zeit kann man sechs Maschinen entwickeln, und die dort war noch nicht mal einsatzfähig", sagt Lerinc.

Auf dem Papier sollte MAP 6,5 Millionen Euro Anlagevermögen besitzen. Nach Schilderung von Lerinc ergibt eine Prüfung, dass das eine Phantasiezahl ist. Mehr als 5 Millionen hätten abgeschrieben werden müssen. Doch selbst eine Beschwerde im Wirtschaftsministerium über falsche Bilanzen habe nichts bewirkt, sagt Lerinc.

Und noch mehr Probleme: Für die Produktion hätten wesentliche Unternehmensbestandteile gefehlt. Ein MAP-Vorgängerunternehmen habe halbfertige Maschinen und zerlegte Werkstatteinrichtungen an verschiedene Unternehmen der Schlossgruppe verkauft und sei dann in den Konkurs geschickt worden, sagt Lerinc: "Das war betrügerischer Konkurs." Lerinc stellte Strafanzeige. Die blieb jedoch wegen Verjährung folgenlos.

Warum hat die landeseigene IBG 2006 ein solches Unternehmen mit 2,5 Millionen Euro Risikokapital unterstützt? Heute hat der Unternehmer eine Antwort: MAP gehörte zu einem sogenannten Haftungsverbund. Die Firmen der Schlossgruppe bürgten füreinander. "Das habe ich selbst aber erst 2013 aus der Presse erfahren." Der Unternehmer ist überzeugt, dass er bewusst getäuscht wurde. Das Land Sachsen-Anhalt, glaubt er, habe die Schlossgruppe um jeden Preis retten wollen - auch wenn dadurch ein anderes Unternehmen gefährdet wird.

Lerinc sagt, er habe mittlerweile 2,8 Millionen Euro in die Magdeburger Firma gesteckt, sein eigenes Handelshaus in Nordrhein-Westfalen sei darüber ins Trudeln geraten und habe eine Insolvenz hinter sich. Bis heute erzählt Lerinc empört, dass das Finanzamt eine Betriebsprüfung seines Unternehmens mit einer Besprechung im Schloss Neugattersleben abgeschlossen habe - er selbst als Mehrheits-Gesellschafter habe nichts von dem Termin gewusst.

Gab es politische Einflussnahme?, fragen gleich mehrere Abgeordnete. Belege dafür hat Lerinc nicht. "Ich glaube, dass die Schlossgruppe einfach zu groß geworden und außer Kontrolle geraten ist." So wie die einst vom Staat geretteten Banken, die zu groß waren, um ihren Zusammenbruch hinzunehmen. Dennoch, sagt Lerinc: "Wenn die IBG ihre Beteiligungsverträge kontrolliert hätte, wäre es zu dieser Situation nicht gekommen."

Die Volksstimme hat Klaas Hübner am Montag zu den Vorwürfen um Stellungnahme gebeten. Dessen Anwälte wollten sich allerdings nicht zitierfähig äußern.

Ausschussvorsitzender Guido Henke (Linke) zeigte sich bestürzt über die Aussagen: "Spätestens nach der Beschwerde von Herrn Lerinc im Wirtschaftsministerium über die Bilanzfehler hätte man sofort aufsichtsmäßig reagieren müssen."