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Landwirtschaft Gier nach Ackerland

Agrarminister Aeikens will den Verkauf von Äckern und Agrarbetrieben begrenzen. Er stößt auf Widerstand.

10.08.2015, 05:41
Foto: Uli LŸcke--  Volksstimme-GesprŠch mit Dr. Hermann Onko Aeikens, Minister fŸr Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt
Foto: Uli LŸcke-- Volksstimme-GesprŠch mit Dr. Hermann Onko Aeikens, Minister fŸr Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt Uli LŸcke

Magdeburg l Für einen Hektar guten Bördeacker müssen schon mehr als 30.000 Euro hingeblättert werden. Auch Weideland (11.000 Euro) und Wald (5000 Euro) sind viel teurer geworden. Heimische Landwirte können da oft nicht mehr mithalten. Sachsen-Anhalts Umweltminister Hermann Onko Aeikens will dem entgegenwirken.

Volksstimme: Herr Minister, hält die Gier nach fettem Bördeboden weiter an?
Hermann Onko Aeikens: Ja. Und nicht nur in der Börde. Die Nachfrage nach Acker, Weideland und Wald ist enorm. Die Bodenqualität spielt dabei keine große Rolle. Die Preise haben sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Ein Hektar guter Bördeacker kostet mittlerweile mehr als 30.000 Euro.

Wer sind die Käufer?
Das sind oft Investoren von außerhalb. In bestimmtem Kreisen ist es angesagt, Landwirtschaftsbetriebe zu übernehmen und Land zu kaufen, da Zinsen auf Geldanlagen kaum noch etwas bringen. In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ist das schon ausgeprägter als bei uns.

Wie sieht es in Sachsen-Anhalt aus?
Laut einer Studie sind im Landkreis Börde 30 Prozent der GmbH-Anteile in externen Händen. Präzise Statistiken gibt es nicht, da wir keinen Einblick haben, wenn Betriebsanteile verkauft werden. Hier haben wir keine Transparenz. Manches erfahre ich nur durch Zufall. Das ist ein großes Manko.

Anders ist das beim Verkauf von Boden. Da werden die Landkreise und Berufsverbände beteiligt. Wenn ein Nicht-Landwirt Acker kaufen will, dann können die Behörden das unterbinden. Landwirte haben Vorrang - und findet sich keiner, kann unsere Landgesellschaft das Vorkaufsrecht zugunsten eines landwirtschaftlichen Betriebes ausüben. Was beim Landkauf geht, funktioniert beim Betriebsverkauf nicht. Investoren wissen das - und kaufen daher Anteile und ganze Höfe auf. Über diesen Weg kommen sie so doch an Land. Das wollen wir mit einem Gesetz eindämmen. Wir wollen - wie beim Landverkauf auch - eine staatliche Mitbestimmung, wenn größere Betriebsanteile verkauft werden sollen.

Was ist schlecht daran, wenn Investoren hier einsteigen?
Wenn Externe noch mehr Appetit bekommen, hat das viele Nachteile. Wertschöpfung und Steuern fließen aus dem ländlichen Raum ab, da die Investoren ihren Sitz woanders haben. Es kommt schnell zu lokalen Monopolen, die die übrigen heimischen Betriebe verdrängen. Und mit dem dörflichen Leben und der Landwirtschaft vor Ort haben viele dieser Anleger wenig zu tun. Der Landwirt bringt sich im Dorfleben ein - der Statthalter einer Firma eher nicht. Ich sehe auch die Akzeptanz von Landwirtschaft in der Bevölkerung in Gefahr, wenn etwa Nahrungsmittel nicht mehr von heimischen Landwirten produziert werden. Die Deutschen sind gerade da sehr sensibel. Und ich sehe auch das Risiko, dass die Landwirte im Osten künftig bei der Geldverteilung Nachteile haben werden - wenn Westländer sehen, dass das Geld am Ende an Nicht-Einheimische fließt.

Wer sind diese Investoren?
Darunter sind etwa Möbelhändler Steinhoff oder die Abfallfirma Rethmann.

Aber können Sie den Aufkauf gesetzlich stoppen? Große Investoren haben gute Juristen, die werden Schlupflöcher finden.
Schlupflöcher gibt es immer. Deswegen nichts zu tun, halte ich jedoch für falsch. Gesetze sind nicht wirkungslos.

Ihr Ziel?
Wir wollen eine breite Streuung des Eigentums, wir wollen Externe möglichst fernhalten, damit heimische Betriebe geschützt und die Erträge im Dorf bleiben. Dies können wir gesetzlich steuern. Wir haben im Entwurf auch eine Preisdämpfung vorgesehen: Die Preise sollen maximal 50 Prozent über dem Bodenrichtwert liegen.

Sie wollen die Landwirte schützen - und bekommen von Bauern doch so viel Gegenwind.
Das ist differenziert zu sehen. Wir sind von den Bauern jahrelang bedrängt worden, etwas zu tun. Nun haben wir einen Entwurf vorgelegt - und bekommen von Ökoverbänden, vom Pächterverband, vom Bauernbund und den Nebenerwerbslandwirten Zustimmung. Nur der Bauernverband sagt: So geht`s nicht. Von einem besseren Lösungsansatz habe ich aber noch nichts gehört.

Im Bauernverband sind viele Großbetriebe organisiert. Manch älterer Landwirt findet keinen Nachfolger und hat die Aussicht, mit dem Anteilsverkauf Millionen zu verdienen. Ist der Protest nicht nachvollziehbar?
Das ist sicherlich verständlich, wenn jemand seine Betriebsanteile zum bestmöglichen Preis versilbern möchte. Aber als Politiker darf ich nicht nur die Interessen des Einzelnen sehen, sondern muss den gesamten ländlichen Raum im Blick haben. Die Risiken für unsere Landwirtschaft und unsere Dörfer sind einfach zu groß, als dass man alles laufen lassen sollte.

Und was die Nachfolge angeht: Das liegt auch in der Verantwortung eines Unternehmers, für Nachfolger zu sorgen. Die Bedingungen sind hier im Land mit die besten in Deutschland. Wir bilden an der Uni Halle und zudem an der Hochschule Bernburg mehr als 3000 Landwirte sowie Ernährungsfachleute aus. Jedes Jahr haben wir gut 500 Absolventen. Jeder weiß, wann er 65 wird und kann sich frühzeitig kümmern.

Eigentümer kritisieren das als unangmessene Einmischung des Staates. Von Enteignung und Bodenereform war gar die Rede.
Das ist schon der Hammer, ausgerechnet mir Enteignung vorzuwerfen. Wenn wir dem Preisgalopp und dem Landausverkauf einen Riegel vorschieben wollen, dann brauchen wir ein bestimmtes Maß an Kontrolle und Eingriffsmöglichkeiten. Ich betone: maßvoll. Nach unserem Entwurf hätte das vielleicht zwei Prozent der Betriebe betroffen. Es ging um große Anteilverkäufe von mehr als 40 Prozent. Aber die Stimmungslage ist bei einigen anders: Sie wollen sich nicht in die Karten gucken lassen.

Der Bauernverband hält die von Ihnen skizzierte Gefahr für weit überzogen. Betriebsanteile gingen meistens an Landwirte aus dem Nachbardorf und nicht an anonyme Investoren.
Betriebsleiter sagen oft nicht, an wen Anteile gehen. Doch die Tendenzen und Gefahren sind im Osten doch klar erkennbar. Im Kreis Anklam ist nur noch ein Betrieb in heimischer Hand. Großfirmen wie die Aktiengesellschaft KTG Agrar aus Hamburg haben schon 30 000 Hektar im Osten. Im Harz gingen jetzt Anteile an einen Thüringer Kaufmann. Im Bördekreis sind Schweizer eingestiegen.

Kritiker sagen, Preistreiber sei vor allem der Bund mit seiner BVVG. Da sollte das Land aktiv werden.
Wir sind ja aktiv geworden. Sachsen-Anhalt wollte die 30.000 Hektar BVVG-Flächen dem Bund abkaufen und dann selbst vermarkten. Doch wir sind mit dem Bund nicht handelseinig geworden - bis auf jene 5000 Hektar, die wir für den Hochwasserschutz benötigen. Dennoch haben wir Fortschritte erzielt. Die BVVG bietet jetzt kleinere Lose von 15 Hektar an und verlängert den Privatisierungszeitraum, so dass auch kleinere Landwirte eine bessere Chance haben.

Sie wollten das Gesetz noch vor der Wahl 2016 beschlossen sehen - sind dann aber davon abgerückt. Ist der Vorstoß gescheitert?
Nein. Aber wir brauchen mehr Zeit für die Diskussion als ich zunächst gedacht hatte. Wir betreten juristisches Neuland. Wir werden den Entwurf weiter im Agrarausschuss im Landtag diskutieren. Wir werden auch weiter mit den Bauern reden. Mit dem Präsidium des Bauernverbandes im Land und auch im Bund sind Gespräche vorgesehen. Und dann kommt ein Entwurf in der nächsten Legislatur wieder auf die Tagesordnung.

Die Zusammensetzung der künftigen Regierung ist ungewiss. Wird ein Gesetz dennoch zustandekommen?
Ich bin optimistisch. Wir haben von CDU, SPD und Grünen Unterstützung. Nur die Linke wollte den Entwurf beerdigen. Aber der Druck ist da. Vielen Dörfern ist außer der Landwirtschaft nicht viel geblieben - nicht mal eine Kneipe. Wenn die Erträge aus dem Agrarbetrieb auch noch abfließen, darf man sich nicht wundern, wenn noch mehr Leute wegziehen.