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Trauerbeflaggung verlängert / Trauerfeier live im Fernsehen [4. Aktualisierung] Nach Zugkatastrophe neuer Streit um Sicherheit

02.02.2011, 09:15

Das schwere Zugunglück bei Hordorf hat eine neue Debatte um die Sicherheit auf den Schienen im Osten ausgelöst. Vor allem die privaten Güterbahnen schlagen Alarm, die Deutsche Bahn weist Kritik zurück. Immerhin: Die Überlebenden können mit rascher Hilfe rechnen.

Hordorf/Magdeburg (vs). Nach dem schweren Zugunglück bei Hordorf ist ein neuer Streit um die Sicherheit auf ostdeutschen Schienen ausgebrochen. Ein Verband privater Güterbahnen erhob schwere Vorwürfe gegen die Deutsche Bahn als Netzbetreiberin. Das Staatsunternehmen habe in den vergangenen Jahren zwar Milliardenbeträge in Hochgeschwindigkeitsstrecken investiert, an vielen Orten sei die Infrastruktur jedoch auf dem Stand zu DDR-Zeiten geblieben, kritisierte das Netzwerk Privatbahnen, ein Zusammenschluss von rund 20 privaten und kommunalen Güterbahnen in Deutschland. Die Bahn wies die Kritik als "schlichtweg falsch und pietätlos" zurück.

Ein erster Untersuchungsbericht des Bundesverkehrsministeriums hatte ergeben, dass der Führer des Güterzuges zwei Signale missachtet haben dürfte. Bei dem Zusammenstoß des Güterzuges mit einem Personenzug waren am Wochenende zehn Menschen getötet worden, 23 wurden verletzt. Die Justiz ermittelt gegen den 40-jährigen Lokführer wegen möglicher fahrlässiger Tötung. Der Mann schweigt zu den Vorwürfen.

Während die Deutsche Bundesbahn im Westen bereits 1969 alle Hauptstrecken mit einer sogenannten induktiven Zugsicherung versehen habe, existierten heute in den neuen Bundesländern noch mehr als 800 Kilometer Hauptstrecke ohne diese Sicherung, kritisierte das Netzwerk. Mit der Technik wird ein Zug beim Überfahren eines "Halt" zeigenden Hauptsignals automatisch abgebremst, auch ein ignoriertes Vorsignal löst binnen vier Sekunden eine Zwangsbremsung aus. Auch die Lokführergewerkschaft GDL hatte bessere Sicherungssysteme verlangt.

Die Deutsche Bahn wies die Kritik des Netzwerkes zurück. "Solche Behauptungen entbehren jeder Grundlage und sind schlichtweg falsch", sagt Infrastrukturvorstand Volker Kefer. "Seit dem Mauerfall flossen mehr als 25 Milliarden Euro in den Ausbau und die Modernisierung der Strecken im Osten." Neben dem Ausbau der Hauptstrecken sei allein in den letzten fünf Jahren rund eine Milliarde Euro in die regionale Infrastruktur in den neuen Ländern investiert worden. "Wer wider besseres Wissen solche Behauptungen aufstellt, schürt Ängste, das ist gerade vor dem Hintergrund des Unfalls von Hordorf geschmacklos und pietätlos", setzte Kefer nach.

Die Überlebenden und Hinterbliebenen des Zugunglücks können derweil mit umfangreichen Hilfen rechnen. Die Salzgitter AG, in deren Auftrag der am Unfall beteiligte Güterzug unterwegs war, sicherte Unterstützung zu. "Wir stehen zu unserer Verantwortung, unabhängig davon, ob der Unfall auf technisches oder menschliches Versagen zurückzuführen ist", sagte Salzgitter-Sprecher Bernd Gersdorff. "Wir denken an eine materielle Unterstützung." Auch das Bahnunternehmen Veolia, das für den am Unfall beteiligten Harz-Elbe-Express zuständig ist, sagte Hilfe zu.

Zwei der Verletzten waren am Mittwoch weiterhin auf einer Intensivstation. Ein zehnjähriges Mädchen liege im Koma, schwebe aber nicht in akuter Lebensgefahr, sagte Nicole Huhn, Sprecherin des Halberstädter Klinikums. Zudem liege eine weitere Frau auf der Intensivstation.

Kritik an der Konstruktion von Personenzügen kam von der Technischen Universität in Berlin. Mehr als 90 Prozent der Personenzüge auf deutschen Gleisen genügten nicht den im EU-Recht vorgeschriebenen Crashtests, sagte der Leiter des Fachgebiets Schienenfahrzeuge an der TU Berlin, Markus Hecht.

Dies gelte auch für den bei Hordorf verunglückten Zug mit zwei fast neuen Triebwagen. Das Ignorieren der Vorschrift sei zulässig, weil die Züge nur deutsche Strecken befahren. Verbindlich sei die EU-Norm nur für den grenzüberschreitenden Verkehr.

Bahnchef Rüdiger Grube hatte bereits am Montagabend angekündigt, nach dem schweren Zugunglück schnellstmöglich mehr eingleisige Strecken mit moderner Sicherungstechnik auszustatten.

Das Innenministerium von Sachsen-Anhalt verlängerte am Mittwoch die landesweite Trauerbeflaggung an öffentlichen Gebäuden bis zum kommenden Samstag. An diesem Tag ist im Halberstädter Dom die Trauerfeier von Landesregierung, Landtag und Kirchen geplant. Die Veranstaltung soll live im MDR-Fernsehen übertragen werden.