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Sachsen-Anhalt lehnt Lehrer ab Monsieur Rey muss leider gehen

Am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag, hat Anthony Rey
Sachsen-Anhalt mit Sack und Pack verlassen. Sein Arbeitgeber wollte ihn
halten. Doch die Behörden zweifeln an seiner Qualifikation.

Von Hagen Eichler 20.07.2015, 02:58

Barleben l Die achtjährige Maya hat ihren Klassenlehrer verloren. "Er war witzig und wirklich nett", sagt sie. Nie habe er herumgeschrien, wenn Kinder mal nicht aufgepasst hätten. "Und wir haben viel gespielt, Bingo und Memory", ruft der neunjährige Jannes. Es ist Freitagnachmittag im Hort der Internationalen Grundschule in Barleben (Landkreis Börde). Die erste Ferienwoche geht gerade zu Ende. Die Kinder vermissen Anthony Rey jetzt schon.

Doch der Lehrer wird nicht zurückkommen. Das Land Sachsen-Anhalt ist überzeugt, dass er nicht ausreichend qualifiziert ist. Rey ist Franzose, zwei Jahren hat er in Barleben unterrichtet. Ordentlich hat er all seine Qualifikationsunterlagen beim Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt (LISA) eingereicht. Doch die Behörde hat entschieden: Unterrichten darf er lediglich Französisch als Fremdsprache und Deutsch als Fremdsprache.

"Das Land schießt sich doch selbst ins Bein, wenn ausgebildete Lehrer abgewiesen werden." Grundschullehrer Anthony Rey

Das ist verblüffend, denn Rey ist vollständig ausgebildeter Lehrer - nur eben ein französischer. "Ich habe das erste Staatsexamen, ich habe das Referendariat und ich habe einen Masterabschluss", sagt der 26-Jährige. Die Französische Republik hat ihn zum Beamten ernannt, er darf in jeder Grundschule zwischen Kanalküste und Mittelmeer jedes Fach unterrichten.

Für Schüler in Sachsen-Anhalt reicht das jedoch nicht. Das Land empfiehlt Rey ein Ergänzungsstudium an der Uni Halle. Wie viele Semester nötig wären, kann ihm die Behörde nicht sagen. Und so sucht Rey nach Alternativen. Eine Grundschule in Berlin möchte ihn einstellen, Rey schickt seine Unterlagen an die dortige Schulbehörde - et voilà: Berlin erteilt ihm anstandslos eine Unterrichtsgenehmigung. Für sämtliche Fächer, ohne Einschränkung.

Rey, der im zentralistischen Frankreich großgeworden ist, staunt. "Ich finde es komisch, dass man mit den gleichen Unterlagen zwei verschiedene Entscheidungen bekommt", sagt er. Entweder, vermutet er, habe Sachsen-Anhalt ein Problem mit Ausländern. Oder eines mit privaten Schulen. "Das Land schießt sich doch selbst ins Bein, wenn ausgebildete Lehrer kommen und dann abgewiesen werden."

Das Kultusministerium will sich zum Einzelfall aus Datenschutzgründen nicht äußern. "Aber grundsätzlich muss auch an freien Schulen eine gewisse Unterrichtsqualität gewährleistet sein. Es reicht nicht, ein Unterrichtsfach zu beherrschen, man muss auch didaktische Fähigkeiten nachweisen können", sagt Sprecherin Karina Kunze. Die sieht das Land bei einem Studium in Bordeaux offenbar nicht als ausreichend.

Wie erklärt sich das Kultusministerium, dass Berlin an Monsieur Rey keinen Makel finden kann? "Wir halten uns an die Vereinbarungen, die die Kultusministerkonferenz für die Anerkennung ausländischer Lehrer aufgestellt hat", betont Kunze. Berlin, so lautet der Umkehrschluss, tut das offenbar nicht.

Die Ecole-Stiftung, Trägerin der Internationalen Grundschule, kämpft mit solchen Problemen seit ihrem Bestehen. "Das ist ein sehr frustrierendes Spiel", sagt Stiftungsvorstand Marco Langhof. "Am Ende verlieren alle: die Schüler, die Schule, das Land."

Zum Konzept der Schule gehört, Schulfächer wie Kunst oder Mathematik von Anfang an in französischer Sprache zu unterrichten. Ohne Ausländer kann die Ecole nicht funktionieren. "Aber oft merken wir, dass uns ausländische Lehrer abgelehnt werden, während identisch qualifizierte Kollegen in Nachbarbundesländern zugelassen werden", sagt Langhof.

Viel zu hoch seien die Anforderungen in Sachsen-Anhalt, sagt auch Jürgen Banse, Geschäftsführer beim Verband Deutscher Privatschulen Sachsen-Anhalt (VDP).

Beispiel Sprachkenntnisse: Mit einer neuen Verordnung will das Kultusministerium festlegen, dass ausländische Lehrer Deutsch fast so gut wie ihre Muttersprache beherrschen. In der EU-Skala entspricht das dem Niveau C2. Zum Vergleich: Ein aus dem Ausland stammender Arzt muss lediglich auf B2 kommen, um für jedes schwierige Patientengespräch geeignet zu sein. "Wir profitieren doch von Menschen, die aus dem Ausland kommen und auch frischen Wind mitbringen", appelliert Banse an das Kultusministerium.

Rey denkt mit Bedauern an seine Schüler, die er nach nur zwei Jahren als Klassenlehrer abgegeben hat. "Das war sehr schwer, es den Kindern zu erklären", sagt er. "Aber ich brauche jetzt endlich berufliche Sicherheit."