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Argumente für ein neues Erziehungsbild Männer als Erzieher: Rar, aber bereichernd

15.03.2011, 04:32

Von Philipp Hoffmann

Magdeburg. Der Hort hat als Hausaufgabenhilfe den einzigen männlichen Bewerber eingestellt. Das war der ausdrückliche Wunsch der Kinder. Jetzt erledigen die Jungen ihre Aufgaben im Eiltempo – um hinterher noch Zeit zu haben, mit dem Studenten Fußball zu spielen. Bald schon aber machen die Jungen lange Gesichter. Denn nun sind es die Mädchen, die nach getaner Arbeit den Mann umlagern.

Das Beispiel zeigt: Männer sind im Erziehungsbereich zwar eine Rarität – lediglich drei Prozent der Erzieher in Deutschland sind Männer, in Sachsen-Anhalt sogar nur ein Prozent. Sie sind aber alles andere als Fremdkörper. Männer wirken – auch für Mädchen – bereichernd, das haben entwicklungspsychologische und auch neurowissenschaftliche Studien belegt. So kann sich männliche Fürsorge in früher Kindheit positiv auf die Entwicklung von Emotionen und Verhalten auswirken.

Das Bundesfamilienministerium versucht nun, mit dem Programm "Mehr Männer in Kitas" die Quoten männlicher Erzieher zu erhöhen. Bundesweit laufen seit diesem Jahr 16 Projekte, eines davon in Sachsen-Anhalt: Der Stendaler Verein KinderStärken will mit dem Projekt "Kita sucht Mann" Ideen für eine Erhöhung der Männerquote sammeln.

Während es Familienministerin Kristina Schröder (CDU) vor allem um die männliche Vorbildrolle für Jungen geht, sehen andere Akteure vielschichtige Gründe. "Wir sollten Jungen wie Mädchen die volle Bandbreite an Einflüssen bieten", sagte der Tangermünder Erzieher Bernd Mitsch gestern auf der Fachtagung "Männlichkeit(en) in Kindertagesstätten" in Magdeburg. "Wenn wir ihnen einen Teil, die Männer, vorenthalten, geht ihnen auch etwas verloren."

Mitsch hat für das Kompetenzzentrum geschlechtergerechte Kinder- und Jugendhilfe Sachsen-Anhalt, Veranstalter der Tagung, eine Studie über Jungen und Männer in Kindertagesstätten verfasst. Bei der Befragung von 25 Erzieherinnen aus drei Kitas im Land kam heraus, dass männliche Erzieher vor allem dann als Bereicherung angesehen werden, wenn sie alternative Angebote mitbringen – klassischerweise Fußball und Werken. Mitsch hält das für problematisch. Er wünscht sich in Kitas eine systematische Jungenarbeit, die nicht auf Stereotype beschränkt bleibt.

Handwerklich Begabte werden nicht Erzieher

Das sieht Tim Rohrmann von der Berliner Koordinationsstelle "Männer in Kitas" nicht anders. "Handwerklich interessierte Männer werden Handwerker und nicht Erzieher", wandte er sich gestern auf der Tagung gegen eine einseitige Rollenzuweisung, die manchmal darin gipfelt, dass der einzige männliche Erzieher einer Kita zugleich als Hausmeister eingesetzt wird. Auch Männer könnten Kinder trösten, so Rohrmann. Zudem sei es unnötig, sich als Erwachsener den Kopf über die Unterschiede von weiblicher und männlicher Erziehung zu zerbrechen. Denn: "Niemand nimmt diese Unterschiede so gut wahr wie die Kinder selbst."

Rohrmann freut es zwar, dass derzeit viel über Männer in Kitas diskutiert wird. Es verwundert ihn aber auch. "Es war immer normal, dass Erziehung eine Frauendomäne war", sagte der Berliner Experte. Und: "Wir machen uns manchmal nicht klar, wie neu das Projekt der gemeinsamen Erziehung ist." Rohrmann wünscht sich, dass Mann und Frau, wenn sie schon im gleichen Boot sitzen, auch in die gleiche Richtung rudern. Sonst drohe das Boot zu zerbrechen.

Wie neu die Themen Männer in der Erziehung und Jungenarbeit sind, zeigt sich auch darin, dass sie Bernd Mitsch zufolge im noch recht jungen Programm "Bildung elementar", das Kitas in Sachsen-Anhalt seit 2004 ein Leitfaden sein soll, kaum vorkommen. Ein Grund mehr, sich, statt allzu sehr der Theorie nachzuhängen, Praxisfälle wie den eingangs beschriebenen anzusehen. Was Jungen und Mädchen von Männern in der Erziehung haben, kann nichts besser zum Ausdruck bringen als ihr eigenes Verhalten.