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IBG-Untersuchungsausschuss Die Geschäfte der Familie Hübner

Unterlagen über eine dubiose Übernahme geben Einblick in das
Geschäftsgebaren des Firmenreichs der Familie des SPD-Politikers Klaas
Hübner.

Von Hagen Eichler 23.07.2015, 20:36

Magdeburg l Die Vorladung in den Untersuchungsausschuss war höflich, aber bestimmt. Vor allem eines wollen die Landtagsabgeordneten vom Zeugen Klaas Hübner wissen: Warum hat das Land den Firmen seiner Familie immer wieder aufs Neue Millionenbeträge für stille Beteiligungen hinübergeschoben? Doch wer von Hübner an jenem Tag im April dieses Jahres ein wenig Demut erwartet, liegt falsch.

Ein Einstecktuch im blauen Anzug, nimmt der einstige Bundestagsabgeordnete auf dem Zeugenstuhl Platz und lächelt in die Kamera. Präzise beantwortet er die Fragen. Eine Rettungsaktion der IBG zugunsten der Hübner-Firmen verstieß gegen die Richtlinien des Landes? Nicht sein Problem, sagt Hübner, er habe das Geld ja nur beantragt: "Die Einhaltung der Richtlinien ist nicht Aufgabe des Antragstellers."

Die Abgeordneten mühen sich redlich, das System zu durchschauen. Gelegentlich verwendet ein Abgeordneter in seiner Frage einen falschen Begriff, spricht von Fördergeld statt von einer Beteiligung. Hübner lächelt überlegen. Am Ende sind die Politiker nicht viel schlauer.

Käufer geriet ins Trudeln

Fünf Kilometer vom Landtag entfernt, in einer Montagehalle im Magdeburger Stadtteil Salbke, riecht die Luft nach Metall und Öl. In einem kargen Besprechungsraum der Firma MAP sitzt der Unternehmer Csaba Lerinc, er trägt Jeans und ein weißes Hemd, das über dem Bauch spannt. Lerinc hat die Firma aus dem Hübner-Reich übernommen, weil er an deren Produkt glaubte, eine Werkzeugmaschine. Er bereut das zutiefst. "Mit dem Wissen von heute wäre ich da niemals eingestiegen."

Vor sich ausgebreitet hat er Unterlagen: Handelsregister-Auszüge, Treuhandverträge, Rechnungen und Kaufverträge, Bürgschaften, das Gutachten eines Insolvenzverwalters, Dokumente über Beteiligungen - alle aus der Zeit vor seinem Einstieg. Die Papiere werfen ein Schlaglicht auf die Art, wie die Unternehmerfamilie Hübner Geschäfte macht. Und sie wecken - wieder einmal - Zweifel an der Rolle, die die Investitions- und Beteiligungsgesellschaft des Landes (IBG) spielte.

Lerinc ist der klassische Selfmade-Man. Als Einwanderer-Kind aus Ungarn wuchs er im Ruhrgebiet auf, eine Halbwaise mit einem komisch klingenden Namen. "Ich war arm wie eine Kirchenmaus. Und als ich mich um einen Ausbildungsplatz beworben habe, da hagelte es Absagen." Doch Lerinc ist ein begnadeter Verkäufer - und das macht er zu seinem Beruf. Mit 1000 Mark gründet er 1994 seine eigene Firma, das Standbein in NRW baut er ohne einen einzigen Cent Fördergeld auf. Für 450 Millionen Euro habe er bislang Werkzeugmaschinen verkauft, sagt er stolz.

Man muss diese Erfolgsgeschichte kennen, um seine Entrüstung über das, was er in Sachsen-Anhalt erlebt, zu verstehen. 2011 übernimmt er die Firma MAP und gerät schon bald ins Trudeln. Um den Geschäftsbetrieb in Salbke aufrechtzuerhalten, muss er immer neues Geld nachschießen. Lieferanten wollen bezahlt werden, Berater kommen mit überraschenden Forderungen um die Ecke, Aufträge müssen vorfinanziert werden - und keine Bank ist bereit, Geld zur Verfügung zu stellen.

Kein Wunder, sagt Lerinc heute. Mittlerweile kennt er die dubiose Vorgeschichte der MAP. Sie beginnt in Berlin, wo zwei Unternehmer namens Kostakis Andreu und Wolfgang Banaszak die nach ihnen benannte Firma A & B Maschinen- und Anlagen-Projektierung GmbH betreiben. Im Logo trägt sie die Buchstaben MAP. Ab Jahresbeginn 2006 passiert etwas Merkwürdiges: Das Unternehmen zerlegt sich selbst. Zentrale Bestandteile, die für den Geschäftsbetrieb notwendig sind, werden in Einzelteilen an mehrere Unternehmen in Sachsen-Anhalt verkauft.

Eine Koordinatenmessmaschine von Zeiss geht für 12 760 Euro an die a-tec in Staßfurt. Die Werkstatteinrichtung zum Bau von Spindeln ersteht für 9280 Euro die Firma ABS, ebenfalls in Staßfurt. Die Firma Weros in Schönebeck kauft für 17 400 Euro eine gebrauchte Bearbeitungsmaschine "Cincinatti". Und so geht es weiter. Allein die der Volksstimme vorliegenden Rechnungen summieren sich auf rund 130 000 Euro. Alles muss raus, scheint das Motto zu sein.

Insolvenz im Jahr 2006

Warum, zeigt sich im Sommer 2006: Die Firma meldet Insolvenz an. Der Insolvenzverwalter schätzt die vorgefundenen Werte im Fall der Zerschlagung des Unternehmens auf lediglich 260 000 Euro. Was dem Juristen offenbar nicht aufgefallen ist: All die verschiedenen Firmen, die durch ihre Käufe die A & B filetiert haben, gehören in Wahrheit zusammen. Besitzer der a-tec ist Klaas Hübner, damals Bundestagsabgeordneter. Bei der ABS und der Wero ist seine Schwester Mehrheitsgesellschafterin. Die drei Firmen gehören - zusammen mit mehr als einem Dutzend weiterer Unternehmen - zur Schlossgruppe Neugattersleben.

Und genau dort, im namensgebenden Schloss, wird die Berliner Pleitefirma erneut zum Leben erweckt. Der Name lautet MAP, sie übernimmt das alte Logo und die übrigen Reste vom Insolvenzverwalter in Berlin. Und nicht nur das: Als Träger von Know-how sind die einstigen Geschäftsführer Andreu und Banaszak dabei. Beide fungieren über Treuhänder auch als Minderheitsgesellschafter. Hauptinhaberin ist Hübners Schwester. Interesse am Erfolg der Unternehmung hat aber auch Klaas Hübner: Der Politiker bürgt mit 600 000 Euro.

Und nur wenige Wochen nach der Insolvenz der A & B in Berlin wechselt deren im Hübner-Reich untergekommenes Inventar wieder den Besitzer. Vieles von dem, was die Firmen a-tec, ABS und Wero übernommen haben, verkaufen diese nun weiter - an die MAP.

Unter dem Strich bedeutet das: Die Berliner Pleitefirma macht mit Personal und mit Inventar aus Berliner Zeiten in Sachsen-Anhalt weiter. Die Schlossgruppe legt sich - mithilfe der Umwegverkäufe vermutlich preiswert - ein weiteres Unternehmen zu.

Strafrechtlich relevant wäre das dann, wenn Unternehmensbestandteile unter Marktwert verschoben und dadurch Gläubiger geprellt werden. Auffällig ist jedenfalls die Stückelung der Verkäufe in viele Pakete und die Aufteilung auf mehrere Firmen, die zur selben Firmengruppe gehören. Der damalige Insolvenzverwalter, der die Verkäufe offenbar akzeptiert hat, wollte sich auf Nachfrage nicht äußern.

Es gibt jedoch eine Einrichtung des Landes Sachsen-Anhalt, die bestens vorbereitet ist, Unternehmen zu durchleuchten und Ungereimtheiten aufzudecken: die IBG. Sie soll im Auftrag des Landes innovative Start-ups mit Risikokapital versorgen und bekommt dafür genauen Einblick in die Bücher. Am 4. Oktober 2006 bewirbt sich die neugegründete MAP dort um eine Landesbeteiligung in Höhe von 2,5 Millionen Euro. Als Ansprechpartner wird genannt: Klaas Hübners Vater.

Der IBG ist bekannt, dass die MAP aus der Berliner A & B hervorgegangen ist. Probleme sieht sie aber nicht. Der Beteiligungsausschuss bewilligt zwei Millionen Euro. Zuständig für den Kontakt zum Unternehmen ist der Investmentbetreuer Frank Fuhrmann. Er ist es auch, der sich später für die MAP um frisches Geld bemüht, als die Schlossgruppe mit dem Rücken an der Wand steht. Dort hat 2011 Klaas Hübner die Rolle als Sprecher der Firmengruppe übernommen. Fuhrmann vermittelt zwischen 2011 und 2013 alle Gespräche zwischen ihm und Lerinc.

Fuhrmanns Doppelrolle flog auf

Was Lerinc nicht weiß: Neben der gut bezahlten Tätigkeit im Auftrag des Landes hatte Fuhrmann heimlich noch zwei weitere Verbindungen zu MAP.Zusammen mit dem früheren Berliner A&B-Geschäftsführer Kostakis Andreu war er Gesellschafter einer Firma, die für MAP die Lagerverwaltung erledigte. Und zusammen mit seinem Bruder besaß Fuhrmann eine Reinigungsfirma, die für MAP und andere Unternehmen der Schlossgruppe tätig war. Die Schlossgruppe sorgte also dafür, dass Fuhrmann als Geschäftsmann Geld verdienen konnte. Und Fuhrmann sorgte dafür, dass die MAP von der IBG mit Kapital versorgt wird.

Als Fuhrmanns Doppelrolle im März 2013 auffliegt, wird er von seiner Tätigkeit für die IBG freigestellt. Zu dem Zeitpunkt ahnt noch niemand, dass der oberste IBG-Manager Dinnies Johannes von der Osten genau dieselbe lukrative Doppelrolle hat, dass er selbst heimliche Geschäfte mit Firmen macht, denen er Landesbeteiligungen verschafft hat. Im Sommer 2013 fliegt auch von der Osten auf.

Die dunkle Vorgeschichte der MAP erweist sich für ihren neuen Besitzer Lerinc als fatal.Der Strudel, in dem die Schlossgruppe steckt, reißt auch ihn hinab. Zwar konnte er vor dem Einstieg bei der MAP Unterlagen einsehen. Doch erst im Februar 2012 erfährt er, dass seine Firma noch immer mit einer Million Euro für die Schlossgruppe haftet. Und im August 2013 wird ihm klar, wie gewaltig die Probleme der Schlossgruppe sind: Die Familie Hübner hat erreicht, dass die Banken bei einem Schuldenpaket von 35 Millionen Euro auf 24,5 Millionen Euro verzichten.

Mit einem Schlag wird Lerinc klar, warum keine Bank der MAP Kredit gewähren will. "Die wussten natürlich, dass die MAP aus der Schlossgruppe hervorgegangen war, da leuchteten bei denen alle Alarmlampen. Der Rufschaden ist immens, noch immer", sagt Lerinc heute. 2013 muss er die MAP ebenso wie sein nordrhein-westfälisches Stammunternehmen in die Insolvenz schicken, kann beide jedoch fortführen.

Welche Verantwortung trägt das Land? Antworten sind nur schwer zu bekommen. Sachsen-Anhalt hat die Geschäfte der IBG zum 1. Juli an die private bmp Beteiligungsmanagement AG übertragen. Die bittet um Verständnis, dass man zu Alt-Investments nichts sagen werde. Die Mitarbeiter seien angehalten, "sich auf die Akquisition spannender Neuinvestments zu konzentrieren", sagt bmp-Vorstandsvorsitzender Oliver Borrmann.

Kein Kommentar der Beteiligten

Dinnies von der Osten lässt durch seine Anwältin ausrichten, dass er sich nicht äußern wird.

Frank Fuhrmann ist für die Volksstimme nicht zu erreichen.

Der Anwalt der Hübners schickt auf Anfrage ein achtseitiges Schreiben mit dem Hinweis, dass nichts daraus zitiert werden darf.

Das Land räumt ein, die Prüfungen der MAP durch die IBG ließen sich "anhand der der IBG vorliegenden Unterlagen im Einzelnen nicht mehr nachvollziehen".