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Dienstgruppenführer Andreas Sch. aus Dessau sagt vor dem Magdeburger Landgericht aus Jalloh-Prozess: Angeklagter Polizist gerät in Erklärungsnot

Von Oliver Schlicht 02.02.2011, 05:33

Am Magdeburger Landgericht ist gestern der Prozess um den Feuertod des Asylbewerbers, Oury Jalloh, weitergeführt worden. Der Afrikaner war 2005 in Gewahrsam der Dessauer Polizei in einer Arrestzelle verbrannt. Der angeklagte Dienstgruppenleiter der Polizei nahm gestern vor Gericht ausführlich Stellung. Er lehnt eine Mitschuld am Tod von Jalloh ab.

Magdeburg. Das Verfahren wurde nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes neu angesetzt. Zunächst verweigerte der Angeklagte Andreas Sch. (50) am Prozessbeginn jegliche Aussagen. Inzwischen hat er seine Meinung geändert. In der vergangenen Woche verlas er eine persönliche Erklärung zur Sache, gestern beantwortete er auch Fragen.

Die Vorsitzende Richterin, Claudia Methling, eröffnete den mehrstündigen Reigen, der Beisitzende Richter, Stefan Caspari, setzte ihn fort. Auffällig war, dass die Fragen des Gerichtes weniger als im Verfahren am Dessauer Landgericht auf die zeitlichen Abläufe des Geschehens zielten. Richter Caspari rückte stattdessen die am Ereignistag, dem 7. Januar 2005, gültige Gewahrsamsordnung der Polizei in Sachsen-Anhalt in den Mittelpunkt – und brachte damit den Angeklagten mehrfach in Erklärungsnot.

Die bislang zentrale Frage wurde dagegen weniger ausführlich als erwartet erörtert: Hätte der Dienstgruppenleiter das Leben des Asylbewerbers retten können, wenn er nach Anschlagen des Rauchmelders schneller in der Zelle gewesen wäre? Die Fragen um diesen Komplex schien der Angeklagte erwartet zu haben, entsprechend gut war er vorbereitet. Er habe sich noch vor dem ersten Ertönen des Alarms entschlossen, nach unten in den Keller zu gehen, um nach dem Afrikaner zu schauen, sagte er. Aus Sicht der Anklage ignorierte er den Alarm mehrfach. Andreas Sch.: "Ich habe den Alarm einmal oder eventuell auch ein zweites Mal abgestellt. Aber nur, weil der Ton gestört hat."

Den Entschluss, in den Keller zu gehen, habe er – und dies ist neu – in der Teeküche gefasst. "In der Teeküche habe ich Wasser getrunken", so Andreas Sch. Diese Küche befindet sich am Ende von mehreren Büroräumen ohne Zwischentüren: Seinem Dienstzimmer folgt die Vermittlung, dann kommt ein Technikraum, dann die Teeküche. Bei der Rückkehr in sein Dienstzimmer hörte er ein Plätschern aus der Wechselsprechanlage, die mit der Zelle verbunden ist. "Ich bin von einem Wasserschaden ausgegangen, weil sich über der Zelle die Damentoilette befindet." Und warum löste dann der Rauchmelder Alarm aus? "Ich vermutete einen Kurzschluss durch das Wasser", so der Angeklagte.

Sch. sagt, er sei dann sofort in den Keller gegangen – ohne einen Feuerlöscher mitzunehmen. Warum nicht? "Ich dachte ja, es sei ein Wasserschaden." Nach dem Öffnen der Zellentür sei ein Betreten der Zelle nicht mehr möglich gewesen. "Alles war voll mit schwarzem Rauch."

Viele Fragen zielten dann darauf ab, ob der damalige Dienstgruppenleiter in dieser leitenden Funktion der Gewahrsamsordnung entsprechend die Unterbringung des Asylbewerbers veranlasst hat. Bei dieser Befragung antwortete der Angeklagte zuweilen sehr zögerlich.

So sieht diese Anordnung die Einsetzung eines zuständigen Gewahrsamsbeamten vor, wenn Zellen belegt sind. Den gab es mehrere Stunden lang nicht. "Es gab zu wenig Personal an diesem Tag", so die Begründung. Die Streifenbeamten hätten die Zelle aber regelmäßig kontrolliert. "Waren die bewaffnet?" "Auf Streife sind sie bewaffnet." "Haben sie ihre Waffen bei der Gewahrsamskontrolle abgelegt?" "Das weiß ich nicht."

Die Gewahrsamsordnung schreibt auch vor, dass der Eingesperrte das Recht hat, Verwandte oder Bekannte zu nennen, die informiert werden sollen. Die Frage danach und die Antwort darauf müssen in einem Gewahrsamsbuch vermerkt werden. So ein Buch gab es auch im Dessauer Revier. "Warum steht davon nichts in dem Buch?" "Ich weiß nicht. Vermutlich wurde der in Gewahrsam genommene nicht gefragt", so die Anwort. Die eigentliche Gewahrsnahme wurde in diesem Buch nicht wie üblich von den beiden Streifenpolizisten protokolliert, die ihn in die Zelle gebracht haben, sondern von Andreas Sch. handschriftlich vermerkt. Dies ist ungewöhnlich, weil der Dienstgruppenleiter behauptet, Jalloh niemals begegnet zu sein. "Wieso steht denn da ihr Kürzel?" "Kann ich nicht sagen. Vermutlich habe ich für die beiden Kollegen gezeichnet. Das kam schon mal vor."

Auf die grundsätzliche Frage, ob er seiner Meinung nach gegen die damals gültige Gewahrsamsordnung der Polizei verstoßen habe, schweigt der Angeklagte lange. Dann blickt er auf seinen Verteidiger Attila Teuchtler. Der antwortet schließlich: "Mein Mandant möchte die Frage nicht beantworten."