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Lehrerintegration "Rechnen können reicht nicht"

Ein französischer Grundschullehrer darf in Sachsen-Anhalt nicht Mathe unterrichten - warum eigentlich?

Von Hagen Eichler 24.07.2015, 08:21

Volksstimme: Die Ecole, die Internationale Grundschule Barleben, hat ein französischsprachiges Profil und braucht zwingend französische Lehrer. Ist Sachsen-Anhalt mit der Anerkennung solcher Lehrer überfordert?
Jan Hofmann: Wir sind nicht überfordert. Um es ganz deutlich zu sagen: Wir sind begeistert, wenn ausländische Lehrer zu uns kommen. In unseren Schulen ist jede qualifizierte Lehrkraft willkommen.

Aber hier wurde ein voll ausgebildeter französischer Grundschullehrer für nur wenige Fächer anerkannt. Warum reicht seine Ausbildung nicht für Sachsen-Anhalt?
Die Kultusministerkonferenz hat sich Richtlinien gegeben. Die sind für alle Bundesländer gleich. Wir prüfen nach einheitlichem Maßstab, inwieweit die ausländische Ausbildung von der deutschen abweicht.

Und die französische Ausbildung genügt nicht?
In Frankreich ist die Ausbildung kürzer, die Differenz liegt bei etwa eineinhalb Jahren, und sie ist anders strukturiert. Damit wird nur ein Teil unserer Anforderungen erreicht. Deshalb kann man die Abschlüsse nicht 1:1 gleichsetzen. Französische Grundschullehrer müssen daher, wenn sie bei uns eine gleichwertige Anerkennung erreichen wollen, einzelne Bausteine der deutschen Ausbildung nachholen. Für ausländische Abschlüsse gilt übrigens genau das Gleiche wie nach der Wende für die Lehrkräfte der ehemaligen DDR, die fehlende Lehrbefähigungen durch ein Parallelstudium nachholen konnten. Es ist nur verständlich, wenn das für alle und auch heute noch gilt.

Ein ausländischer Lehrer bereichert den Unterricht durch neue Ansätze. Gleicht das nicht Unterschiede im Studium aus?
Leuchtet uns dieses Argument in anderen Berufen ein? Bei Flugzeugführern, Ärzten, Architekten? Würde man da sagen: Er ist hoch motiviert und das reicht dann? Wer Fachlehrer ist, muss auch erlernt haben, wie er Kindern und Jugendlichen dieses Fach vermittelt. In der Mathematik reicht es zum Beispiel nicht nur aus, selbst rechnen zu können.

Es geht aber um einen Lehrer, der in Frankreich Mathematik unterrichten darf.
In Frankreich gibt es eine Ausbildung zum Grundschullehrer, die anders als bei uns keine so eindeutige Fachbindung hat. Mathematik und Naturwissenschaften sind in Sachsen-Anhalt ein traditioneller Schwerpunkt. Da haben wir ein sehr hohes Niveau, das vor allem auch mit der exzellenten Qualifikation unserer Fachlehrer zu tun hat. Das haben die nationalen und internationalen Vergleichstests der letzten Jahre immer wieder bewiesen. Insofern ist es verwunderlich, dass die Ecole den Lehrer noch vor Anerkennung seiner Abschlüsse durch das Landesprüfungsamt und ohne Unterrichtsanzeige beim Landesschulamt im Unterricht eingesetzt hat.

Die Statistik sagt, dass in Sachsen-Anhalt jedes Jahr 50 Ausländer die Anerkennung beantragen und nur sieben bis zehn die volle Anerkennung bekommen.
Die anderen werden aber nicht weggeschickt. Wir sagen vielmehr, welche Qualifikationen noch fehlen und zeigen Wege auf, wie eine gleichwertige Anerkennung erreicht werden kann. Dabei unterstützen wir die Antragsteller. In den anerkannten Teilen seiner Ausbildung kann ein Bewerber auch sofort unterrichten. Und ja, wir müssen auch unsere eigenen Maßstäbe und Verfahren immer wieder kritisch hinterfragen. Dies sage ich auch mit Blick auf die aktuelle Situation der steigenden Zahl von ausländischen Kindern und dem damit einhergehenden höheren Lehrerbedarf.

Das Land Berlin hat Anthony Rey für alle Grundschulfächer zugelassen. Warum war das dort möglich?
Die Unterlagen aus Berlin zeigen, dass die dortige Einschätzung mit der unsrigen in großen Teilen übereinstimmt. Mathematik wurde ihm vor allem deshalb anerkannt, weil Herr Rey angegeben hat, in Sachsen-Anhalt dieses Fach bereits unterrichtet zu haben. Möglicherweise konnte die Berliner Verwaltung aufgrund dieser Tatsache in diesem Punkt etwas kulanter entscheiden. Außerdem hat Herr Rey in beiden Ländern schriftlich versichert, dass er keinen gleichlautenden Antrag in einem anderen Bundesland gestellt hat.

Er hat also den deutschen Föderalismus ausgetrickst?
Das kann man so sagen. Das passiert übrigens immer mal wieder. Aus der Kommission Lehrerbildung der Kultusministerkonferenz, deren Vorsitzender ich bin, kenne ich Fälle, in denen sich Lehrer in mehreren Bundesländern um die Anerkennung beworben haben. Das können wir kaum verhindern, weil es keine zentrale Lehrerdatenbank gibt. Wenn so eine Sache aber bekannt wird, muss der Antragsteller das verantworten.